Am 15. August 2025 09:50:20 MESZ schrieb "Rat Frag über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:
Man hat es bereits geahnt, aber ich hatte mit dem Beispiel natürlich
einen Hintergedanken.
Was wäre, wenn wir in den Beispiel für Person A nicht einen
Angeklagten vor Gericht einsetzen, sondern z. B. eine Regierung?
Es ist zweifellos bekannt, dass Regierungen durch Geheimdienste über
Wissen verfügen, welches die allgemeine Öffentlichkeit nicht hat und
auch nicht haben kann.
Unsere Politikwissenschaft, aber auch die Beschäftigung mit Politik
durch Publizisten Kommentatoren etc., geht davon aus, dass zur
Beurteilung der Handlungen der Regierung die der Öffentlichkeit
bekannten Fakten im Prinzip ausreichen.
Im 19. Jahrhundert gab es in diesem Zusammenhang einmal das Schmähwort
vom "beschränkten Untertanenverstand".
In diesem Zusammenhang würden wir dann jedes mögliche Wissen in 4
Kategorien einteilen:
1. Wissen, das weder der Regierung, noch der Öffentlichkeit bekannt
ist. Die Frage der Relevanz erübrigt sich.
2. Wissen, das der Öffentlichkeit (und damit auch der Regierung)
bekannt ist. Falls dieses Wissens das Urteil über eine Handlung der
Regierung verändert, dann hat es das für informierte
Diskussionsteilnehmer bereits getan.
3. Wissen, dass nur der Regierung und nicht der Öffentlichkeit zur
Verfügung steht, welches aber das Urteil der Öffentlichkeit über die
Handlungen der Regierung nicht verändert. Beispielsweise, dass ein
verdeckter Ermittler in eine Verbrecherbande eingeschleust wurde oder
ein Spion irgendwo.
4. Wissen, über das nur die Regierung verfügt, welches aber das Urteil
über die Handlungen durch die Öffentlichkeit verändern würde. Mit
anderen Worten, "gute Gründe", die aber geheim sind.
Damit so etwas wie Beurteilung der Politik mit wissenschaftlichen oder
ernsthaften journalistischen Methoden möglich ist, muss (4) leer sein.
Gleich Null.
Eine Möglichkeit, diesem Problem auszuweichen, ist die Annahme einer
strengen Deontologie. Der Glaube daran, dass sich Handlungen immer von
selbst verbieten und es keine rechtfertigenden Gründe, zumindest für
Regierungen, geben kann.
Natürlich lässt sich der Gedanken auch spielend verallgemeinern auf
jede andere "Person A". Sofern sie über Geheimnisse verfügt, das ihre
Handlungen möglicherweise (!) rechtfertigt. Beispielsweise der Chef
eines Großkonzerns oder so.
Meines Erachtens muss eine Person, die weise sein will, die Frage zu
einem gewissen Grad unentschieden lassen, ob solches Wissen existiert,
oder?
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