Am 8. Juni 2022 22:54:29 MESZ schrieb Karl Janssen <janssen.kja@online.de>:
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>> Am 08.06.2022 um 17:23 schrieb Claus Zimmermann <mail@clauszimmermann.de>:
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>> Hallo Ingo & Liste,
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Vielleicht gibt es indigene Völker, die gar nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden. Wie sollten die dann auf die Idee eines Dualismus kommen?
Nein, ich glaube doch nicht, daß es das gibt. Es wäre nicht praktikabel, sich in wachem Zustand so zu verhalten wie im Traum. Das könnte ins Auge gehen.
So unterscheiden wir aus guten praktischen Gründen zwischen Einbildung und Realität. Das bringt uns dann dazu, zu denken, im einen Fall ist da bloss ein Erleben, im anderen entspricht ihm darüber hinaus auch etwas. Das ist dann die Teilung, die ich oben meinte.
Über das Verhältnis von Traum zu Realität würde sich hier ein eigener Thread anbieten, so komplex ist dieser Themenbereich.
Ich denke, dass jedes hier am Forum teilnehmende Mitglied (einerlei ob aktiv oder nur mitlesend) gelegentlich träumt. Doch was heißt es zu träumen, wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Moderne Traumforschung kann über bildgebende Verfahren gewisse Aussagen machen, welche Hirnregionen im Traum besonders aktiv sind und so zeigt sich, dass es neben dem Bereich für die Verarbeitung von Emotionen jene Hirnsegmente sind, die im Wachbewusstsein für visuelle Rezeption und Motorik zuständig sind (womöglich erklärt sich damit auch das oftmals im Traum erfolgende Muskelzucken :))
Die im Wachzustand für bewusste kognitive Perzeption aktivierten Hirnareale sind in Traumphasen nur kaum beansprucht, was darauf schließen lässt, dass Träume vornehmlich von emotionalen Empfindungen initiiert und gesteuert sind. Träume spiegeln offensichtlich Alltagserfahrungen wider und bieten damit eine Möglichkeit, diese abseits des Wachbewusstseins (d.h. ohne dadurch veranlasste Verfälschung) zu verarbeiten.
Nun geht es uns hier nicht um Traumforschung sondern um die Frage, ob aus der noch rudimentär existierenden Erfahrungswelt nativer indigener Stämme Amerikas Erkenntnisse zum Verhältnis von Traum und Lebensrealität abzuleiten sind.
Womöglich sind wir in der heutigen Lebenswelt auch gar nicht so weit von dieser Verbindung zwischen Traum und Realwelt entfernt, wenn wir an hier lebhaft geführte Diskussionen denken, wonach der (radikale) Konstruktivismus davon ausgeht, dass menschliche Wahrnehmung nicht befähigt ist, Lebensrealität objektiv zu erfassen, vielmehr im Gehirn eine subjektiv angelegte „Wirklichkeit“ (und damit auch eine Traumwelt) konstruiert wird.
Meine kritische Einstellung zum Konstruktivismus habe ich hier oft deutlich gemacht, da ich mich als Ingenieur auf Messungen und nicht auf eigene „Hirnkonstrukte“ verlassen muss. Wir würden uns über keine einzige Brücke mit sicherem Gefühl bewegen können, würden diese von „träumenden“ oder halluzinierenden Konstrukteuren gebaut worden sein. Damit wird deutlich, dass wahrhaftig eine Unterscheidung zwischen „Einbildung und Realität“ vorzunehmen ist. Einbildung kann auch subjekte Verbildung (im Sinne von Verblendung) sein und daher wird (um beim Beispiel zu bleiben) niemals ein einziger Konstrukteur für einen Brückenbau verantwortlich sein. Das wollte ich im letzten Beitrag durch meinen Hinweis auf notwendige Objektivierung von subjektiver Erfahrung ausdrücken.
Nun aber nochmal zu Traumwelten nativer Stämme, die für diese noch sehr naturnahen Menschen von besonderer Bedeutung sind. Auf deren Art naturnah zu sein, geht ja auch mit Glauben an eine Seele und an Geister (als beseelte, jedoch körperlose Wesenheiten) einher. Traumbilder (auch in Trancezuständen erfahren) werden von diesen Menschen Botschaften gleichgesetzt, die als Entscheidungshilfe zur Bewältigung des realen Lebens gesehen werden.
Menschen unseres Kulturraumes sind (mit wenigen Ausnahmen) diese Traumwelten und die damit verbundenen Rituale befremdlich geworden. Die Technisierung unserer Lebenswelt hat diese unendlich weit von Natur und ihrer Empfindung entfernt. Da bietet auch der mittlerweile übliche artifizierte „Grün-Trend“ keine Abhilfe. Mit dieser radikalen Abwendung von Natur hat der Mensch quasi als Homo Faber auch den Bezug zum Geist der Natur verloren; mehr noch, er hat ihn nahezu getötet. Doch lässt er sich überhaupt töten oder bleibt er Sieger und tötet am Ende seine Widersacher?
Die Weissagung der Cree gibt eine Antwort auf diese Frage.
Im zweiten Fall ist es aber nur eins, das von anderen geteilt und bestätigt wird und/oder nach einem bekannten Muster abläuft, eben anders als etwa im Traum oder unter Drogen. Da ist nicht z.B. die Erfahrung eines Gegenstands und ausserdem auch noch dieser Gegenstand, wenn damit etwas anderes ausgedrückt werden soll als dass andere ihn auch sehen. Damit würden wir aus der Unterteilung der Erfahrungen in normale, verlässliche einerseits und irreguläre andererseits eine Verdoppelung der Welt machen mit einer unüberbrückbaren Kluft zwischen ihren beiden Polen.Eine "Verdoppelung" der Welt findet tatsächlich statt, wenn man den Theorien von Many Worlds oder Multiversen etwas abgewinnen kann. Doch auch nur die Vorstellung von der Unvermeidbarkeit von Gegensätzen führt in diese Richtung. Es gibt immer eine (nichtmaterielle) Welt des Guten und eine des Bösen. Philosophisch gesehen wird man von diesen Begrifflichkeiten eher Abstand nehmen und die Welt eher als Doppelung der Wirklichkeit in wahr und nicht wahr, quasi als ideale Welt der Zahlen neben/hinter einer materiellen Welt.
Von Einheit zu reden bedeutet nicht, alles in einen Topf zu werfen und die Vielfalt nicht zu sehen, sondern nur, diese Kluft zu bestreiten.
Liebe, Glücklichsein, Freude und die Gegensätze sind wieder ganz andere Baustellen als Sinneswahrnehmungen, die man als die existenzbezeugenden Erlebnisse bezeichnen könnte. Nur hier stellt sich die Frage, ob es wirklich so ist wie es uns vorkommt oder ob wir vielleicht prinzipiell nur über letzteres reden können. Damit sind wir beim sogenannten Subjekt-Objekt-Dualismus, dessen vielleicht gar nicht so entfernter Verwandter der von Leib und Seele sein könnte.
Diese Deine Schlussfolgerung kann ich im Augenblick nicht zuordnen. Der von mir angedeutete Aspekt hinsichtlich subjektiv und kollektiv angelegter Informationsspeicher ist eine sehr stark verkürzte und abstrahierte Darstellung. Ich sollte sie bei Gelegenheit präzisieren und anschaulicher vorstellen.
>Ein m.E. durchaus interessanter Aspekt liesse sich aus Deiner Frage ableiten, wenn man Einheitlichkeit (der Welt) als Potentialität im Sinne einer alles umgreifenden „Welle“ (Pilotwave-Theorie) versteht, die als objektiver Träger nicht-lokalisierter Informationsbits (Nichtlokalität der QM nach Bell) in eine immaterielle Objekt-Subjekt-Beziehung (Interaktion als mentales Phänomen) treten kann.
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>Jede subjektive Erfahrung eines Menschen platziert Informationsbits in diesen objektiven Informationsspeicher, ebenso speist sich daraus der subjektive Informationsspeicher (Gehirn(ZNS) als mögliche Erweiterung subjektiver Erfahrung, die als motivierende Ideenquelle Ursache für lebenspraktisches Handeln in der materiellen Welt wirkt. Damit entwickelt sich die physische Welt aus Ideen resp. Information stetig fort.
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> Idee =Geist = Information = Empfindung. Diese immateriellen Strukturelemente als mentale Phänomene gesehen sind identisch, nicht aber Geist und Materie.
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Das scheint mir alles " Lehre und keine Tätigkeit" zu sein, während es in der Philosophie m.E. nicht darum geht, etwas neues herauszufinden, sondern darum, sich selbst nicht misszuverstehen, was vielleicht gar nicht so einfach ist.