Für mich war die folgende Absatz bestimmt:
Die Radioaktivität vermittelt mir nach wie vor ein Gefühl
des Geheimnisvollen und den Ansporn, noch möglichst lange die
Forschungen dazu bedenken zu können. Warum hast Du sie in
Deinen weitschweifigen Ausführungen zum Zufall ignoriert?
Das ist eine gute Frage, weil du deine Motivation angibst,
müsste ich nun auch meine Motivation angeben. Motivation ist
ein hier nicht erforderliches Thema. Denn der eine sieht in
seinem Unglück die Motivation, der andere in seinem Eifer am
Morgen, der dritte im Rausch, der Kunst, sogar der Religion,
der Wissenschaft, es gibt bei dieser Reihe von Wörtern
vermutlich kein Ende. Nun antwortete Nietzsche in etwa: Es
genügt schon, sich selbst umherzutragen, ich kann nicht auch
noch meine Gründe mit mir mitschleppen. Das zur Motivation.
Die zweite Antwort zur Sache ist die, die du auch kennst,
und um ein Hochmultiples besser als ich und alle Links
zusammen, die ich schicken könnte. Ich lese gerade, dass immer
noch darüber debattiert wird, und dass es sein könnte, "dass
der Quantenzufall von einer vollständig deterministischen
Theorie abgelöst werden könnte, wonach es keine unverursachten
Ereignisse gibt." (Unter Anführungszeichen zitiert.) Ich würde
wegen dieser Unsicherheit und wegen meinem Mangel an Wissen
möglicherweise falsch liegen, wenn ich sagen würde: Den echten
Zufall gibt es in Reinstform beim radioaktiven Zerfall.
Es gibt noch einen anderen Grund, wieso ich nicht auf den
Quantenzufall verweise. Auch von der Definition des Zufalls
her, "Von
Zufall spricht man, wenn für ein einzelnes
Ereignis oder das Zusammentreffen
mehrerer Ereignisse keine
kausale Erklärung gefunden werden
kann." Sicher kannst du die Wahrscheinlichkeit errechnen, wann
der Dachziegel mir auf den Kopf fällt, mit Berücksichtigung
der Windstärke usw. Nur hier stelle ich dann die Rückfrage:
Was für einen Zufall ergibt denn der Quantenzufall? Vermutlich
der Zufall, der genau den Zeitpunkt beschreibt, und das ist
eine Zahl, du kannst die Zeit noch so genau messen wie du
willst, dann ist dies zugegebermaßen ein Zufall. Wenn wir
sicher sind, dass der Ziegel bei einer genügenden Windstärke
herunterfällt, dann ist der genaue Zeitpunkt, die Zahl, die
sich dann ergibt, bestimmt auch eine Zufallszahl. In anderen
Worten: Ich in meinem einfachen Verständnis brauche keinen vom
Atomzerfall erzeugten Zufall, ich hoffe ihn auch nicht zu
erleben, wenn ich "zufällig" unter einem Dach stehe.
Stochastisch kannst du im Nachhinein auch sagen: Es werden
Personen vom Blitz getroffen, oder von den vorbeilaufenden
Strömen, aber der Zeitpunkt entspricht einem Zufall. Und damit
schließt sich der Kreis zur Motivation, würde Karl sagen, und
ich könnte vor dem Gefühl des Geheimnisvollen unter dem Dach
verharren...
Der dritte Grund liegt in der Komplexität der möglichen
Definitionen von Zufall. Wenn "keine Erklärung gefunden werden
kann" passt eher auf mich: Ich finde fast nie eine
vollständige Erklärung, und sollte vielleicht sagen, dass für
mich Zufall ist. Also auf Grund der Komplexitität der
möglichen Definitionen brauche auch ich "den Zufall" nicht so
genau zu denken. Noch was: Wenn diese Wikipedia-Definition
stimmen würde, dann wäre Zufall abhängig wie vorhin angedeutet
von der Fähigkeit der Person zu kausalem Verstehen. Schon die
Fähigkeit, die Objektpermanenz zu erkennen, beginnt sehr früh
im Leben der Personen, auch einiger anderer Tiere, so auch die
Unterscheidung Zufall und Kausalität. Ein Hund weiß ganz
genau, dass er den Bösen angreift, wenn er aber von einem
Stein verletzt wird, sieht er keinen Grund, gegen diesen
vorzugehen. Wahrscheinlich wäre zu untersuchen, welche Tiere
die Fähigkeit nicht haben, die Objektpermanenz zu erkennen,
und doch schon das zufällige Unglück oder gar Glück zuordnen
können in den Zufallsbereich vs. den Kausalbereich.
> Die Annahme einer Dekohärenz von Quantensystemen ist ja nur
eine von vielen Interpretationen. Was nimmt Dich für sie ein?
Und wie hältst Du es mit der Arbeit von Pusey et al. aus meiner
Mail vom 30.10: "On the reality of the quantum state“? Im
Gegensatz zum informatorischen scheint Dir ein realistischer
Blick auf die QM schwer zu fallen. Dabei handelt es sich bei
Pusey et al. immerhin um ein no-go-theorem, das Dich
herausfordern sollte: "We show that any model in which a quantum
state represents mere information about an underlying physical
state of the system, and in which systems that are
prepared independently have independent physical states, must
make predictions that contradict those of quantum theory.“
Das alles übersteigt meine Kenntnisse, als Beispiel, denn ich
glaube, das schriebst du eher für Karl, und vorhin habe ich
gezeigt, dass ich in dem Fall mit wenig Wissen auskomme.
Weitschweifig sind meine jetzigen Ausführungen nicht, es
bedurfte jedoch mehrerer Sätze, und ich hoffe, du bist kein
Journalist, der auf komplexe Fragen eine schnelle Antwort
erwartet. Andererseits konnte ich es nicht anders, wieder ist
meine Unfähigkeit im Spiel. Es ist aber auch überall oft so,
dass noch so viele Sätze ihren Zweck nicht erfüllen.