Moinchen Ingo,

Dass man jemandem mit einem Hammer den Schädel einschlagen kann, bedeutet ja nicht, dass dem Hammer dieser Missbrauch inhärent wäre.
Wahrscheinlich verzweifeln die meisten Handwerker manchmal an ihrem Handwerkszeug. Aber wenn sie es nicht ausstehen könnten, wäre es wohl kaum der Mittelpunkt ihres Lebens. Der Geheimrat gibt uns an den ihn umgebenden Gartenzwergen vorbei ja auch zu verstehen: wer schreibt, der bleibt.

Zu dem Versuch, das Leben in mathematischer Formelsprache einzufangen, wünsche ich gutes Gelingen.

Clau

Am 7. August 2022 12:23:50 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:


Am 07.08.2022 um 05:25 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Menschliche Sprache, besonders wenn sie literarisch wird, kann zwar nicht komplizierte quantitative Verhältnisse millimetergenau darstellen, aber innere Bilder aktivieren, in jedem Leser je nach persönlicher Erfahrung andere. Das soll banal sein? Ein ideologischer Missbrauch ist möglich und wäre das Gegenteil von Literatur.


Moin Claus,

nicht erst der Sprachvirtuose Goethe hatte sich wiederholt kritisch zur Sprache geäußert: „Das ausgesprochene Wort ist sogleich tot, wenn es nicht durch ein
folgendes, dem Hörer gemäßes am Leben erhalten wird. Man merke nur auf ein geselliges Gespräch: gelangt es nicht schon tot zu dem Hörer, so ermordet er es alsogleich durch Widerspruch, Bestimmen, Bedingen, Ablenken, Abspringen und wie die tausendfältigen Unarten des Unterhaltens auch heißen mögen. Mit dem Geschriebenen ist es noch schlimmer. Doch hat das Geschriebene den Vorteil, dass es dauert und die Zeit abwarten kann, wo ihm zu wirken gegönnt ist“ (Maximen und Reflexionen). Und: „Dass niemand den anderen versteht, dass keiner bei denselben Worten dasselbe, was der andere denkt, dass ein Gespräch, eine Lektüre bei verschiedenen Personen verschiedene Gedankenfolgen aufregt, hatte ich schon allzu deutlich eingesehen“ (Dichtung und Wahrheit).

Nicht nur ideologischer, vielmehr Missbrauch allgemein ist der Umgangssprache inhärent. Dabei fristet die seriöse Literatur nur ein Nischendasein im Übermaß des Schunds. Insofern weite ich meine These von der überwiegenden Banalität der menschlichen Sprache sogar noch aus. Sie gilt allgemein und nicht nur mit Bezug auf die Sinnlichkeit. Dabei gehen Sinnlichkeit, Zeitgefühl, Raumerleben und Umgebungserkunden bei Kleinkindern der Sprache ja voraus. Was vermag Sprache also zu aktivieren in uns? Können es gemäß jeweiliger eigener Erfahrung überhaupt neue innere Bilder sein? Die Erlebnisfülle unserer Sinnes- und Gefühlswelt wird primär sprachfrei erlebt und kann durch Sprache nur ergänzend aktiviert oder ausgelöst werden. Neue den Erlebnishorizont sprengende Bilder und Visionen vermag nur die Mathematik zu generieren. Für Rühmkorf war am Anfang der Einfall, nicht das Wort und für die Mathematik wird das allgemein angenommen werden können.

IT
PhilWeb Mailingliste -- philweb@lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an philweb-leave@lists.philo.at