Am 24.07.2022 um 01:25 schrieb K. Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Wie gesagt: Die Welt ist mehr als pure (mathematische) Methodik; der von dieser gesteckte Rahmen will/soll mit vielfältigstem Leben gefüllt sein, das nicht mit dürren mathematischen Formeln zu beschreiben ist. Das ist eben das Phänomen der Emergenz - wer wollte an diesen Tagen in Abermilliarden H2O- Molekülen und nicht in erfrischend kühlen Fluten baden!?


Hi Karl, 

„Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.“ Auf dieses Zitat aus Hamlet wird gerne mehr oder weniger direkt Bezug genommen, wenn es um die Wichtigkeit der eigenen Phantasien geht. Erträumen kann ich mir so manches, aber stimmt es auch und taugt es für andere? Gerade unsere Träume und Phantasien legen einen stochastischen Rahmen für eine „Theory of Mind“ nahe; denn sind sie nicht so willkürlich und zufallsbedingt, dass sie angemessen nur in einem mathematischen Wahrscheinlichkeitsraum Platz fänden? Dieser Zufallsuntergrund im Nullpunktsfeld des Universums wie im Unterbewussten eines jeden Menschen gibt für mich die Grundlage. 

Dabei dient die Mathematik aber nur als Vorbild, die sich immerhin über mehr als zwei Jahrtausende ihr hehres Schema: Definition — Satz — Beweis, für das Wissen schlechthin, für das sie einmal stand, bewahrt hat. Darum ging es in der „Schulweisheit“ zu Shakespeares Zeiten allerdings nicht. Es galt was die Pfaffen und sonstigen Autoritäten von den Kanzeln predigten oder in dicken Schwarten niederlegten. Davon wollte auch Shakespeare sich theatralisch lossagen. Die Welt ist mehr als methodisch erreichbar, aber möglichst alles sollte methodisch angenähert werden. 

Ohne Methodik bleibt Weltsicht im Alltag Phantasie und in der Philosophie Begriffsgymnastik. Du kontrastierst das Baden in erfrischend kühlen Fluten mit den wohl um die 10^25 Wassermolekülen, die Dich umspülen — und auch eine Vielzahl von Paramecien dabei sein dürften, wenn es sich um einen Badesee handeln sollte. Dein sprachlich nur sehr grob angedeutetes sinnliches Wohlbehagen ist zu unterscheiden vom strömenden Wasser und den Molekülen, die es hervorbringen. Wie sollten unmethodisch Sprache, Sinnlichkeit, Fluidmechanik und Quantenmechanik zusammenkommen? Verhält sich die Banalität der Sprache zur unendlichen Vielfalt unserer Sinnlichkeit vielleicht wie die Einfachheit der Moleküle zur strömenden Vielfalt des Wassers? Der mathematische Nachweis für die Existenz regulärer Lösungen der Strömungsgleichungen nach Navier und Stokes steht allerdings noch aus — ebenso wie eine vollständige Lösung der Schrödingergleichung für das Wassermolekül, geschweige denn eine Berechnung von Wasser aus 10^25 Molekülen. 

IT