Am 07.11.2022 um 16:21 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:Bei der Dekohärenztheorie handelt es sich um eine Anwendung der QM, in der Bohmschen Mechanik bspw. kommt sie nicht vor, da sie aus der orthodoxen Darstellung der QM von Neumanns heraus entwickelt wurde. Quantencomputer sollen funktionieren und dazu sind viele Verfahren aus der Festkörperphysik und Informatik erforderlich. Ähnlich ist es ja beim Digitalcomputer, der ebenfalls auf Festkörperphysik und Informatik beruht. Und die Festkörperphysik ist ja bloß eine Anwendung der QM. Und natürlich war Einstein der erste, der die Quantentheorie bereits 1907 auf die Festkörperphysik anwandte in: „Die Plancksche Theorie der Strahlung und die Theorie der spezifischen Wärme.“It‘s all about information, dieses mein Motto treibt Dich wohl um, doch ich treibe Dich noch dahin, damit Dir der Blick darauf weniger schwer fällt. …Zweifelsfrei erweitere ich meinen Blick darauf auch in die Ebene der Metaphysik; zu Deinem Missfallen, aber da kann ich Dir nicht abhelfen und Dir nur raten, entsprechende Beiträge zu überspringen. …Allround statements wie „It‘s all about information“ sind bloße Propaganda, wenn sie nicht prüfbar sind. Metaphysik bleibt für mich an Physik gebunden. Paradebeispiel ist ja Hakens Synergetik, die er weitreichend aus der Lasertheorie entwickelt hat und geradezu schreiben könnte. It‘s all about synergetics! Im Unterschied zu Deiner Propaganda, sind die vielen synergetischen Modelle aber jeweils prüfbar.
Kernpunkte unser Dispute sind bekanntlich die grundsätzlich diametral entgegengesetzten Denkmodelle hinsichtlich eines meinerseits ganzheitlich angelegten und Deinerseits auf „Formalismen“ fixiertem Weltbild. Das schließt einen darauf bezogenen Konsens ebenso grundsätzlich aus.
Soweit wir dennoch darauf bezogene Diskussionen hier weiterführen, werden wir zwar diesen elementaren Unterschied der Weltsichten nicht überwinden, aber im quasi erzwungenen Überdenken der jeweils eigenen Überzeugungen eben diese zu hinterfragen haben.
Wenig dienlich finde ich diesbezüglich Deine bisweilen plakativ abwertende Attitüde gegen Dir nicht eingängige Kernaussagen, etwa mein „it‘s all about information“. Was daran Propaganda sein soll, erschließt sich mir in keinem Fall, allenfalls in Betracht ziehend, dass Du Dich der Verbreitung dieser Dir abwegig anmutenden Aussage grundsätzlich entgegen stellst.
Wesentlicher Inhalt meines Informations-Statements ist an Feynmans „it‘s all about atoms“ angelehnt.
Strophen aus Feynmans Gedicht „stand at the seashore, alone, and start to think“ bilden mir die „Brücke“ von seinem auf mein Statement:
„Stand at the seashore, alone, and start to think.
There are the rushing waves
mountains of molecules
each stupidly minding its own business
trillions apart
yet forming white surf in unison.
Growing in size and complexity
living things
masses of atoms
DNA, protein
dancing a pattern ever more intricate.
Out of the cradle
onto dry land
here it is
standing:
atoms with consciousness;
matter with curiosity.“
Atome als Träger von Information: Tanzende Muster von Atomen, DNA, Protein, Atome mit Bewusstsein; das ist nichts anderes als Information, die Materie in Form bringt.
Feynman hätte genausogut sagen können: it‘s all about information. Da ist nichts mit Propaganda!
Informationstragende Photonen wechselwirken mit Materie, wie das Feynman in seiner Arbeit über light-matter-interaction beschrieben hat. Neben QED vermittelt die Quantenchromodynamik (QCD mit Gluonen als Energieträger) als Theorie der starken Wechselwirkung zwischen Quarks noch eher die Bedeutung von Information durch Farbcodierung.
Neben diesen in ihren Einzelheiten doch sehr komplex theoretischen Überlegungen, Thesen und Hypothesen stellen sich über den üblichen Alltag hinaus denkende Menschen Fragen, wie diese Aussagen zu einem hinreichend gesamtheitlichen Weltbild (ohne Anspruch auf die illusionäre TOE) gefügt werden könnten. Dahin führen verschlungene Wege. Wege, die gelegentlich immer nur von Genies wie Feynman beschritten werden können und davon auf verständliche Weise berichten können. Nur gelegentlich entwickelt sich ein Formalismus (den Du stets forderst) wie z.B das Feynman-Diagramm.
Synergetik „it‘s all about synergetics“ als grundlegender denn Information zu sehen, verbietet sich selbstredend!
Schlichtweg, weil Synergetik kein genuines Prinzip ist, wie Information als entropisches Prinzip (zur Minimierung von Unwissen), sondern die Theorie der Wechselwirkungen von Elementen komplexer nichtlinearer Systeme. Sie befasst sich mit dynamischer, selbstorganisierenden Strukturbildung, wobei Phasenübergänge durch intrinsische Ordnungsparameter gesteuert sind. Diese Ordnungsparameter sind an die Entropie des betrachteten Systems und damit an Informationsmuster gebunden, also ist Information der Synergetik prinzipiell vorgängig.
Das zeigt sich auch im Bereich der Neurowissenschaften bei der gesamtheitlich systemischen Betrachtung (Synergetik) physischer wie psychische Grundfunktionen (Motorik, Perzeption, Gedächtnis, Entscheidungsprozesse, etc.), die allesamt als neuronale Informationsverarbeitung zu sehen sind.
Es kommt also auf die Definitionsebene an. Information als aktionsprägendes Prinzip bestimmt die Struktur von Systemelementen (z.B. des Gehirns/ZNS), ein aus diesen Elementen gebildetes Gesamtsystem ist dann unter dem Gesichtspunkt der Synergetik zu betrachten.
Zu Deiner Frage nach der Quelle meines Bezugs auf C.F.v. Weizsäcker „Das VIELE im EINEN und vice versa“: Weizsäcker beschreibt diesen Zusammenhang in mehreren Schriften und auch Vorträgen.
Konkret habe ich das in seinem Buch „Die Einheit der Natur“ hier vorliegen. Er schreibt, wie ich eben nachgelesen habe, nicht von Verschränkung, sondern von Wechselwirkung.
Nun hast Du mich indirekt wieder auf diese Spur gebracht und muss mir den Abschnitt nochmal durchlesen. Es ist immer wieder verwunderlich: Selbst sicher geglaubte Erkenntnis, die man vor Jahren zu haben schien, relativiert sich, fällt bisweilen sogar in sich zusammen, wenn man sich erneut damit beschäftigt.
Bester Gruß! - Karl
PS: Ach so, noch zu Wittgenstein und Bohm:
it: Wittgenstein wandelte sich vom Logiker zum Umgangssprachler und Bohm vom Physiker zum Metaphysiker — und ähnlich hat sich Barad entwickelt. Aber was ist jeweils vom rationellen Kern erhalten geblieben?
Wittgenstein ist mir als „Umganssprachler“ näher, denn als Logiker und Bohm (was war da noch mit ihm? -
Du sagst, „Bei der Dekohärenztheorie handelt es sich um eine Anwendung der QM, in der Bohmschen Mechanik bspw. kommt sie nicht vor,“
Nun, das mag mit der Unvollständigkeit der QM zusammenhängen, von der auch Bohm ausging. Ich sehe seine Führungswelle nicht als Einzelwelle, sondern als Feld in Superposition residierend, aus dem sich zu jeder Zeit, an jedem Ort eine Dekohärenz ergeben kann, die dem Gesamtfeld keinen Abbruch tut. Admirabilis transitus a potentia ad actum. Leibniz‘ auf Aristoteles zurückgehende Entelechie (Kraft des metaphysischen Punktes als Monade) und damit sind wir wieder bei Metaphysik angelangt: Dir zum Missfallen, mit zum Wohlgefallen.