Moin, moin Ingo


Zunächst ging es um das von Thomas vorgebrachte kaum zu widerlegende Argument,  Nicht-Stoffliches würde [oftmals] mit „Geistigkeit" verwechselt werden. Darauf hin war es mir ein Anliegen, mich mit dem Begriff von Geistigkeit an sich zu befassen, um hier entsprechend darauf eingehen zu können. 


Wie oft benutzt man im Alltag gängige Begriffe, ohne sich über deren wirkliche Bedeutung in der Tiefe bewusst zu sein. So eben auch Geistigkeit. Wofür steht also dieser Begriff hinsichtlich seiner Bedeutungshaftigkeit. 


So schrieb ich, dass Geistigkeit in ihrer im üblichen Sprachgebrauch vorherrschenden Bedeutung  für das neurologisch mentale Vermögen zu entsprechend prozessualer Gehirnfunktion steht, somit die Verfügbarkeit zu hinreichender Inferenz, also die Befähigung, jeweils sinnliche Wahrnehmungen zutreffend zu interpretieren. Insoweit diese Gehirnfunktionen als biochemisch neuronale Vorgänge beschrieben sind, können sie keinesfalls als ein Nicht-Stoffliches Geschehen definiert sein.


Anders verhält es sich um die Bedeutungshaftigkeit mentaler Prozesse, die typisch als das Denken schlechthin und ggf. im weiteren Sinne, als Geistigkeit verstanden wird.


Geistigkeit setzt also Denken und somit Gedanken voraus. Das sollte eine konsensfähige Aussage sein und in weiterer Vertiefung die Frage aufwerfen, was denn Gedanken hinsichtlich ihrer Intentionalität, resp. ihrer Bedeutungshaftigkeit sind.

So führte ich an, dass sie (stofflich) zunächst als entsprechend erkennbare Aktivitätsmuster im Gehirn nachweisbar sind und dort als neuronale Repräsentation residieren.

Wir hatten hier einige Zeit über Hirnforschung geschrieben, was seinerzeit dazu führte, mich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen; Übrigens ein „Profit“ von philweb, sich mit Themen zu befassen, die nicht im üblichen Interessenschema und Wissensgebiet liegen.

Weiter schrieb ich: Dieser quantitative Nachweis [z.B. mit MRT] entbehrt jedoch jeder Möglichkeit einer qualitativen Aussage hinsichtlich der Intentionalität, also  der Bedeutungshaftigkeit von Gedanken. 

Ich schrieb dazu, dass glücklicherweise Gedanken nicht lesbar sind (wie der Volksmund es ausdrückt). Das ist bekanntermaßen relativ gesehen, denn der nonverbale Sprachausdruck von Gedanken (Mimik/Gestik) ist im gewissen Sinn durchaus „lesbar“

Unstrittig sollte jedoch Gültigkeit haben, dass die Bedeutungshaftigkeit von Gedanken, somit des Denkens schlechthin, ein immaterielles Agens von Geistigkeit ist.

Mitnichten habe ich also dargelegt, dass benanntes Agens einzig der Intentionalität folgen würde. Und es sollte eigentlich aus meiner Darlegung klar erkennbar sein, dass Gedanken als  neuronale Repräsentation im Gehirn durchaus aber nicht notwendigerweise einzig einer Intentionalität, sondern auch einer anderen Bedeutungshaftigkeit entsprechen können. Die Intention eines Gedankens kommt dessen Bedeutungshaftigkeit nur in Bezug auf erstere gleich.

In den weiteren Punkten Deiner Replik bin ich größtenteils damit konform.

KJ

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Am 19.01.2025 um 12:12 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Moin Karl, 

Thomas versteht Geistigkeit innerhalb seiner phänomenologisch-semantischen Systemtheorie interaktionistisch als Aspekt des Stofflichen. Du siehst die Bedeutungshaftigkeit als immaterielles Agens von Geistigkeit, das der Intentionalität folgen soll. Demgegenüber residieren Gedanken im Gehirn als neuronale Repräsentationen sinnlicher Wahrnehmungen. Warum sollen diese Repräsentationen keine Intentionen und damit auch Geistigkeit hervorbringen können? 

Wird die Vagheit dieser Sätze nicht klarer, wenn Geistigkeit mit Sprachlichkeit und Denken mit innerem Reden identifiziert wird? Die den Sprechakten inhärente Intentionalität übertrüge sich auf die Gedanken und gehörte ebenso zur Geistigkeit. Sprachanalytisch und handlungstheoretisch verlöre die Geist-Stoff-Differenz ihre Schärfe. Denn das alltägliche äußere Kreisen zwischen Wahrnehmungen, Gedanken und Tätigkeiten würde verlegt auf das innere Kreisen zwischen Sensorik, Kognition und Motorik, indem die jeweiligen neuronalen Repräsentationen nur noch unter sich interagierten.       

Dieses innere Kreisen schafft Freiheit in Möglichkeitsräumen — allerdings mit der Kehrseite von Beliebigkeit. Ohne alltägliche Bewährung im äußeren Kosmos gedeihen im inneren Kosmos Träume und Phantasien ebenso wie Utopien und Ideologien, so dass intuitive Vorurteile begründete Urteile ersetzen. Ab Morgen werden wir das mit der Amtseinführung Trumps wieder verstärkt zu erleiden haben.     

IT       


Am 19.01.2025 um 01:08 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Geistigkeit in ihrer - im üblichen Sprachgebrauch vorherrschenden - Bedeutung meint, neben dem neurologisch mentalen Vermögen zu entsprechend prozessualer Gehirnfunktion, die Verfügbarkeit zu hinreichender Inferenz, also die Befähigung, jeweils sinnliche Wahrnehmungen zutreffend zu interpretieren. Selbstredend sind hier bio-chemische Prozesse im Gange, die keinesfalls als Nicht-Stofflich beschrieben sein können. Geistigkeit setzt Denken und somit Gedanken voraus. Was sind also Gedanken?

Zunächst sind sie entsprechend als erkennbare Aktivitätsmuster im Gehirn nachweisbar und residieren dort als neuronale Repräsentation. Dieser quantitative Nachweis entbehrt jedoch jeder Möglichkeit einer qualitativen Aussage hinsichtlich seiner Intentionalität, also  der Bedeutungshaftigkeit des Gedankens. 

Diese Bedeutungshaftigkeit ist somit das immaterielle Agens von Geistigkeit.

Soweit (wieder mal)  zu fortgeschrittener Stunde meine Gedanken zum Gedanken, solchermaßen als frei erklärt, weil man sie glücklicherweise hinsichtlicher ihrer Intensionalität nicht lesen kann, somit ein immaterielles Grundelement der menschlichen Wesenheit sind.

Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl

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