Lieber Karl, lieber Ingo,

vielen Dank für das kritische Aufgreifen meiner Vorschläge.

Hier mein (zustimmender) Kommentar dazu:

Karl: Der „empirische Gehalt“ eines derart kommunikativ interaktiven Netzwerks (ich würde ihn schlichtweg als dessen Nutzen werten) ist damit gegeben, dass in diesem als „Semantisches System“ zu sehenden Kommunikationsverbund die hinreichend fehlertolerante Integration, sowie ggf. Korrektur fehlerhafter bzw. inkohärenter Aussagen von Einzel-Teilbereichen erfolgen kann.

Ingo: meinte ich keine „zufälligen Konstellationen“, sondern stets vorhandene Zufallseinflüsse  ...wie verhält es sich überhaupt mit dem Wirklichkeitsbezug bzw. empirischen Gehalt Deines Semantischen Systems? 

Meine Überlegung dazu:


Tatsächlich ist die Konvergenz eine Konvergenz der Schnittstellen von Systemen, und nicht der gesamten Systeme. Sie kombiniert die in der dargebotenen Schnittstelle verwirklichten „Sichtweisen“ des jeweiligen Systems, wobei die Schnittstelle und Sichtweise / Perspektive nicht die einzige dem System mögliche sein muss. Aber es ist die, die in das Konvergieren einfließt.

 

Ein semantisches System wiederum, und im Unterschied zu einem nicht-semantischen, z. B. physikalischen System vereint nur den strukturiert und wiederholbar zusammenhängenden Teil der Interaktionen. Es ist der Kohärenz-Ausschnitt aus der Gesamtwirklichkeit, die, wie Ingo richtig schreibt, die stets vorhandenen Zufallseinflüsse beinhaltet. Es gibt also zwei Einschränkungen bezüglich eines Systems, das als semantisch bezeichnet wird: Erstens die, dass es nur aus dem besteht, was strukturiert und reproduzierbar ineinander zusammenhängt (Zufallseinflüsse tauchen nur auf, insofern sie nicht-zufällige, sondern konsistente Vorgänge zu Folge haben), und zweitens die, dass jedes beteiligte System nicht als es selbst und unmittelabr, sondern im Sinn einer seiner möglicherweise eingenommenen Perspektiven alias logischen Schnittstellen zur Geltung kommt.

 

Ob unter Geltung dieser Perspektive („auf die Welt“) eines Systems alias Kommunikationsnetzes alias Kommunikationsteilnehmers eine kommunikative Interaktion im Sinne von hinreichender Akzeptanz anderer Meinungen, Fairness, gegenseitigem Verstehen oder einfach nur achtsame Nachsicht und damit eine wechselseitige Wissens-Integration und Konvergenz gelingt, hängt von der Möglichkeit der wechselseitigen Adaptation alias verstehenden Einvernahme ab.

Wenn wir von Kommunikation von Systemen im Sinn menschlicher Kommunikationsteilnehmer sprechen, setzt dies die Bereitschaft voraus, sich überhaupt auf das Gegenüber einzulassen (das höre ich mir an, das höre ich mir nicht an, das lese ich, das lese ich nicht), dann eine hinreichende Passung, die die verstehende Aufnahme des kontaktierten Prozessierens überhaupt erst ermöglicht, und dann eine gelingende Verarbeitung im Besonderen, jeweilig Einzelnen.

Rechthaberei, meinungsstark fehlende Neugier, oder im Extremfall Narzissmus sind hier hinderlich.

Zu Letzterem, in Bezug nicht auf Philweb-Teilnehmer, sondern auf die philosophischen Rhizom-Schwurbler (Auszug aus Wikipedia, Zitat Deleuze Guattari: Ein Rhizom ist als unterirdischer Strang grundsätzlich verschieden von großen und kleinen Wurzeln. Zwiebel- und Knollengewächse sind Rhizome. Pflanzen mit großen und kleinen Wurzeln können in ganz anderer Hinsicht rhizomorph sein, und man könnte sich fragen, ob das Spezifische der Botanik nicht gerade das Rhizomorphe ist. Sogar Tiere sind es, wenn sie eine Meute bilden, wie etwa Ratten. Auch der Bau der Tiere ist in all seinen Funktionen rhizomorph, als Wohnung, Vorratslager, Bewegungsraum, Versteck und Ausgangspunkt. Das Rhizom selber kann die unterschiedlichsten Formen annehmen, von der verästelten Ausbreitung in alle Richtungen an der Oberfläche bis zur Verdichtung in Zwiebeln und Knollen.“[1] ) habe ich ein Review geschrieben, zu dem ich eingeladen wurde, siehe: 

https://onlinelibrary.wiley.com/share/author/BIU3YIXRPT6T7Q6YGVYK?target=10.1111/jep.13835

 

(Es sollte nichts kosten, wenn doch, bitte melden…. :-)


Viele Grüße und wie immer Danke für die Anregungen,


Thomas

Am 13.03.2023 um 19:56 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



Am 12.03.2023 um 12:07 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



Am 11.03.2023 um 19:08 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich <dr.thomas.froehlich@t-online.de>:

Dein Hinweis trifft zu - und der von mir beschriebene strukturierte Ausschnitt, betrifft "interaktionelle Kompositionen" nur insoweit und sofern sie keine zufälligen Konstellationen sind.


Moin Thomas,

hinsichtlich der vielfältigen medizinischen Praxis meinte ich keine „zufälligen Konstellationen“, sondern stets vorhandene Zufallseinflüsse. In der Physik sind deterministische Modelle in den Genauigkeitsgrenzen ihrer Anwendungsbereiche ja sehr erfolgreich. In der Medizin scheint es mir aber nur regelbestätigende Ausnahmen zu geben. Aber wie verhält es sich überhaupt mit dem Wirklichkeitsbezug bzw. empirischen Gehalt Deines Semantischen Systems?

IT



Diese auf ein semantisches System im Allgemeinen insbes. auch auf den Bereich der Medizin bezogene Frage von IT  hat mein Interesse geweckt und mich dazu gebracht, mir das entsprechende Exzerpt von Thomas nochmal genau durchzulesen und habe dabei in Analogie zu meinem Fachgebiet der NT/IT ein zumindest ähnliches Prinzip ausgemacht:

Im Kern geht es um ein Netzwerk unterschiedlicher Fach-/Systembereiche (Sachgebiete, Teams, ggf. Einzelpersonen, etc.) deren jeweilige Kommunikations-Schnittstellen zu einer koordinierten Gesamtplattform zusammen geführt werden, um in diesem Forum durch unmittelbaren Austausch von Information, Meinungen, Sachstandsberichten etc., deren Aussagen durch gemeinschaftlichen Dialog qualifiziert zu bewerten und ggf. zu validieren.

Dadurch verfügt der Gesamtbereich eines Unternehmens, einer Institution oder sonstigen Kollektivs ein Werkzeug resp. die Möglichkeit, den Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse (Wirklichkeitsbezug") in den Teilbereichen herzustellen bzw. aufrecht zu erhalten.

Der „empirische Gehalt“ eines derart kommunikativ interaktiven Netzwerks (ich würde ihn schlichtweg als dessen Nutzen werten) ist damit gegeben, dass in diesem als „Semantisches System“ zu sehenden Kommunikationsverbund die hinreichend fehlertolerante Integration, sowie ggf. Korrektur fehlerhafter bzw. inkohärenter Aussagen von Einzel-Teilbereichen erfolgen kann.


KJ

PS: Das ist nun meine Interpretation, die nicht dem „semantischen System“ entsprechen muss, das Thomas hier angeführt und im benannten Exzerpt vorstellt hat. Für diesen Fall, Thomas bitte ich Dich um Korrektur.






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