Lieber Karl, liebe Alle,

hier ein paar Gedanken zum gegenwärtigen, für mich sehr anregenden Austausch.

Mit besten Grüßen,

Thomas

Selbst-Sein, Eigen Sein in Affirmation und – nein, nicht dessen Negation, sondern das von ihm ausgehende Über-Sich-Hinausgehen unter Bewahrung des Bezuges zum Selbst – das ist das interaktive Grundelement. Das Transzendieren führt hierbei nicht in ein universalistisches, pauschales, allgemeingültiges Nein, sondern zu anschlussfähigen Aspekten weiteren Eigenseins.

 

„Die Zeit“ und „der Raum“ sind universalistisch gedacht, und betreffen zunächst die transzendenzfähigen Aspekte von Eigen-seiender agency. „Das Universum“ ist ebenfalls als genuine Einheit gedacht. Tatsächlich steht am Anfang des Eigensein mitsamt seinem Transzendieren. Ein Schreiten und Überschreiten. Es als absoluten Gegensatz zu denken, wird der beibehaltenen Selbstbezogenheit des Überschreitens nicht gerecht. Das Außen ist nicht das absolute Nein, das ungegliederte Chaos und Nirgendwo. Es ist nicht das in sich diffuse, ungegliederte Dunkel im Gegensatz zum quellentspringenden Licht. Ein gesetztes Innen impliziert als genuines Anders- und Eigensein dieses Andere, aber nicht als beziehungslos für Alles geltende, damit abstrakte, pure Negation, sondern als Richtung innerhalb weiteren, je von innen nach außen gerichteten Seins.

 

Wenn dann das Transzendieren gelingt, geschieht dies als auf beide oder alle Beteiligten bezogen bleibende zeitweilige Übereinstimmung.

 

Das pure Innen, als pures Sein ist ein Fluchtpunkt menschlich-gedanklicher Extrapolation, als deren Endergebnis und Ziel, und nicht als vorab gegebener Ausgangspunkt. In dieses „pure Sein“ einzugehen, ist der Inbegriff von allgemeingültiger, weil das Sein als solches betreffender Zukunft. Es ist der thomistische actus purus, auch als Aufhebung der Zeit, genannt Gott.

 

Die Vorstellung, dass dies nicht nur der Zielpunkt, sondern zugleich der Ausgangspunkt jedweden Seins sei, wird in der Schöpfungsgeschichte artikuliert. Auf die als anfänglich gedachte Setzung folgt dann deren Transzendieren hin zu weiteren Setzungen, hin zu einer Vielheit, einem Multiversum aus Eigenwelten. Das, was einst ins pure Sein zurückfallen wird, entsprang diesem puren Sein. Der Kreis schließt sich.

 

Das pure Sein ist a-perspektivisch, zeitlos, ortlos, allgemein nicht in dem Sinn, dass es alles Sein einschlösse, sondern in dem Sinn, dass es allem Sein zugleich voraus und folgend ist.

 

Die Physik setzt Sein (stillschweigend) voraus, und beschreibt dessen verallgemeinerbaren, un-eigenen Aspekte. Sie arbeitet mit inhaltleeren Verneinungen als absoluten Gegensätzen. Ihr Skalenwerk ist von jedwedem Inhalt abgezogen, abstrahiert, extrapoliert, und sie erlaubt sich eine manichäische Extrapolation hin zu absoluten Gegensätzen. Ihre Aussagen betreffen die Art, aber nicht das Wunder des Seins.

 

Diese Art zu Sein ist im Hinblick auf verallgemeinerbare Aspekte des Seins entsprechend allgemein. Die entsprechende Konzeption eines „Universums“ sieht ein allumfassendes Zusammenhängen nach den allgemeinen Regeln vor. Diese Kohärenz des allem Gemeinen wird dann als Ausgangspunkt genommen, um das Besondere daraus entstehen zu lassen. Das aber geht nicht: das Nicht-Allgemeine, Jeweilige, Besondere kann nicht aus dem Allgemeinen hergeleitet werden. Die logische Folge muss gerade umgekehrt sein: das Besondere kann verallgemeinerbare Aspekte enthalten, und der auf letztere Beschränkte Blick ergibt folgerichtig ein „Universum“.

 

Zurück zum Besonderen mitsamt seinen zu teilenden Aspekten: Diese Kombination kann zu einem semantischen „Punkt“ verdichtet werden, der wiederum als Ausgangs- und Endpunkt der Schöpfung angesehen wird. Schöpfung meint hier das Erzeugen nicht des bloß Individuellen, Besonderen, sondern des Besonderen, Eigenen mitsamt seinen verallgemeinerbaren Aspekten. Die Schöpfung ist dann ein Ausbreiten, Entfalten, Ausrollen in die Vielfalt, an deren Grund aber nicht nur das Allgemeine, sondern das Besondere mitsamt seinen verallgemeinerbaren Aspekten steht. Die Schöpfung ist dieses Ausbreiten in gleichzeitige Vielfalt.

 

Das wechselseitige Einformen von teilbaren, mitzuteilenden Aspekten des Eigenseins ist ein Informieren. Dieses besteht aus Inhalten, die in ein je Eigenes aufgenommen und somit in eine andere, nämlich dessen Form gebracht werden. Dies ist eine dem anderen Eigenen angepasste Form des Zusammenhängens, des jeweiligen Kohärierens.

 

Wenn man den Kohärenzaspekt gedanklich heraushebt, entspricht er dem, was im aristotelischen Sprachgebrauch die Psyche ist und leistet. Sie bleibt Inhalts-bezogen als dessen Ordnungsaspekt. Der Atem ist nicht pure Rhythmik als reine zeitliche Ordnung, sondern er hat Inhalt, er ist ein gefülltes Volumen. Ruah, pneuma, spiritus sind somit auf kohärierenden Inhalt bezogen, und schweben nur insofern über diesem, als sie gedanklich als gesonderte Ansicht von ihm unterschieden werden. (Wiki: Das weibliche hebräische Wort rûaḥ (רוּחַ) kommt im Tanach, der hebräischen Bibel, 378 Mal vor. An bestimmten Stellen wird das Wort mit ‚Geist‘ übersetzt. Die Grundbedeutung von rûaḥ ist ‚bewegte Luft‘[1]. In griechischen Übersetzungen des Tanach ist die Übersetzung als Pneuma zu finden, ebenso im Neuen Testament.).

 

Der Geist ist somit der Ordnungsaspekt von je besonderem Inhalt, von Inhalt, der auch verallgemeinerbare Aspekte in sich trägt. Die Ordnung, die der Geist darstellt, bezieht sich dann auf Beides: auf das Innesein und Jeweiligsein im je Eigenen, Besonderen und auf die Einformung von teilbaren Aspekten dieses Eigenen in anderes Innesein. Das Ergebnis, wenn es denn erreicht ist, ist ein Zugleich von Besonders- und Allgemein-Sein, von Gemeinsam-Sein, das das Eigensein nicht aufhebt, sondern dynamisch in Korrespondenz-fähiger Schwebe hält. Das Vermittelnde ist in diesem Fall Inhalt-transportierende, damit das Eigensein transzendierende Information, und diese strahlt aus dem je Eigenen aus wie Licht aus einer Quelle.

 

Hierzu das Zitat aus Karls E-Mail:

 

Was sollte Geist sein, wenn er nicht Träger von Information, wenn er nicht „Licht“ wäre? Das drückt sich metaphorisch in der Genesis aus: Gott sprach „Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ Gott, ebenso immaterielle, numinöse, nicht (be)greifbare Wesenheit, quasi als Lichtgestalt, erschafft nach seiner Idee Kosmos und Welt. Eine Vorstellung, die man haben kann oder eben auch nicht, das liegt in jedes einzelnen Menschen Ermessen (im wahrsten Wortsinne). Übrigens, auch wir sind „Kinder des Lichts“, wenngleich sehr oft im Schatten des Weltgeschehens ängstlich schlotternd verborgen.


Am 07.11.2023 um 04:42 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



Am 06.11.2023 um 19:54 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Am 06.11.23 um 00:33 schrieb Karl Janssen über PhilWeb

eine gute Zusammenfassung zu seinem Denken in Bezug auf das Wort "Schöpfungsgeschichte", ich finde das Geschriebene schön und gut. Nur ist da keine Antwort auf Fragen, wie ich sie schrieb. Weil ich nicht so ernst bei dieser Sache bin, gehe ich nicht zurück, um die Fragen zu finden, sondern versuche diese aus meiner Erinnerung zu bedenken, um eine Antwort im Geschriebenen zu finden. Leider finde ich keine….





Dann geht es weiter mit meinem Nicht-Verstehen. Was hat diese Entstehungsgeschichte, Schöpfungsgeschichte oder Herstellungsgeschichte mit Geist und Materie zu tun? Oder mit Information und Materie. Manche kommen mit einer anderen Wörtergegenüberstellung an: Theorie und Praxis, oder Realität und Rätsel. Ich verstehe dein Denken trotzdem ein wenig, denn du denkst, dass der Hersteller gleichzeitig sozusagen ein Geist war, das kann ich auch denken, aber es hilft mir nicht. Es hätte jedoch auch die Materie sein können, die den Geist erschuf. Oder etwa nicht?


Nun, im Kern ging es doch bei Deiner Frage, Joseph, um einen Zwiespalt, der sich mir als Katholik mit dem „Glauben“ an die biblische Schöpfungsgeschichte, wie sie alt- oder neutestamentarisch schon in dementsprechender Weise mir vermittelt wurde. Wie ich hier schon geschrieben habe, hat man im Kindes- und frühen Schulalter gar keine andere Wahl, als dieser Lehre zu folgen. Welchen Grund sollte man auch dazu haben, wenn nahezu gesamte soziale Umfeld nach sog. christlichen Werten ausgerichtet ist. Was mich anbelangt, habe ich zumindest zwei Konfessionen wahrgenommen, die protestantische meiner Mutter, die katholische meines Vaters. letztere hier im südbayerischen Bereich natürlich als die dominant vermittelte Konfession. Trotz aller diesbezüglichen Vorgaben und damit verbundenen „Seelennöten“, die sich nach Sündenfällen (über die man sich nach heutigen Maßstäben nur wundern kann) aufgetan haben und letztlich doch – gemäß dem kath. Sakrament der Buße – sprich reuiger Beichte – getilgt sein sollten, verstärken sich mit zunehmend humanistischer Ausbildung höherer Schulen eigenes Denken und Zweifeln bezüglich dieser vermittelten Glaubenslehre. Für nicht wenige bedeutet das im weiteren Verlauf ihres erwachsen Werdens die totale Abkehr von dieser Art Religionsausübung, für andere ein Reifeprozess, der ein differenziertes Verhältnis bezüglich Religiosität, blindem Glauben und institutioneller Kirche schafft.

Daher ist es schlichtweg zu einfach, diese Angelegenheit undifferenziert zu betrachten und dementsprechend Urteile zu bilden. Atheisten mag man dieses nachsehen, vornehmlich jenen, die eben auch als solche sozialisiert wurden und somit überhaupt nicht mit derartiger Thematik grundlegend in Berührung kamen.

Was den diesbezüglichen Diskurs hier im Forum anbelangt, wie dieser sich seit Anbeginn gestaltet, wird man - sobald ein aktiver Bezug zu Religion oder generell zu Metaphysik erkannt war - umgehend undifferenziert abwertend in die Kategorie mental dumpfer, nicht aufgeklärter Zeitgenossen verfrachtet. Müssig, das alles hier wieder aufzurollen.

Meine differenzierte Sicht auf „Gott und Welt“, bezogen auf Religion und Glauben, habe ich unzählige Male hier dargelegt und wer mich dennoch als naiv glaubenden Christen sieht, sollte, bzw. muss sich damit abfinden. 

Für mein Teil bin ich weit davon entfernt, Unverständnis oder gar Abneigung gegenüber nicht religiösen Menschen zu hegen. Allerdings erwarte ich auch, dass mir gegenüber Verständnis aufgebracht wird, nicht als Christ, sondern als Mensch, der sich kritisch mit Religion und vor allem blinden Glauben im Sinne eines anthropomorphen Gottesbilds auseinandersetzt.

Was nun Metaphysik an sich anbelangt, sieht die Sache anders aus. Da erwarte ich von jedem gebildeten Menschen, dass zumindest die Erkenntnis vorhanden ist, dass die Lebenswelt nicht pur physisch angelegt, sondern von Geist geformter Materie beschaffen ist. Ob man dabei Geist als Theorie sieht, ist unerheblich, denn es drückt ebenfalls die transzendente Wesenhaftigkeit eines letztlich nicht beschreibbaren Numinosen aus. 

Bezogen auf den Gottesbegriff kann hier nur gelten, dass es kein darauf bezogenes Wissen geben kann, ein Gott kann nicht gewusst, sondern allenfalls nur geglaubt werden. Damit ist nichts für oder gegen dessen mögliche Existenz ausgedrückt.

So kommt mir soeben Ingo T.'s Ausspruch in den Sinn: Wie schön wäre die Welt ohne Mythen und Gott (sinngemäß). Wie wahr doch, wenn man - wie ich es hier schon erwähnt habe - besonders in diesen Tagen sieht, wie im Namen eines Gottes Kriege geführt, wahllos Menschen, sogar Kleinstkinder regelrecht abgeschlachtet werden – und dieses unter den Rufen „Gott ist groß“. Angesichts dessen, kann ich immer nur wieder an die ebenso hier bereits zitierte Aussage einer jungen Muslima denken: „Im Namen Gottes wird fürchterliches Unheil angerichtet, dass im Bewusstsein eines Gottes nie geschehen würde“ (sinngemäß). 

Dann lieber gar kein Gott, möchte man mit Ingo sagen, doch es ist zu kurz gegriffen, denn „göttliches“ Wesen als das Numinose an sich, ist schlichtweg nicht, allenfalls von nur sehr wenigen Menschen, wirklich begriffen, wie auch immer man dieses benennt.

Da war noch Dein „Nicht-Verstehen“, Joseph hinsichtlich Entstehungsgeschichte etc.

Nun, ich hatte bereits diesbezüglich geschrieben, dass Schöpfungsgeschichten sich aus der Mythologie (insbes. auch der griechischen) entwickelt haben und somit auch von der zu dieser Zeit vorherrschenden Hinwendung an Götter geprägt waren. Du hast einen Zwiespalt bei mir vermutet, den ich als Christ - und somit ebenso von einer gewissen Gottesvorstellung geprägt – in Bezug auf meine naturwissenschaftliche Ausbildung haben müsste. Wie sollte ich in einen Zwiespalt geraten, wenn ich sehr wohl zwischen biblischer Schöpfungserzählung und meiner Überzeugung, dass die Entstehung von Kosmos und Welt nach dem aristotelischen Prinzip des „potentia ad actum tamquam tabula rasa“ erfolgt ist, zu unterscheiden weiß. 

Letztes lässt sich (wenngleich paraphrasierend) widerspruchslos in heutige naturwissenschaftliche Thesen zur Entstehung bzw. zyklischem Werden und Vergehen von Kosmos und Welt einbringen. Das setzt allerdings einigen Aufwand voraus, d.h. tiefe Beschäftigung mit dieser Thematik. Dabei kann man definitiv ausschließen, dass Geist je aus Materie entstanden ist. Geist ist immer nur und von Anbeginn immateriell. Was anderes als materielose Teilchen, also Lichtteilchen, könnten Träger von Geist sein? 

Was sollte Geist sein, wenn er nicht Träger von Information, wenn er nicht „Licht“ wäre? Das drückt sich metaphorisch in der Genesis aus: Gott sprach „Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ Gott, ebenso immaterielle, numinöse, nicht (be)greifbare Wesenheit, quasi als Lichtgestalt, erschafft nach seiner Idee Kosmos und Welt. Eine Vorstellung, die man haben kann oder eben auch nicht, das liegt in jedes einzelnen Menschen Ermessen (im wahrsten Wortsinne). Übrigens, auch wir sind „Kinder des Lichts“, wenngleich sehr oft im Schatten des Weltgeschehens ängstlich schlotternd verborgen.

Bester Gruß an Dich und in dier Runde! - Karl

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