Nachtrag: Alle Einzelheiten eines Bildes können eingelesen und maschinell oder im menschlichen Gedächtnis gespeichert worden sein, ohne dass der Empfänger der Bildinformationen die leiseste Ahnung von der Schönheit des Bilds hat. Das meine ich damit, dass sie nicht aus anderem abzuleiten ist, sondern ebenso zu den empfangenen Eingaben gehört wie die Farb- und Helligkeitswerte. Wobei der Empfang hier nicht rein passiv, sondern der aktive Nachvollzug der vom Maler hergestellten Form ist. Aber auch an der Farbwahrnehmung ist der Betrachter ja nicht ganz unbeteiligt. Auch hier gilt wie bei der Formwahrnehmung: der eine sieht/hört es, der andere nicht. Nur dass eine komplexe Form eben nachvollzogen werden muss, um als Einheit aufgefasst werden zu können, während eine Farbe eine kleinste Einheit ist, so dass ihre Wahrnehmung weniger oder weniger komplexe Aktivität erfordert.
Tja, Ingo M., da war das noch ein Tummelplatz für junge Philosophiehüpfer. Heute erzählt Opa aus dem Krieg.

Claus


Am 25. Juli 2025 17:05:17 MESZ schrieb "Claus Zimmermann über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:


Am 25. Juli 2025 08:08:04 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:


Am 23.07.2025 um 19:54 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Die KI kennt, soweit uns bekannt ist, nur elektrische Zustände und in der Trainingsphase vorgegebene Bewertungen als Eingaben. Wie wir, "lernt" sie nicht nur durch Regeln oder durch Beispiele. Ein Urteil wie "Katze", "witzig" oder "schön" erscheint dann mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad auf der Ausgabenseite.

Und das scheint mir der Unterschied zu uns zu sein. Bei uns gehört das Witzige am Witz zur Eingabe. Wir lachen nicht, weil wir etwas hören, das mehr oder weniger anderem gleicht, von dem man uns gesagt hat, dass es witzig ist, sondern wir lachen spontan.

Moin Claus,

ja, das bloße Mitlachen scheint auch mir die Ausnahme zu sein. Aber hat nicht ebenso das spontane Lachen ein Wahrscheinlichkeitsmaß bzw. ist durch ein solches simulierbar? Nicht alle Menschen lachen spontan über die gleichen komischen Situationen oder erzählten Witze. Bestimmend dabei sind kulturelle, subjektive und intellektuelle Bedingungen. Die vier gängigen Theorien in der Philosophie des Humors werden ja nach Überlegenheit (Hobbes), Inkongruenz (Hutcheson), Steifheit (Bergson), Energieabfuhr (Freud) unterschieden.

Das spontane bzw. unwillkürliche Lachen kommt wohl nur bei Babys vor und „probeweise" sogar im Schlaf. Aber schnell wird es mit den Bezugspersonen abgeglichen und damit zum sozialen und nicht mehr spontanen Lächeln. Dennoch bereitet der Umgang mit kleinen Kindern viel Freude, da sie viel und hemmungslos lachen. Spontan ist es aber nur anfänglich; denn schon bald wird es sozial sanktioniert: „Man lacht nicht über ein Gebrechen / Du sollst Erwachsenen nicht widersprechen“ reimte Brecht.


Tag, Ingo

Kann es nicht nur bei ursprünglicher Spontaneität geschult oder sozial abgeglichen werden? An fehlender Musikalität prallt z.B. jeder Musikunterricht ab. Aber wie sich die Musikalität entwickelt, das liegt am Unterricht. Mit dem geschulten Musiksinn hört man dann anders als man ohne Schulung gehört hätte. Der Unterricht führt aber nicht dazu, dass man aufgrund bestimmter Merkmale, die mit Schönheit nichts zu tun hat, vermutet, dass etwas mit dem und dem Wahrscheinlichkeitsgrad schön sein könnte, sondern das Gegenteil ist der Fall: er schärft die Sinne für die Schönheit.
Ebenso wenig wie man die Schönheit aus anderen Merkmalen ableitet, leitet man die "Witzigkeit" aus Überlegenheit, Inkongruenz, Steifheit ab, auch wenn darüber Witze gerissen werden können. Beim Lachen findet eine Energieabfuhr statt. Man kann die Komik aber sehen, ohne zu lachen. In dieser Disziplin gibt es sogar sportliche Wettbewerbe. Insofern ist sie nicht auf Energieabfuhr reduzierbar.

Aber kann man nicht die elektrischen Zustände der KI mit Zuständen des menschlichen Nervensystems vergleichen? Schon. Aber darin findet man keinen Humor und keine Schönheit. Wie sollte ich diese Erfahrungen als Empfänger, der ich bin, nicht gelten lassen wie die der korrespondierenden Nerven- und Hirnvorgänge auch?

In zellulären oder prozessualen Zuständen sind weder Humor noch Schönheit zu finden, wohl aber in deren sprachlichen, visuellen oder auditiven Ausdrücken. Und die lassen sich unabhängig davon interpretieren, ob sie von MI oder KI generiert wurden. Humor und Schönheit sind offensichtlich Invarianten, die sehr weitreichend sein können, wie als Beispiele die Chaplin-Stummfilme zeigen.


Ich glaube, dass eine KI zufällig etwas wirklich lustiges oder schönes hervorbringen könnte, es aber selbst nicht wie wir bemerken, sondern nur nach Wahrscheinlichkeit bewerten könnte.
Humor und Schönheit können Tausende von Gestalten annehmen.

Übrigens habe ich nichts gegen KI, sondern nutze sie selbst als Alltagshelfer. Man sollte nur wissen, was sie kann, und das unvergleichlich viel besser als wir, und was nicht.

Claus


Aber wie universell ist der schwarze Humor in der Darwinismus-Parodie „Galapagos“ Kurt Vonneguts? "Vor einer Million Jahre – 1986, um genau zu sein — ist die Welt, wie wir sie kennen, dem Untergang geweiht. Erst brechen die Finanzmärkte der Erde zusammen, dann das Klima und schließlich sorgt eine Pandemie dafür, dass alle Frauen unfruchtbar werden. Alle bis auf diejenigen, die sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes Bahia de Darwin auf dem Weg zu den Galapagos-Inseln befinden. Plötzlich sind die Passagiere die letzte Hoffnung der Menschheit. Doch damit die Menschen als Spezies überleben können, muss sie die Evolution von dem befreien, was sie beinahe in den Untergang geführt hätte: ihren übergroßen Gehirnen.“

Was wird in einer Million Jahre noch von Menschen auf der Erde künden? Leben wird wohl erhalten geblieben sein, aber dessen Vorformen sollen schon galaktisch verbreitet sein: "A Deep Search for Ethylene Glycol and Glycolonitrile in the V883 Ori Protoplanetary Disk“:

https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/adec6e <https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/adec6e>

Und hier die Pressemitteilung zur Originalarbeit:

https://www.mpg.de/24449239/praebiotische-molekuele-v883ori?c=2191 <https://www.mpg.de/24449239/praebiotische-molekuele-v883ori?c=2191>

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