Verspätete Antwort an IT
Am 09.02.25 um 15:15 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:

> ... Ich schrieb jeweils von Rahmen und Vorurteil, Paradigma und Themata. Du erwogst u.a. Annahme.
Ja

> Damit müsste ich in meinem Gebrauch von Meta-Annahme und Annahme schreiben.
Das wäre gut. Ich gehe am liebsten nicht mit dem System des Philweb vor, bei dem viele Eintagsfliegen und viele Verästelungen entstehen, unabhängig davon, dass die Stegmüller-Grade des Missverstehens nur ansatzweise gedacht werden. Bei festen Texten ist das nicht so. Sie können verändert, verbessert, ergänzt werden. So wie in Wikipedia könnten mehrere an einem Text arbeiten. In dem Sinn ist mein "Das wäre gut." zu denken.

> Aber wie wäre es mit der Formulierung, dass Kant Hume unter der Meta-Annahme der Vernunftsphilosophie von der angenommenen Vernünftigkeit der Kausalitätsananahme bzw. von der angenommenen Unvernünftigkeit des Skeptizismus kritisierte?

Der Satz übersteigt meine Fähigkeiten.

> Von Weizsäcker und Lorenzen bspw. haben je auf ihre Weise wieder an Kant angeknüpft. Alltägliche Rahmen und Vorurteile werden in der Philosophie ja auch Paradigmen und Themata genannt. Nach Kuhn sind mit Paradigmen die metaphysischen Überzeugungen und forschungspolitischen Annahmen gemeint, die den Entwurf von Theorien und die Planung von Experimenten leiten. Und nach Holten bezeichnen Themata eher die individuellen Neigungen ....

Diese Denkweisen sind gut, egal welche Wörter benutzt werden. Ich benutze sie nicht gerne, weil ich sie nicht brauche, obwohl ich nichts gegen sie habe. Ich bin oft in der Versuchung, das Wort Paradigma zu nutzen, nur versuche ich dies nicht zu tun.

> Die obigen Ausführungen könnten auch mit Meta-Annahmen und Annahmen formuliert werden.

Mache es!

> Aber von sprachlichen Hierarchien scheinst Du nichts zu halten,

Es stimmt überwiegend, dass ich nichts von diesen halte. Sie sind oft als Hilfsmittel sehr brauchbar (V-Fiktionen) so wie Grafiken aller Art. Als Grafiken sind es Hilfsbilder.

> Obwohl sie schon in der Umgangssprache wesentlich sind, um dissonante Selbstbezüglichkeiten zu vermeiden.

richtig, auch zu der genannten Vermeidung können sie nutzen.


      
Weil im Zuge der Aufklärungsbewegung die Vernunft hervorgehoben wurde, unterfiel Kants „Kritik der reinen Vernunft“ dem Aufklärungsparadigma, so dass er neben der Vernunft die Anschauung für ebenso wichtig hielt: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. … Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen“. 
Hierbei hat er sich gehörig verheddert, oder etwa nicht? Trotz Genauigkeit und gutem Denken.
Romantiker und Dialektiker sahen das so, nicht aber die ihn weiter führenden Lorenzen und von Weizsäcker, die gleichermaßen der Vernunft durch  'calculemus‘ und 'distinguamus‘ folgten. Ich habe die beiden bisher aber nur ansatzweise zusammengedacht. Unter Analytikern sind Kants synthetische Urteile a priori Stein des Anstoßes geblieben, obwohl der Nachweis, dass die Mathematik analytisch sei, ja scheiterte, was Kant in seiner Antinomie der Unendlichkeit bereits vorweggenommen hatte. Zugleich ist die Mathematik natürlich nicht synthetisch bzw. empirisch, vielmehr synthetisch a priori; jedenfalls soweit sie methodisch konstruierbar ist. Gleiches gilt bei Lorenzen für die der Physik vorausgehenden Protophysik. Und Janich nahm im Rahmen seines methodischen Kulturalismus sogar das Alibiprinzip als synthetisches a priori der Lebenswelt an; denn „das Alibiprinzip, wonach eine Person wohl zu zwei verschiedenen Zeiten am selben Ort, nicht aber an zwei verschiedenen Orten zur selben Zeit sein kann, ist ein empirisch nicht revidierbares, sondern apriorisches Wissen aus dem Bereich der Lebenswelt.“          

Der letzte große Absatz kann ich ein wenig nachvollziehen (denken), aber nicht genügend, um auch nur ansatzweise etwas dazu zu schreiben. Ich kann auch nicht mehr das Wort "empirisch" in grundlegenden Fragen benutzen, vergleichsweise mit "nicht empirisch" habe ich kein Problem. Schon das Hinzufügen eines dialektisch opponierten Wortes (Wörter in der Einzahl) macht mir Schwierigkeiten. Ich denke schließlich überwiegend mit "innerhalb/außerhalb der Person". Wenn eine weitere "Innensache" von innen bewirkt wird, ist da keine Ähnlichkeit mit dem, wenn etwas von außen kommt, ist es dann nicht auch empirisch? Es kann sein, dass wenn man diese grundlegenden Fragen annimmt, und nicht sofort abwehrt und dann nicht in Versuchung kommt, schnell mit einem zusätzlichen Wort meinen, eine Antwort zu haben. Mir fliegen diese Wörter zu, aus allen Richtungen, wie die Vögel im Hitchcock-Film. Und jeder hat ein anderes Wort für die dialektisch opponierte Sache, und dazu eine jeweils andere Definition, wenn überhaupt, denn meist begnügen sich die Personen mit Begriffen: Viel Begnügen, viel Vergnügen!

JH

Antworten auf andere Mails (2) verspäten sich, Entschuldigung, leider konnte ich WH auch nicht schreiben, ich sage so wie der alte Mann: "mir ist das alles zu viel". Ich gehe morgen zu einem Vortrag eines hundertjährigen Professors, Thema Begriff des Begriffs.