Am 29.10.2024 um 23:43 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Nun reicht‘s aber wieder mit Politik. Fehlt gerade noch, dass wir hier beginnen, über Fussball zu diskutieren. Schade um die Zeit und damit sind wir wieder beim Thema.

Moin Karl, 

ja, es sollte reichen mit dem Personalisieren. Wir waren ausgegangen von der Kinderverblödung im rheinischen Katholizismus. Daran anknüpfend versuchte ich die Perspektive zu weiten, indem ich auf die Analogie zwischen Materie, Raum, Zeit und Macht, Geographie, Geschichte verwies. Danach wollte ich unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Zeit bzw. Geschichte lenken; denn die Nord-Süd-Unterschiede hierzulande gibt es ja seit Jahrtausenden und die neuerdings viel diskutierten Ost-West-Differenzen werden sich auch noch länger halten. Hinsichtlich des Zeitablaufs ist mir ja aufgefallen, dass es gegenwärtig eine Renaissance des Konservativismus gibt, der noch nie so stark war; denn machte er im Bundestag 1957 noch rund 54 % (DP, CDU/CSU) aus, liegt er in aktuellen Sonntagsfragen bei 58 % (AfD, CDU/CSU, BSW), wobei es auffallende Unterschiede zwischen Nord-Süd und Ost-West gibt. 

Thomas hat gerade von einer kristallinen die empirische Zeit abgegrenzt, die partiell zukunftsoffen, und aus den Augenblick überdauernden Potenzialen geschöpft sein soll: „Die aus diesen Potenzialen (ich stelle sie mir schalenförmig konzentrierend, auf eine Verdichtung hinarbeitend vor) entspringenden Prozesse haben im Entspringen Vergangenheit und ein Entstehen in sich, in ihrem distinkt Gerichtetsein auch eine im Gerichtetsein implizierte Zukunft. Diese ihnen innewohnende Bahnung kann mit anderen Bahnungen zusammenfließen, um ein gemeinsam ausgerichtetes Prozessieren zu ermöglichen.“ 

Bei schalenförmiger Verdichtung denke ich sogleich an die Faltungs-, Spitzen- oder Schmetterlings-Katastrophenform Thoms. Topologisch könnten sie auch aus einer schalenförmigen Verdichtung hervorgehen. Aber daran wird Thomas weniger gedacht haben. Jedenfalls sehe ich mich zwischen Deinen Personalisierungen und Thomasens Phänomenologisierungen wie zwischen den Stühlen sitzen. 

Den Kosmos gestalten Energie-, die Gesellschaft zudem Macht-Potentiale, denen auch die Personen ausgesetzt sind. Insofern gibt es einen fernen Zusammenhang zwischen uns, der sich auch auf die Angst erstreckt, nicht nur vor dem Objekt (und der Methode?), sondern auch vor dem Wandel schlechthin. Und schon bin ich wieder beim Konservativismus angelangt, der mir als Sammelbewegung aller Angsthasen und Gewohnheitstiere dünkt. Auf die Zeit bezogen, scheinen die Konservativen sie geradezu anhalten zu wollen, um ewig im Gewohnten verharren zu können. Aber kann das eine lebenswerte und dem Leben genügende Haltung sein?  

Möllemann frönte dem Fallschirmspringen, was eher ungewöhnlich für Politiker ist, aber normal für Formationsspringer. Dem Zusammenhang zwischen „Angst und Leistung im Rahmen der Katastrophentheorie“ hat Steffen Schiedek seine „Untersuchungen zum optimalen Erregungsniveau bei Fallschirmspringern“ gewidmet: 


In der Dissertation wird versucht, „den Zusammenhang von Angst und sportlicher Leistung beim Freifallformationsspringen mithilfe von Katastrophenoberflächen zu modellieren und ein für das Fallschirmspringen optimales Erregungsniveau zu definieren.“ Mir sagt die Vorgehensweise des Sportwissenschaftlers zu, der Psychologie mit Physiologie und Mathematik zusammen denkt und weder Angst vor dem Objekt noch vor der Methode hat. „Die Untersuchungsergebnisse ergaben, dass mit Hilfe des Katastrophenmodells der größte Anteil der gemessenen Leistungsvarianz bei Freifallformationsspringern erklärbar ist.“ 

Scheidek untersucht die Leistung als Funktion der kognitiven und somatischen Angstkomponente, der physiologischen Aktivierung und der Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Wäre diese Vorgehensweise auch auf Konservative mit ihrer Zukunftsangst anwendbar? Adenauer machte ja Wahlkampf mit der Parole: „Keine Experimente!“ Sollten sich demgegenüber gerade Konservative zur Überwindung ihrer Ängste Experimenten aussetzen? Leider gibt es viel zu wenig ökologische Landkommunen und smart cities, in denen sie umhegt experimentieren könnten. Wäre ich König von Deutschland, hätte ich schon längst ein ganzes Bundesland zum Experimentierfeld erklärt …         

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