Wie immer, kann ich Vielem des von Dir hier Geschriebenen zustimmen, vornehmlich den an naturwissenschaftlichen Aspekten angelegten Aussagen. Grundsätzlich - und damit nahezu unabänderlich - trennt uns die Sicht auf geisteswissenschaftliche Themen, zu denen Metaphysik und damit natürlich auch Religion gehören. Wenn Du Dich als Nihilist siehst, mag das Deiner Einschätzung entsprechend zutreffen, nicht jedoch meiner, da ich Nihilismus in einem wesentlich weiteren Rahmen definiere, als etwa nur die kritische resp. negierende Einstellung zu religiös oder sonstig ideologisch angelegter Ordnungs- bzw. Gesellschaftssysteme.
Im Kern stellt (konsequenter) Nihilismus ALLES infrage und damit auch jeglichen Bezug auf Sinnhaftigkeit des Lebens. Die seit Menschengedenken bestehende Grundfrage nach dem Sinn des Lebens, bzw. dessen Verursachung ist, unabhängig von dem den Menschen innewohnenden Selbsterhaltungstriebs, die zentrale Überlebensfrage. Menschen, die ihrem bzw. dem Leben an sich keinen Sinn, keinen Zweck (im Sinne eines wozu oder wofür) zuschreiben resp. diesen nicht erkennen können, sind bereits tot, obwohl ihr Körper sie noch durch diese Lebenswelt schleppt.
Lebensglück ist eng mit dem Wissen um Sinnhaftigkeit - eben des Lebens - verbunden und wenn Nihilismus dieses Wissen radikal negiert, werden alle jene die ihm frönen, sehr wenig Lebensglück erfahren. Das zeigt sich in den Vitea von Menschen, die (zumindest zeitweise) dieser Denkrichtung verfallen waren, wie etwa vom Schlage eines Nietzsche.
Doch auch für den Nihilismus gilt wie für alle Überbegriffe, dass er einer Differenzierung bedarf, sobald Zuschreibungen in diese Begrifflichkeit fallen, denn es ist ja nicht nur die grundsätzliche (nahezu doktrinäre) Negierung in Betracht genommener Gegebenheiten, bezogen auf ihr grundsätzliches SEIN (Gorgias: Seiendes existiert nicht!), sondern es sind vornehmlich auch die antimetaphysischen Denkmuster, wie diese in philosophische Debatten ab dem 19. Jahrhundert eingeflossen sind und u.a. vornehmlich auch in die Gedankenwelt russischer Revolutionäre, die zu zerstörender Gewalt gegen die Staatsgewalt anstifteten.
Der weise Goethe drückte es im Faust auf seine Art aus: „alles was entsteht – ist wert, dass es zugrunde geht – drum besser wärs, dass nichts entstünde“. Das lässt mich an Waldemars pessimistische Weltsicht denken und den in Russland zu Teilen populäre Nihilismus, der sich auf seine geistigen Väter damit sich auch auf Turgenjews literarisches Werk „Väter und Söhne“ gründet. Zerstörung – wie sie von Russlands Söhnen soeben betrieben wird.