Am 11.01.2025 um 14:54 schrieb waldemar hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
- ich "aus-land"? doch, vor zwei jahren 3 wochen wahlheimat kolumbien, aber eher arbeitsbesuch als urlaub, ergebnis: fantastisch wie immer, das land und die leute, und trotz größter probleme, aufbruchstimmung aller orten und vor allem in den köpfen, und immer ist die rückkehr, "wieder in DE" zu sein, dann eine form der "durchlebten depression" = braucht immer wieder erneut wochenlange anpassung, als käme man von einem zeitrafferfilm in einen "totgeschalteten" zeitlupenfilm, wie-totgeschaltete leute, tote straßen und häuserzeilen, das gesamte ambiente unirdisch kalt, als hätte man es mit robotern statt lebenden menschen zu tun, selbst lachen und freude in DE kommen nicht aus dem herzen, sondern aus dem verstand.
Wie so oft bei Dir zu lesen: Verallgemeinerung. Was die klischeehafte Beschreibung der Mentalität der Deutschen anbelangt, stehen Eigenschaften wie Ordnungssinn, gediegene Arbeitsmoral verbunden mit Pünktlichkeit, Gründlichkeit bis hin zum Perfektionismus zudem aber auch Humorlosigkeit. Nicht ohne Grund werden deutliche Unterschiede zwischen den Landsmannschaften sichtbar, da dieses Land inmitten Europas von allen Nachbarländern entsprechend beeinflusst war und ist.
Hier im Süden der Republik sieht man den Preußen kritisch und nimmt dennoch gerne das Geld von Urlaubern, die - wie zurzeit wieder - die hiesigen Skipisten und Après-Ski Kneipen füllen. Wie eben auch bei unseren südlichen Nachbarn, von uns Bayern freundschaftlich als „Ösis“ genannt. Wenn es gegen die Bewohner oberhalb des sog. Weißwurscht-Äquators geht, halten Bayern und Österreicher fest gegen die Piefkes aus dem Norden zusammen. Ethnophaulismus vom Feinsten.
Im Norden der Republik spießige Piefkes im Süden bierselige Dorftrottel. Wiederum Stammtisch-Talk hier, also sollten wir davon Abstand von derartigen Klischees nehmen. Während meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit im hohen Norden Deutschlands habe ich grossartige Menschen kennen und lieben gelernt, ebenso wie in meiner bayerischen Heimat. Mit dem Wohnmobil habe ich mit meiner Familie ganz Deutschland bereist und überall zumeist freundliche, aufgeschlossene Menschen erlebt.
„Wie man in den Wald hinein ruft - so schallt es einem entgegen“ sagt der Volksmund. Wenn Du ehrlich lächelnd auf Menschen zugehst, werden sie (mit wenigen Ausnahmen) zurück lächeln. Das ist meine Lebenserfahrung und eben genau hier in Deutschland gewonnen.
Dennoch gilt immer auch: Kommen ein Dutzend Menschen zusammen, ist die Chance gegeben, dass ein „Arschloch“ dabei ist, so what?
Derzeit allerdings steht es tatsächlich nicht so gut um die Gelassenheit, Lebensfreude und gegenseitige Anteilnahme in unserer Gesellschaft. Die zurückliegenden Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, die vermutlich kaum vermeidbaren Fehler (totale Isolation etc.) mit einer bislang nicht gekannten Situation hat enormen Schaden in der Gesellschaft angerichtet, der noch nicht gänzlich behoben ist. Nun auch seit fast drei Jahren ein fürchterlicher Krieg in benachbarten Osten. Da gibt es nichts schönzureden, angesichts imperialer Grossmachtsansprüche. Doch immer auch gilt: „Ein Scheit Holz brennt nicht allein!“
Was nun besonders für gesellschaftliche Niedergeschlagenheit verantwortlich ist, kann man nicht deutscher Miesepeterei anlasten, sondern den gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Umbrüchen. Ganze Berufszweige, spezifische Arbeitsbereiche brechen weg. Die Auto-Industrie (Dein und anderer Feindbild hier) als Arbeitgeber für einen großen Bevölkerungsteil baut tausende Arbeitsplätze ab. Wer nicht direkt davon betroffen ist, mag die Schultern zucken, sollte aber von wohlfeilen Urteilen absehen. Es ist eben auch hochgradige Doppelmoral, einerseits das Lied der sog. kleinen Leute (soziale Gerechtigkeit) zu singen, um andererseits deren bisherige Arbeitsbereiche zu verteufeln.
Not und Elend (auch als emotionale Belastung) findet sich über die ganze Welt verteilt und wird selbstredend von Menschen mit sehr unterschiedlicher Mentalität auf jeweilige Art bewältigt. Wir hatten in der Familie unmittelbare Erfahrung gemacht, wie damit in sog. ärmeren Ländern (in keinem Land ist die Oberschicht arm) umgegangen wird. Wo man seit jeher Armut und Entbehrung kennt, kann man weit besser damit umgehen. Das ist dann tatsächlich ein Unterschied zu Deutschland, Dennoch kommen Hunderttausende hier ins Land in der Hoffnung auf ein besseres Leben. So schlecht wie Du unser Land siehst, kann es demnach nicht sein.
KJ