Der Dritte im Streit
Diese Überschrift würde ich einem Text geben, für den ich zu
beginnen keine Zeit habe. Und doch würde ich wohl folgendermaßen
anfangen:
Jedem (C) kommt es vor, dass er zwei
andere (A und B) sieht, die streiten. Als Dritter wird er von
vornherein nicht beachtet, insbesondere bei einem heftigen Streit.
Angenommen C findet heraus, wie A denkt und auch wie B denkt, dann
kann er eventuell herausfinden, wo der Streit begonnen hat, oder
immer wieder beginnt. C kann auch herausfinden, wie Streit
abläuft, welche Arten Streit es gibt. Aber das interessiert A und
B möglicherweise nicht. Sie finden Personalismen in der
Vergangenheit ihres Gegenübers, sie tun den anderen in eine
Personengruppe, und damit sind sie zufrieden.
Sicher steht dem Wort Streit so wie das Wort Frieden etwas
gegenüber, das je Wort gedacht werden soll, also ...
Dann geht es um die anfängliche
"Einlegung" in Schubladen. Ich müsse jedem hier sagen, warum ich
dieses Wort benutze, und nicht "Einteilung", und müsste dann den
Hinweis hören, mich an den Sprachgebrauch zu halten. Einen Text
zum "einlegen" liegt mir schon vor, Einlegung ist eine Vorstufe
des Klassifizierens und damit "Hierarchierens".
Dann müsste ich von vielem ausgehen,
was eigentlich bekannt ist, das die Personen hier im Forum auch
wissen, aber im Moment des Streits nicht denken können. Es geht um
die Unterscheidung der Perspektive und dem volkstümlich bekannten
implizit ständig mitlaufenden Denken, dass das Wort "Meinung"
einen hohen Stellenwert hat, weil eben jeder denken darf wie er
will. ("Glaubung" könnte es auch als Wort geben, es fehlt im
Korpus. Dann könnte eine Person der anderen sagen: Du respektierst
meine Glaubung nicht.)
Wenn eine Person P mit dem Wort (Lemma
oder was auch immer) "denken" trotz der vielen Bedeutungen von der
vorhandenen Nutzung ausgeht, nach der "denken" eben Vorsache der
Sätze ist, die sie sagt, Vorsache dessen, was sie tut, Nachsache
dessen, was sie erlebt, dann ist das die erste Stufe nicht eines
Konsenses, sondern von da kann P weitergehen, und sagen:
"richtigdenken" genauso wie "falschdenken" sind beides ein
"denken". Sicher merkt auch P, dass die anderen schon am Anfang
sagen: "Nein, wer falsch denkt, denkt nicht, sondern
ideologisiert, phantasiert, mathematisiert usw.. " Ab dem
Zeitpunkt gehört P zu den Personen C, zu den Dritten im Streit, er
kann nicht im Streit mitmachen, er wird nicht einmal in den Streit
hineingezogen. Und wenn, dann soll er Stellung beziehen, oder ein
Konsensdenken oder eine sonstige Lösung anbieten. Ihm wird dann
gesagt, was ideologisieren ist. Nur kann es sein, dass C eben
nicht an erster Stelle eine "Einlegung" macht in "glauben, wissen,
phantasieren, ideologisieren, krankdenken", sondern dass er das
nach dem "denken" erst annehmen könnte, das alledem zu Grunde
liegt, mit dem er beginnen würde, und nicht sofort sozusagen eine
Wegscheide legen würde, wenn das dann überhaupt erforderlich wäre,
und eventuell zwei oder mehr Perspektiven sich zu erkennen geben
würden. Er müsste keineswegs in Richtung Kompromiss drängen, einen
Konsens anraten, bei dem der Dieb den halben Apfel bekommt, den er
vorher geklaut hat. Dass das vorkommen kann, ist nicht zu leugnen.
Dann braucht er nicht zu sagen, A solle auf den B zugehen, wie
Habermas sich zu verstehen gegeben hat.
Mehr kann ich dazu hier nicht sagen, es
müsste etwas mehr vergegenwärtigt werden, ich wage es nicht zu
sagen: gelernt werden. Zur Verwirrung sei noch der Satz
draufgelegt: Wenn die Personen das Wort "Denkung" benutzen würden,
wenn sie die Denkungsfreiheit prioritär durchsetzen würden, dann
bräuchten sie nicht zusätzlich die Meinungsfreiheit, die
"Glaubungsfreiheit", die Vermutungsfreiheit oder sonstige
"..ungsfreiheit" durchzusetzen und die entsprechende "...ung" zu
wiederholen.
JH