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Am 02.01.2025 um 17:44 schrieb waldemar hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


lieber karl,

ich erkenne an, und es ehrt Dich ja, wie Du mich mit untenstehendem text zu quasi-missionieren versuchst,
weit hinausgehend über den simplen und recht neuen neuro-befund,
dass das allgeborgenheits-gefühl = das gottgefühl, in unserem verlängerten rückenmark in glücklichen momenten AKTIV erzeugt wird,
also eine interne hirnleistung ist, die wohl auch ALLEN anderen wesen mit uns-ähnlichem gehirnaufbau zukommen dürfte,
und für mich teil der primär immunologisch-basierten selbst-referenz jedes einzelnen lebewesens ist,

das ganze obige nicht schwer zu verstehen, aber offensichtlich schwer bis unmöglich zu GLAUBEN,
stellt es doch ein weiteres mal uns menschen außerhalb unseres selbst-erzeugten anthropozentrismus, also eine weitere kränkung unseres selbstbildes,
dass mensch etwas ganz besonderes sei, unmittelbar unter (einem imaginiertem) gott anzusiedeln usw,
statt auch den menschen wissenschaftlich-richtig als primaten-art aus sternenstaub = sternen-abfall, gebildet anzuerkennen

die alternative ist etwa das narrativ, dass ein gott vor 6000 jahren die welt aus nichts "geschöpft" habe, wie bischof berkeley "entdeckte",
und dass versteinerte ammoniten-meeresbewohner im gestein des himalaya durch eine sintflut dorthin geschwemmt wurden,
was bis heute, und gerade wieder heute vermehrt, GEGLAUBT wird,
und ich verrate dir ein geheimnis, auch ich GLAUBE daran,
denn die geglaubten und auch die rationalen narrative sind beliebig, und es können auch beliebig viele, die sich auf dasselbe beziehen, nebeneinander bestehen,
das ist alles insgesamt nur menschliches gequake und türrilür = geistige mehr oder weniger bebilderte geschichten von zum geschichtenerzählen begabten primaten

Philweb lebt wohl auch in 2025 weiter, zwar leider nur noch von sehr wenigen hier betrieben (so wie‘s momentan aussieht) und wir beide starten wieder mal mit Gott, obwohl gerade das nicht mehr zwischen uns geschehen sollte.

ER scheint uns nicht loszulassen, seltsam eigentlich, denn Du hast mit ihm nichts „am Hut“ und ich hadere mit der üblichen Gottesvorstellung, wie zigfach hier schon beschrieben - Bonhoeffer eben: „Den Gott, den es gibt, den gibt es nicht!“, was doch wirklich nichts anders aussagen soll, als dass das Gottesbild der Menschen samt der damit verbundenen Schöpfungserzählung unzutreffend, bzw. unzulänglich ist. 


Das damit verbundene Problem für den Löwenanteil der Menschheit (religiös orientiert) liegt doch offensichtlich darin, dass die Übergänge zwischen den entsprechenden - auf Metaphorik gründenden - Narrativen mit ihren historisch bedingten Fehlinterpretationen nicht mit den jeweiligen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, insbes. der Evolutionstheorie angepasst wurden und werden. 


Viele Menschen, die derzeit in den klaren Nachthimmel sehen, haben dabei den Eindruck, nach oben zu schauen, obwohl sie nach außen blicken. Diese Täuschung hält trotz kopernikanischer Wende an. Gläubige blicken nach oben, wenn sie sich bekreuzigen, ebenso Krieger, die im Namen eines Gottes dessen Beistand erflehen, um andere Menschen zu töten, bzw. nicht selbst getötet zu werden.


Was ist diesbezüglich von der Epoche der Aufklärung ab ca. 1700 geblieben, wenn in einem sog. hoch entwickeltem Land Millionen Menschen noch dem Kreationismus verhaftet sind oder in der entgegengesetzten Hemisphäre ein Männlein mit einem Kerzchen in Händen den Beistand eines Gottes für sein unsagbar kriegerisches Verbrechen erbittet. Dieses verstehen oder gar erklären zu wollen, dazu fehlen Worte, obwohl sie eigentlich vorhanden sind. 


Das derzeit sich vollziehende geopolitische Geschehen lässt viele Menschen einfach nur verstummen, ebenso wie millionenfach an einen Gott gerichtete Gebete in den Weiten des Kosmos unerhört verhallen; Pure Theodizee!

Oder ist da etwa doch eine Stimme als Antwort zu vernehmen, sofern man diese zu „hören“ vermag: „Wer Ohren hat, der höre!“ (Offb. 2/29). 


Und wieder ist es die Bibel als ein Buch des Lebens, das den Menschen ihr Mensch-Sein vermittelt und klar aufzeigt, dass der Mensch sich vom Tier als geistiges Wesen abhebt. 


Heute bedarf es hierzu nicht mehr dieser Erzählung, sondern ein paar wachsamer Momente im Biologieunterricht. Und für den Religionsunterricht (wo es ihn noch gibt) bedarf es einer neuen Sprache und das Vermögen, überkommene Metaphorik auf Basis geistes-/naturwissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse darzulegen. 

Wie oft habe ich das hier schon geschrieben und auf einen diesbezüglich weiterführenden Dialog gehofft - in vain.


Echter Dialog ist erst möglich, wenn man sich in hinreichendem Einklang (Resonanz) zueinander öffnen kann und dabei das jeweilige Denkmodell eines anderen zu verstehen oder gar zu teilen vermag.


Wenn ein Dialog jedoch über philosophische Grundannahmen hinausführend den Bereich der Metaphysik tangiert oder diesen sogar einnimmt, wird ein rein intellektueller Austausch nahezu unmöglich, da eine damit meist unumgänglich verknüpfte „Rückkehr“ zum Mythos einen konsensuellen Dialog erschwert, bzw. unmöglich macht.


Die Lebens-Wirklichkeit ist immer reicher (Emergenz sic!) als jedes philosophische oder religiöse Konzept und jede interdisziplinäre Verständigung kann deshalb nur auf der unmittelbaren Erfahrung der Lebensrealität und nicht auf intellektuellen Konzepten gründen.


Soweit für den Augenblick. Bester Gruß an Dich und in die Runde!


Karl