Mit Konstruktivismus (insbes. den radikalen) verbinde ich - wie bereits ausgeführt - eine Theorie, die dem Menschen das Vermögen abspricht, Lebensrealität in ihrer tatsächlich vorliegenden Existenz wahrzunehmen. Dieses mit der Begründung, da menschliche Perzeption als ein neuronales Prozessgeschehen zu sehen ist, wobei sich aus der iterativ zusammengesetzten sinnlichen (durchaus empirischen) Konstruktion ein Bild des Wahrgenommenen formt, das damit definitiv zutiefst subjektiv angelegt ist und somit für den Menschen per se keine objektive Wirklichkeit zu erkennen sei.
Mit der hinreichend zutreffenden Interpretation dieses Bildes jedoch, dem neurologischen Prozess der Inferenz, sind das Vermögen von Vernunft und die bereits im Gehirn abgelegten Erfahrungsmuster Grundlage für eine (selbstredend subjektiv) gültige Wahrnehmung einer Gegenständlichkeit.
Durch dieses Vermögen des Menschen zur integrativen Wahrnehmung von Gegenständlichheit der Lebenswelt relativiert sich der Konstruktivismus allenfalls auf die Aussagen des sog. Erlanger Konstruktivismus, wonach insbesondere die gemeinschaftliche „Konstruktion“ eines beliebigen Kollektivs es vermag, die jeweilen „Konstrukte“ subjektiver Perzeption und Inferenz zu objektivieren, um damit zu einer hinreichenden Darstellung, resp. Erklärung einer wahrgenommenen Gegenständlichkeit, bzw. eines Sachverhalts zu gelangen.
Unbeschadet dieser Art und Weise kollektiv objektivierter Wahrnehmung ist damit selbstredend nicht gesichert, ob dieses kollektive „Konstrukt“ auch tatsächlich real existiert und letztlich nicht nur konsensuell „konstruiert“ wurde. Das zu entscheiden, bedarf menschlicher Vernunft und Lebenserfahrung.
Vernunft steht hier also nicht entgegen der Erfahrung, resp. Empirie, sondern beides bildet eine kongeniale Einheit.