Am 19.10.2024 um 01:41 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Als wir seinerzeit über die Begrifflichkeit von Bewusstsein diskutierten, hatte ich mich u.a. näher mit diesbezüglichen Aussagen von Tegmark und Stapp beschäftigt. Ersterer stellte sich vehement gegen die entsprechenden Thesen von Hameroff, wonach Mikrotubuli und nicht die Nervenzellen an sich die  wesentliche Rolle bei der Informationsverarbeitung im Gehirn spielen.

Moin Karl, 

Teilchen und Wellen, Ströme und Felder, fMRT und Kognitionen können gleichermaßen mathematisch formuliert werden, egal ob es sich um die Quanten-, die Neuro- oder die kognitive Ebene handelt. Auch über den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Hirnaktivität gibt es Untersuchungen, wie bspw. die von Anne-Sophie Dahm: „Der Einfluss des Persönlichkeitsfaktors Gewissenhaftigkeit auf die Gehirnaktivierung und die Cortisolreaktion unter psychosozialem Stress.“

Abstract: „Bisher wurde der Persönlichkeitsfaktor Gewissenhaftigkeit in der Literatur als ein protektiver Faktor angesehen, neuere Ergebnisse suggerieren jedoch, dass Gewissenhaftigkeit unter unkontrollierbarem Stress unvorteilhaft zu sein scheint. Um diese Hypothese zu überprüfen, haben wir den Einfluss von Gewissenhaftigkeit auf die neuronale und endokrine Antwort in einem fMRT Stress Task untersucht, indem wir Gehirnaktivierung und Cortisolproduktion nach sozialer Bewertung erhoben. 86 Probanden absolvierten kognitive Aufgaben unter Zeitdruck und wurden dabei von einem Expertenteam beobachtet und bewertet. Die Gewissenhaftigkeitswerte wurden mit dem NEO-FFI erhoben. Bei den männlichen Probanden beobachteten wir eine positive Korrelation zwischen Gewissenhaftigkeit und dem Ausmaß der Speichelcortisolproduktion nach dem Stress Task. Zudem korrelierte Gewissenhaftigkeit bei den männlichen Probanden mit der Aktivierung in der linken Insula sowie der rechten Amygdala und vermittelte zusätzlich den Einfluss der Gehirnaktivierung auf die Cortisolproduktion. Solch ein Gehirnaktivierungsmuster kann als weniger vorteilhafte Antwort auf unkontrollierbaren Stress interpretiert werden. Dies ist die erste Studie, die den Effekt von Gewissenhaftigkeit auf die Gehirnaktivierung und Cortisolproduktion in Bezug auf einen unkontrollierbaren psychosozialen Stressor aufzeigt. Unsere Ergebnissen liefern neurobiologische Evidenz für die Hypothese, dass der Persönlichkeitsfaktor Gewissenhaftigkeit nicht nur vorteilhaft ist, sondern eher als eine Eigenschaft gesehen werden sollte, die abhängig von der Kontrolle, die ein Individuum in einer Situation hat, mit Vorteilen oder Nachteilen assoziiert ist.“

In diesem Kontext stellt sich aber dann aktuell die Frage, ob und wie derartige nicht-algorithmische Rechenmodelle für KI überhaupt aufgestellt werden können, denn grundsätzlich sind Algorithmen als einer mathematischen Logik folgende, also darauf fixierte funktionale Bausteine zu sehen, während KI auf selbstlernenden Algorithmen basiert. 

Insofern die KI stochastisch und selbstlernend funktioniert, ahmt sie doch nur aspekthaft das Gehirn nach, so dass einfacher als bei Menschen der Zusammenhang zwischen KI-Software und Roboteraktivitäten untersucht werden kann, zumal beliebige Eingriffe in die Soft- und Hardware möglich sind. In naher Zukunft wird Robotern wohl auch „Persönlichkeit“ zugesprochen werden, wobei mich ja grundsätzlich die leider weit verbreitete Sprachgleichmacherei stört. Statt von „Persönlichkeit“ hielte ich es bei Robotern bspw. für angemessener von Eigenheit zu schreiben. 

Um auf Ströme und Felder zurückzukommen: Der gerade mit dem Nobelpreis geehrte Hopfield ging 1982 ja von magnetischen Materialien aus, wie den Spin-Gläsern, um neuronenähnlich Kognitionen nachahmen zu können:   

https://pro-physik.de/nachrichten/physik-nobelpreis2024

Seine Originalarbeit trug den Titel: "Neural networks and physical systems with emergent collective computationalabilities.“ ABSTRACT "Computational properties of use to biological organisms or to the construction of computers can emerge as collective properties of systems having a large number of simple equivalent components (or neurons). The physical meaning of content-adresable memory is described by an appropriate phase space flow of the state of a system. A model of such system is given, based on aspects of neurobiology but readily adapted to integrated circuits. The colective properties of this model produce content-addressable memory which corectly yields an entire memory from any subpart of suficient size. The algorithm for the time evolution of the state of the system is based on asynchronous parallel processing. Additional emergent collective properties include some capacity for generalization, familiarity, recognition, categorization, error corection, and time sequence retention. The collective properties are only weakly sensitive to details of the modeling or the failure of individual devices.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Robotern und Menschen wird wohl immer Fühligkeit und Empfindsamkeit bleiben, die bei Menschen zur Lebendigkeit gehören und mit allen Kognitionen einhergehen. Menschen denken stets mehr oder weniger beim Fühlen und fühlen mehr oder weniger beim Denken. Empfindungen und Gefühle sind zwar den Menschen individuell eigen, können aber aus ihren Minen und Gesten erahnt, wenn nicht erfühlt oder nachempfunden werden. Insofern versprachlichbar, sind sie auch der KI zugänglich, bleiben dem Innenleben aber so äußerlich wie die Sprache. Aber wohin wird die Integration der Texte mit den Text-To-Sprache, -Bild, -Musik und -Film-Generatoren führen? Zumindest dass Roboter werden nachahmen können, wie in Menschen der Bewusstseinsstrom generiert wird. Nacherleben werden sie des Menschen multimediales Bewusstsein nicht, dafür aber hinsichtlich der Fähigkeit zur Simulation mathematischer Modelle den Menschen weiter unabsehbar den Rang ablaufen.                      

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