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Am 24.04.2024 um 03:58 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



KJ ging nach dem vorhin Geschriebenen zur Sache über, um die es vorher ging, also um die Frage nach der Existenz von Naturgesetzen. Der Übergang geht "nach meinen Regeln" zu schnell. Nun muss ich zugeben, dass auch ich "nach meinen Regeln", wenn sie denn vorliegen würden, ein Übergang für mich auch "schnell" nicht zu schaffen wäre. So könnte auch ich "nicht mehr mitmachen", weil mir "meine Regeln" eben in Gänze nicht vorliegen. Also Stück für Stück:

> Würde ich Deinen Regeln von Konversation folgen müssen, könnte ich in meiner mir eigenen Art der Wort- und Satzgestaltung nicht mehr hier mitmachen.

Das glaube ich dir.

> Die Zeit, wo ich mich dem schulischen Diktat von lehrenden Germanisten unterordnen musste, ist glücklicherweise vorbei.

Diesen Satz würde jeder angehende Politiker sagen, Nietzsche wies ungefähr darauf hin, dass sie diesen im Hinterkopf haben: "Nun habe ich genügend gelernt, und will das in die Praxis umsetzen." Und "Lange Rede kurzer Sinn, nun will ich die Macht haben und mein Wissen umsetzen, nicht theoretisieren, mein Programm ist bekannt."


Also von Macht haben wollen, hatte ich nichts geschrieben, Joseph. Worte haben Macht, bzw. können einen Machtanspruch vermitteln. Aber müssen wir auf diese Weise dem benannten Thread entsprechend den Diskurs hier verkomplizieren?
Zugegebenermaßen achte ich kaum auf Empfindsamkeiten, die ich etwa auslöse, wenn ich hier gegen m.E. ideologisch gefärbte Beiträge argumentiere. I.W. zielt Dein kritischer Einwand offenbar darauf ab, dass ich gegenüber Waldemar zu ungnädig argumentiere. Nun, das mag zutreffen, erklärt sich für mich jedenfalls dadurch, dass er bisweilen provokante Thesen proklamiert, wie etwa, dass es keine Naturgesetze gibt oder eben die alte Leier von Gott und Göttern immer wieder anstößt, wohlwissend mit dem Kalkül, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf „anspringe“. Aber er kennt mich durch und durch und ich ihn auch und so verträgt diese „Brieffreundschaft“ hier schon einige Schärfe. Und natürlich nehme ich ihn erst und nicht nur das.
 Du Joseph beziehst Dich des öfteren auf Sokrates und eben seine Dialoge waren (soweit überliefert) in der Intention geführt, die Ansichten seiner Dialogpartner hervorzulocken. Womöglich auch mit dem Ziel diese aufzurütteln, eben auch zu provozieren, um sie ihrer Verantwortung bewusst werden zu lassen. Ihm war es wohl immer daran gelegen, seine Überzeugung von der Bedeutung der Tugendhaftigkeit, von der Existenz einer Seele und damit von der Besonderheit und Würde des Menschen im Dialog inmitten von Menschen darzulegen und zu diskutieren, sei es am Marktplatz oder in den Straßen von Athen. Kein Wunder, dass dieser ehrenwerte Vagabund bei den Stadtoberen, denen er seinen Respekt ostentativ verweigerte, Argwohn hervorrief und diese ihn letztlich zum Tode verurteilten. 

Den Einzelnen aus seinem alltäglichen Trott zu holen, ein Forum zu schaffen - und sei es der Marktplatz, um dort auf die Verantwortung jedes Menschen für das Gemeinwohl hinzuweisen, Möglichkeiten der Gestaltung dieses gemeinsamen Lebensraums zu diskutieren, verlangt im Dialog  Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen, die einem selbstbestimmtem Denken entstammen. Und genau letzteres zeichnet Waldemar aus, auch wenn seine Ansichten bisweilen konträr zu meinen zu stehen scheinen, im Grunde weiss ich immer, was er damit wirklich meint und daraus habe ich im Laufe der Jahre Vieles gelernt.
Das spricht selbstredend auch für philweb, als eben dieser „Marktplatz“, ein für meine Begriffe einzigartiges Forum, um eben im Sokrates‘schen Sinne Ansichten, Meinungen „hervorzulocken“ aber eben auch Wissen zu erweitern, nicht zuletzt auch um eigene Denkmuster zu hinterfragen und ggf. zu korrigieren.

Sorry, ist auch Wiederholung, doch die spezifische Besonderheit von Philweb hervorzuheben ist diese es wert.


Dieser Satz sagt in etwa: "Nun bin ich aus der Lehre heraus, zumindest aus der Lehre der Germanisten. Nun bin ich frei und kann sagen was ich will, und brauche nicht mehr an das "Diktat" der Germanisten zu denken."

Hier denke ich schon fast an die Diktatur der Germanisten. So hast du sicher nicht gedacht, das glaube ich dir.

Zurück zum Anfang: Es sind nicht "meine Regeln". Es ist eine allgemeine Regel, und zwar die Regel, die du selbst schriebst, nämlich nach der das was der andere sagt, ernst zu nehmen ist.

Wie käme ich dazu, hier eingebrachte Beiträge nicht ernst zu nehmen. Da wäre ich geradewegs der Totengräber dieses Forums, das mir - so man meine Bemühungen um den Erhalt von philweb bisher bemerkt hätte- sehr am Herzen liegt.

Ernst nehmen ist das eine, ein anderes ist Akzeptanz und ich denke, man kann und muss nicht alles akzeptieren, was an (Gegen-)Argumentation hier vorgebracht wird, das betrifft selbstverständlich auch die eigenen Beiträge. Verstehen und Akzeptanz sind unterschiedliche Formen bei der Wertung von Aussagen.

Egal wie extrem der erste Satz desjenigen ist, der dir entgegen kommt, egal wie bekannt oder unbekannt dir das Wort ist, das dir zukommt, es geht nur, dieses so zu verstehen, wie der andere es versteht. Es geht nicht, den anderen sofort als psychisch krank einzustufen, als Ideologen, als Kind oder alten Mann. Es geht nicht, seine Äußerungen auf seine Vergangenheit zu beziehen. Hier geht es auch um die Person, die spricht, nicht oder nicht nur um die Exegese ihrer Äußerungen und die Entgegnung dieser. Das sind zwei verschiedene Vorgehensweisen.

Du beziehst Dich wohl darauf, dass ich Waldemars berufliche Tätigkeit in der Forensik in Verbindung mit seiner Misanthropie thematisiert habe. Dann lese nun seine diesbezügliche Replik und alles ist wieder gut!. Waldemar weiss haargenau, wie ich es meinte, nämlich in keinster Weise anklagend, sondern als Erklärung.

Verwundert mich eigentlich schon, dass Du bei Deiner akribischen Art der Wort-und Satzanalyse diesen Hintergrund nicht zu erkennen vermochtest. Am Ende bleibst Du in ersterer so verhaftet, dass Dir letzteres entgeht.

Sicher könnte auch ich schreiben: "Hier habe ich ein Kind vor mir, und ich bin nicht bereit, mich an Kindesdenken anzupassen, das was ich sagen müsste, habe ich schon so oft gesagt, es langweilt mich. Dort habe ich einen psychisch Kranken vor mir, der gehört irgendwo hin, und weiter weg einen mit einer schweren Vergangenheit. Und weiter weg sehe ich einen Ideologen, und mit Ideologen spreche ich nicht. Und mit einem Belehrenden kann ich auch nichts anfangen, ich habe genug gelernt. Ich will nur noch Meinungen austauschen. So wie Schopenhauer es schrieb: Die einen tauschen Gedanken aus, die anderen Karten."


Nun bleibe doch nicht so hintergründig in Deiner Kritik, sondern nenne Ross und Reiter. Du meinst mich mit meiner Kritik an bestimmter Ideologie. Warum eigentlich kritisierst Du jeweils den Rahmen und gehst nicht konkret inhaltlich auf eine Thematik ein. Diese Art eklektischer Selektion mag Dein Bemühen um Ausgleich ehren, doch wie soll ein Diskurs jemals zu einem Ergebnis führen, wenn man immer nur fragmentarisch, resp. beliebig bleibt, d.h. auch um jeden Preis „Lieb_Kind“ bleiben will.
Natürlich braucht es kein abschließendes Ergebnis, wenn über einen Sachverhalt diskutiert wird, doch ein Diskurs sollte doch zumindest eine gewisse Ausrichtung haben.

So  hoffe ich schon, dass uns hier noch ein Gedankenaustausch möglich ist. Zum Kartenspielen würde ich eher  in‘s Wirtshaus gehen.

Das Gespräch ging bei dir und mir jetzt vom Betreff ab, und ich kann auch schon allein deswegen schreiben, dass ich deswegen und wegen dem vorhin Geschriebenen schreiben könnte, dass auch ich "nicht mehr hier mitmachen" könnte.


Hast Du wirklich verstanden, was ich damit meinte? Nichts anderes, als dass ich keinen besonderen Aufwand betreiben will, mich hier nach irgendwelchen Regeln der Germanistik schriftlich austauschen zu müssen, sondern einfach nach meinem Vermögen so zu schreiben, dass es hoffentlich hinreichend allgemeinverständlich ist.

KJ