Am 12.07.24 um 00:12 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb:

> Man kann in Kenntnis der Motivlage eines Menschen zwar oft mit an Sicherheit grenzender aber eben nur daran grenzender Wahrscheinlichkeit vermuten, was er tun wird, aber woher soll man es ohne prophetische Fähigkeiten wissen?

Richtig, wenn auch ungenau beschrieben. Motivlage oder Kausalwichtigkeiten setzt der Betrachter fiktiv bei sich selbst ein, denkt sich mit der selben Motivlage ("stellt sich vor", er wäre in derselben Lage), und entscheidet dann sozusagen für die Person, im Nachhinein oder im Vorhinein. Kann, muss, darf, soll das Denken des Betrachters eine prophetische Fähigkeit erfordern? Von einem Betrachter² aus gedacht? Wenn diese Fähigkeit nicht erforderlich ist, braucht auch nicht über sie gesprochen zu werden. Und das völlig unabhängig davon, was dabei von der Person oder dem Betrachter übersehen wird.

> Die Handlung ist nicht schon in den Umständen enthalten, so wie der Schluss in den Voraussetzungen und Umformungsregeln. Oder?

Hier kann mit einem "doch" gestritten werden. In einer (logischen) Formel können Sachen fehlen. Sie kann auch so kompliziert sein, dass sie nur von Berufsmathematikern aufgestellt werden könnte, und dann doch zu einem Fehler in der Vorhersage der Handlung führen würde. Auch mit KI kann das Resultat fehlerhaft werden. Problem ist ja auch, wie denn die "Motive" in die Formel eingebracht werden. Wenn das alles gedacht wird, kann auf das "Oder" nur mit "richtig" beantwortet werden.

> Nun könnte man aber auf die Idee kommen, dass man doch immer und prinzipiell ausnahmslos dem stärksten Motiv folgt, wenn man als stärkstes Motiv dasjenige bezeichnet, dem man gefolgt ist.

Übersetzt in die Denkweise Person-Betrachter: Die Person P folgt immer dem stärksten Motiv. Dann sucht der Betrachter B das stärkste Motiv bei der Person, hat hypothetisch kein Problem, es zu finden. Dann kann B immer sagen, was P tut.

> Aber wäre das nicht nur ein missverstandener analytischer Satz, eine Worterläuterung im Ton einer Tatsachenfeststellung?

Ist die Frage mit der Denkweise B-P noch sinnvoll?

> Die Handlung zeigt, wie die Motive priorisiert wurden. (Satz A)

Sie kann das zeigen. Immer unter der Voraussetzung, dass "Motive" in eine Kausalbeschreibung eingesetzt werden können, denn das ist ja ein nicht zu leugnendes Problem. Es gibt viele andere Sachen, die als Vorsachen mit eine Rolle spielen und statt "Motiv" eingesetzt werden könnten. Ein Betrachter kann zwei getrennte Kausalmaschen herstellen, eine, die in der Person abläuft, eine zweite, die außen abläuft. Und er kann die zwei zusammenbringen. Um gemäß Descartes vorzugehen, das Problem aufzuteilen. Konrad Lorenz gab ein inneres Parlament fiktiv vorhanden an, diese Idee hatte er von einem seiner Vorgänger.

> Das klingt doch schon nicht mehr so, als ob man von ihnen wehrlos über den Tisch gezogen würde. Oder mit gleicher Kraft in entgegengesetzte Richtungen, so dass die Kräfte sich in ihrem Objekt neutralisieren.

Auf Satz A folgt dann doch schon vermutlich dieses "über-den-Tisch-gezogen-werden", sozusagen als "missverstandener analytischer Satz"?

JH