Am 04.06.2024 um 16:16 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
bei Prägung denke ich natürlich an Konrad Lorenz. In seinem Sinn können Menschen nicht geprägt werden. Und den meth. Konstr. sehe ich lediglich als Einstieg ins Philosophieren. Gleichsam als rationale Basis, auf die man sich immer wieder beziehen und besinnen kann. Dabei setzt das meth. Konstr. gerade voraus, seine Subjektivität zu transzendieren. Wie mehrfach geschrieben, sind Konstrukte nicht methodisch nachvollziehbar, sind sie für mich belanglos.
In Bezug auf K. Lorenz jedoch (diesmal geht es mir nicht um den „Lorenzpiepser“ als Rückmeldung in philweb😊) würde mich Deine Aussage sehr stark verwundern, wonach er eine soziale Prägung des Menschen für unmöglich gehalten hat.
Moin Karl,
nicht Lorenz hat eine soziale Prägung des Menschen für unmöglich gehalten, sondern ich zweifel an den Verallgemeinerungen, die Lorenz im Anschluss an seine Experimente zur Nachfolgeprägung bei Gänsen vorgenommen hat.
Langsam muss ich schon an meinem Geisteszustand zweifeln. Zuerst lese ich bei Dir, Im Sinne des Konrad Lorenz gibt es keine Prägung des Menschen. Nun schreibst Du, er hätte die soziale Prägung des Menschen nicht für unmöglich gehalten.
Du forderst hier stets eindeutige Quellenangaben ein, bleibst jedoch selbst in einigen Aussagen diffus. Joseph hat nun freundlicherweise den auf Prägung (sozial wie auch genetisch) bezogenen Wikipedia-Eintrag als Link hier eingestellt. Nun habe ich ihn lesend überflogen und würde das auch Dir empfehlen. Dann können wir dieses Kapitel hier abschließen.
Er hat als Verhaltensforscher geradewegs entscheidende Forschungsergebnisse vorgelegt, die das Phänomen der sozialen Prägung als irreversible Form des (sozialen) Lernens nachweist. Es vollzieht sich dabei ein prozessuales Geschehen, bei dem ein Mensch sich während einer bestimmten, kurzen Zeitspanne intuitiv und irreversibel entscheidet, welche Objekte er als entscheidende Bezugsperson für seine sozialen Beziehungen erachtet. Dieses Verhalten ist auch für die ersten Momente spontaner Verliebung beschrieben, etwa bei Frauen, die intuitiv beim Anblick eines Mannes dessen Eignung für eine partnerschaftliche Verbindung wahrnehmen kann.
Diesen Forschungen gingen bei Lorenz bekanntermaßen Tierbeobachtungen, insbes. die berühmten Versuche mit Federvieh voraus. Bezogen auf Gänseküken, die nach dem Schlüpfen nicht ihre Muttergans, sondern Lorenz als erste soziale Bindung erfahren haben, folgten diesem im „Gänsemarsch“ auf Schritt und Tritt und verlangten des Nachts eben diesen berühmten Lorenzpiepser, schlichtweg als in gewissen Zeitabständen erfolgende Rückmeldung einer intakten Beziehung. Diese solchermaßen hergestellte Verbindung ist irreversibel prägend, d.h., würde Lorenz anstatt seiner „Mutterfunktion“ wieder die eigene Gänsemutter der Küken ins Spiel bringen, würde sie nicht von diesen als solche akzeptiert werden.
Und welche Beobachtungen an Menschenkindern kannst Du nennen, die eine Übertragung der Ergebnisse von Lorenz mit Tieren auf den Menschen rechtfertigten?
Warum willst Du das von mir wissen, wenn es Dich interessiert? Du hast doch Dein eigenes Wissen und Quellen. Was z.B. Konrad Lorenz anbelangt, hatte ich mich im Psychologiestudium (Nebenfach) damit zu beschäftigen und so ist mir die Geschichte mit seinen Forschungen u.a. an Gänsen im Gedächtnis geblieben und nicht nur das, sondern eben auch die mir sehr eingängige Tatsache, dass der Mensch sehr wohl eine Prägung erhält. Müssig , auch nur nich ein Wort noch darüber zu verlieren.
Wir beide haben das Problem, dass wir aufgrund unserer weit auseinander driftenden Weltsichten (vornehmlich im gesellschaftspolitischen Bereich) fast schon reflexartig gegeneinander anschreiben. Da kann einfach keine weiterführende Diskussion entstehen. Hinzu kommt das Problem der geringen Beteiligung weiterer in philweb eingetragenen Personen. Damit stehen sich i.d.R. zwei (zumeist ideologisch gefärbte) Argumente unversöhnlich gegenüber.
Wir können uns hier natürlich unzähliges wissenschaftliches Schriftgut um die Ohren schlagen, bzw. jeder hier kann sich sogleich zu einem aufkommenden Thema in Wikipedia o.ä. vertiefen, um entsprechende Beiträge daraus hier in die Diskussion einzubringen.
Irgendwie könnte man Diskurse hier dann mit TV-Talkshows vergleichen, wo die jeweilige Moderation (je nach politischer Färbung und offiziellem Framing) zu vorgegebenen Themen subtil provozierende Aspekte einstreut. Haben sich die Diskutierenden dann entsprechend verkeilt, kommt der Fakten-Check. Doch mit wenigen Ausnahmen nicht zu widerlegenden Fakten, sind auch diese tendenziös ausgewählt.
Unter diesem Gesichtspunkt könnte man das Diskutieren hier in philweb einstellen, bzw. dieses Forum dicht machen. Der eine oder andere kann sich dann noch auf Facebook oder X, oder auch bei science einbringen.
Ich erinnere mich an furiose wütende Auseinandersetzungen bei science zum Thema Homöopathie (Waldemar Vorsicht - nicht in Schnappatmung verfallen!). Da gab es auch Platzhirsche und deren Schmarotzer und zudem immer wieder aufkommene „flames“. Wie diesbezüglich angenehm im Vergleich dazu unserer philweb.
Doch halt auch hier ein Problem und zwar das der geringen Beteiligung und somit führen die üblichen Protagonisten einen Tanz vor leeren Rängen auf.
Oft frage ich mich selbst, warum ich mich hier an diesem Tanz beteilige und überdies die Funktion des Listadmin wahrnehme. Und dann merke ich, dass wir hier alle so etwas wie Brieffreunde sind und Freunde sollten sich nicht immer nur „Honig um den Mund schmieren“. Es isr nun mal ein Unterschied, ob man selbst(gefällig) in den Spiegel schaut oder dieser einem unvermittelt vor die Nase gehalten wird.
Bleibt dennoch die Frage, ob uns dieses Forum weiterbringt, so wie es manches Gespräch, mancher Briefwechsel, manch besuchter Vortrag oder eben auch das Lesen entsprechender Literatur bewirken kann.
Weiterbringen? Wohin, wozu? Und da ist sie wieder, die Philosophiie, die Liebe zur Weisheit. Kann man, sollte man weise werden? Oder ist einfach nur eine nicht enden wollende Neugier auf das, was sich hinter den Dingen des Alltags verbirgt, schlichtweg, was diese Lebenswelt übersteigt.
Und sogleich schleicht der stöndige Konflikt dieses Forums hervor: Transzendenz, Übersinnlichkeit, überempirisches Geschehen, alles Hirngespinste entweder von Esoterikern oder Mystikern?
Ich denke selbstredend, dass es nicht so zutrifft und weiss doch, dass sogleich vehementer Widerspruch hier aufkommt. Der Kreis schließt sich.
Kann man in einem an Philosophie orientierten Forum ohne Bezugnahme auf Metaphysik (das was die Physis dieser Lebenswelt übersteigt, resp. ihr nachfolgt (meta ta physika) diskutieren? Wohl eher nicht, denke ich.
Nun nochmal zurück zur Entwicklungspsychologie.
Ich hatte ja kürzlich auf einige Lehrbücher verwiesen. Bei David G. Myers, „Psychologie“ ist zu lesen: „Prägung (»imprinting«) – Vorgang, der bei manchen Tieren zur Ausbildung eines Bindungsverhaltens führt. Die Prägung erfolgt in der kritischen Phase.
Kinder sind keine Entenküken, bei ihnen findet keine Prägung statt.
Selbstredend sind sie es nicht, beiden ist jedoch gemeinsam, dass eine Prägung erfolgt.
Sie entwickeln Bindungen zu dem, was sie kennen gelernt im häuslichen Umfeld. Spätere Beobachtungen mit einjährigen Kindern fanden in einer fremden Umgebung statt, üblicherweise das Spielzimmer eines Psychologischen Instituts. In solchen Beobachtungen zeigen ungefähr 60% der Kinder ein sicheres Bindungsverhalten.“
Und in Lieselotte Ahnert (Hrsg.), „Theorien in der Entwicklungspsychologie“ heißt es: „Die unvermittelte Anwendung des Konzepts der Prägung auf menschliche Entwicklung ist jedoch fraglich, was am Beispiel der Bindungsentwicklung deutlich wird. Wenn der Vorgang der Prägung in der Humanentwicklung weniger markant hervortritt als bei manchen Tierarten, dann weist dies darauf hin, dass sich das Zusammenwirken von Anlage und Umwelt beim Menschen viel komplexer gestaltet.“
Prägung in der Humanentwicklung wird doch unabweisbar angeführt, wenngleich diese „weniger markant hervortritt als bei manchen Tieren“. Wie kommst Du dann dazu, eben diese Prägung zu leugnen?
Es kann natürlich sein, dass ich das alles hier nicht mehr zureichend kognitiv erfassen und verarbeiten kann, dieses entgegen der beteuernden Zusicherung von Waldemar, dass ich noch nicht verrückt bin.
Bei Menschen sollte also nicht pauschal von Prägung, sondern quantifiziert von Bindungsverhalten geschrieben werden. Und hinsichtlich des Intellekts sind sowohl Prägung als auch Bindung fehl am Platz.
Das ist nun die Ansicht dieser Autorin; Insoweit sie anrät, nicht pauschal von Prägung, sondern von Bindungsverhalten zu sprechen, bestätigt sie doch geradewegs, dass der Begriff der Prägung in der Terminologie ihres Fachgebietes usus ist.
Du kannst Dich nicht einfach nur auf eine Aussage in der Wissenschaftsszene beziehen und dann behaupten, nur diese sei allgemein maßgebend.
Plausibler sind mir da die Themata Holten's, die er an Wissenschaftlern untersuchte. An sie knüpft auch Krause an in „Einsteins EJASE-Modell als Ausgangspunkt physikdidaktischer Forschungsfragen":
Dem kann ich nur zustimmen. Was jedoch die Behandlung von Medien im Schulunterricht anbelangt, sollte diese auf die entsprechende Reife der Schulkinder abgestimmt und daher definitiv nicht gänzlich unzensiert sein. Verantwortungsvolle Zensur hat nichts mit Vorenthaltung von pornografischen Darstellungen zu tun, die in ihrer Art noch nicht von Kindern emotional zu verarbeiten sind.
Das halte ich für ein Vorurteil. Mir ist nicht bekannt, dass Kinder beim Betrachten kopulierender Menschen Verarbeitungsprobleme haben könnten. Ist ihnen das von Anfang an selbstverständlich (wie bei Naturvölkern und in Kommunen bspw.), werden sie es erst gar nicht verarbeiten müssen.
Leben wir nun in einer zeitgemäßen Kulturgesellschaft oder bei den Wilden nativer Stämme, die sich noch in irgendwelchen Urwäldern finden?
Und in Pornofilmen, die Du im Sexualumterricht von Schulen zeigen willst, geht es i.A, nicht um simples Kopulieren, sondern schlichtweg um das Erzeugen sexueller Reize und dieses zumeist in einer Art und Weise, die niemals schon Kindern vor Augen gebracht werden sollen, bevor sie nicht die entsprechende Reife, resp. psychische Stabilität erreicht haben. Dieses unbenommen der heutigen gesellschaftlichen Situation, dass über soziale Netze, also i.W. das Internet ohnehin jeder diesbezügliche Dreck zu sehen ist. Diesen aber noch bewusst in die Lehrinhalte von Schulen der unteren Klassen einbringen zu wollen ist m.E. einfach nur abartig.
Wohlgemerkt, es geht dabei nicht um natürliche Darstellung von Geschlechtsverkehr o.ä., sondern um bewusst in Pornofilmen eingebundene sexuelle Praktiken, die keinesfalls auf die von Dir gewünschte Weise für Kinder zugänglich gemacht werden sollten. Ich frage mich langsam wirklich, wie weit diese Neoliberalen ihr Spiel noch treiben wollen.
Erst die Tabuisierung oder Heimlichtuerei der Erwachsenen dürfte sie verwirren und dann noch die ganze Wichtigtuerei und das viele Gerede darüber. Sind Dir denn seriöse Untersuchungen bekannt, die derartige Verarbeitungsprobleme nachweisen?
Da mache Dir Deine eigenen Gedanken darüber oder warte auf Antworten anderer hier.
Gerade die Symmetriebrüche sind es, die die Evolution der Natur wie des Lebens voranbringen.
Darüber haben wir hier ausführlich geschrieben und natürlich trifft das auf Deinen Einwand hier zu. Womöglich hätte eher von Symmetrieverletzung sprechen sollen, um aufzuzeigen, dass am Beispiel von Yin und Yang als zwei gegensätzliche Elemente einer Ganzheit, das Fehlen, bzw. Entfernen eines dieser Elemente unweigerlich zum Zusammenbruch einer Ganzheit führt. Nimmst Du das männliche Prinzip aus dieser Einheit und belässt nur das weibliche, verlierst Du die Ganzheit. Das ist Dir natürlich bewusst und somit kann es nur Provokation sein, die Menschheit sich nur noch aus dem Weiblichen konstituiert zu wünschen.Auf dass die Welt damit ein besserer Ort sei.
Andernfalls kennst Du die Frauen nicht! Sie können alles sein: von der Hexe bis zur angebeteten Heiligen.
Die verwechselst Symbolik mit Empirie.
Wie kommst Du denn zu dieser Annahme?