Am 27.04.2024 um 05:29 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
Moin Claus,Eine bloß formale Vereinbarkeit der Gegensätze wird nur ein Anfang sein können für weiteres Spekulieren.Es wäre nur ein Taschenspielertrick, beides unter einem Oberbegriff der Erfahrung zusammenzufassen. Man kann aber versuchen, zu zeigen, dass es sich hier (Geist-Materie, Ausgedehntes-Denkendes) nicht um eine wirkliche Unterscheidung handelt.
Im nächsten Schritt wird dann aus der Möglichkeit, dass man sich immer irren kann: "Ich habe also nur meine Wahrnehmung und sonst nichts." Dabei vergisst man, dass der Begriff der blossen Wahrnehmung oder Illusion nur im Zusammenspiel mit dem der Tatsache etwas bedeutet. Die Erfahrungen werden dann nicht mehr überprüft - sehen das andere auch so? befinde ich mich in einem Spiegelkabinett? - sondern die ungeprüfte Erfahrung wird umbenannt, man nennt sie jetzt "Wahrnehmung" mit dem Unterton "subjektiv" (das Gegenstück sind dann prinzipiell unzugängliche erfahrungsunabhängige Gegebenheiten), obwohl das eine Unterscheidung voraussetzt, die man nicht mehr vollzieht.
Der Zusammenhang zwischen Hirnbildern und Empfindungen ist nur ein wahrscheinlichkeitsgewichteter korrelativer, ebenso wir der zwischen gemessenen äußeren Reizen und gespürten inneren Empfindungen. Irgendwo im Gehirn endet das Reizen und beginnt das Gespür. Und wie korreliert dieses mit dem Verhaltens- und Sprachausdruck? Werden aus neuronalen Erregungen Empfindungen so ähnlich wie aus Wassermolekülen Wasser wird? Derartige Analogien verkennen allerdings Anzahlen (über 10^23 Moleküle gegenüber knapp 10^11 Neuronen) und Vernetzungsgrad (Moleküle ww nur lokal, Neuronen über etwa 10^18 Synapsen). Hinsichtlich eines „Quantenhirns“ ließen sich auf molekularer Ebene Verschränkungen annehmen, aber das ist SciFi.So gesehen wären auch Zusammenhänge zwischen Gehirnvorgängen und Empfindungen keine zwischen innerer und äusserer Welt, sondern zwischen zwei Erfahrungen: man sieht die Bilder des bildgebenden Verfahrens und empfindet gleichzeitig.
Fiktionen kommen mir dagegen philosophisch harmlos vor. Ich wüsste nicht, wie man sich da selbst missverstehen könnte. Das ist m.E. ein speziell philosophisches Anliegen: sich selbst nicht misszuverstehen.