Lieber Joseph, 

vielen Dank für Deinen Hinweis, dass es Dir leichter fällt, das Bild von zwei getrennten Quellen (Subjekt und sein Objekt) zu denken als das Bild des Wirbels.

Das Wirbeln hebt die Getrenntheit von Subjekt und Objekt zu Gunsten von etwas Gemeinsamem auf, und dieses Gemeinsame, das gemeinsame Thema, das Sich-wechelseitig-Einverleiben im wechselseitigen Verstehen steht im Zentrum.

Im Zentrum steht also das Verstehen, der verständige Dialog, die Verschmelzung der Horizonte, das Konvergieren, die Resonanz.

Was im Zentrum steht ist somit nicht ein Ding oder ein Subjekt oder ein Objekt, es ist nicht als Fixiertes fassbar, es ist stattdessen die Gemeinsamkeit eines mehrseitigen Vorgehens, deren Klingen, deren Klang, ein zeitweiliger Fokus, ein Einklang auf der Grundlage gemeinsamer Arbeit daran.

Bei Sartres Beispiel stünde im Zentrum des Wirbelns die Gemeinsamkeit dessen, was beide tun: das von beiden geteilte Sehen im Gesehenwerden, der Dialog im Schauen, der Zusammenfluss beider gelebter Perspektive und angebotener Ansichtigkeit im gemeinsamen Schauen und Verstehen.

Das ist deshalb nicht in einem fixen Bild zu erfassen, weil die jeweilige Deutung ein Vorgang ist, eine genuine Dynamik, ein Prozessieren, und das kann nicht in der Form von zwei für sich stehenden und feststehenden Blöcken namens Subjekt und Objekt wiedergegeben werden.

Den Vorgang des Deutens hat die KI als feedback loops bezeichnet, als referenzielle und dabei selbstrefernzielle Dynamik.

Diese feedback loops sind einem schlichten Wirken von A auf B zwischengeschaltet. Auch ein Bedingen ist in meinem Zugang kein einseitiges Wirken. Tatsächlich sind beide Interagierenden im wechselseitigen Verstehen durch feedback loops und deren Iteration miteinander verbunden, durch in beide Richtungen gehende Pfeile, die Anstöße zur jeweiligen Verarbeitung und Einarbeitung geben, als Impulse, die dann verarbeitet werden.

Das ist kein wechselseitiges einfaches Aufeinander Abbilden, und kein direktes Wirken, sondern ein über Deutung und Verstehen vermitteltes Wirken.

So viel wieder auf die Schnelle,

viele Grüße

Thomas

PS: weil behauptet würde, ich würde meine Doktortitel ausstellen: tu ich nicht, ich benutze nur seit je für philweb eine uralte e-mail-Adresse, in der ich damals meinen vollen Namen verwendet habe, weil der einfache "Thomas Fröhlich“ schon vergeben war.

Am 25.02.2025 um 23:40 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Am 25.02.25 um 10:01 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:

> Was soll Philosophie überhaupt noch, wenn die Gegenwart nur drei Sekunden dauert?

Das ist eine gute Frage oder Bemerkung.

> ... wobei ich die Hauptaufgabe der Philosophie im alltagsbezogenen Zusammendenken der Fakten und Theorien sehe.

ungenau gedacht ja. Hauptaufgabe oder nicht: Mit den Aufgaben ist es so wie mit den Fragen, die Person gibt sich Aufgaben und stellt Fragen sekundär, nachdem sich ihr die Fragen stellten. Je nachdem was sie in ihrer Vergangenheit intern akkumuliert hat, entstehen ihr Aufgaben. Das was die Person Tag für Tag macht, gibt es wie bei den Betrachter keinen Fragenstellenden und bei den Aufgaben keinen Aufgabenerteilenden. Ausnahmen: wenn dieser vorhanden ist oder wenn die Person ihn vorhanden denkt, sozusagen als Spielleiter, Chef oder kosmische Kraft. Ich habe gehört, dass ich so schreiben muss, und nicht mehr den alten Mann mit Bart. Klartext, Umwandlung des Satzes des IT:

Es gibt Personen, deren Beschäftigung es ist, Fakten und Theorien zusammen zu denken, so dass sie denken, von ihrem "Beruf" her die entsprechende Aufgabe zu haben, und sie sich mit dem Wort des speziellen Berufs selbstbezeichnen, oder fremdbezeichnen lassen. 

(das nur nebenbei gesagt, als unwichtige Abweichung von der Sache, und doch als vermutlich wertvoller Hinweis, der nicht immer so gedacht wird.)

> ... Sartre ... Das fortwährende Sehen und Gesehen-werden bedeutet ein Pendeln zwischen Subjekt und Objekt, das heißt, die ständige Möglichkeit für ein Subjekt, das mich sieht, sich an die Stelle des von mir gesehenen Objektes zu setzen.

Hier denkt Sartre mit dem "pendeln" so wie TF mit dem "wirbeln" gemeinsam mit einer Metapher. Jedoch ist mir Sartres Bild besser denkbar ist, weil es irgendwie zwischen zwei Sachen hin und her geht, beim "wirbeln" fällt es mir sehr schwer, etwas Entsprechendes zu denken.

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Am 25.02.25 um 16:51 schrieb waldemar hammel über PhilWeb

vieles im Nachtrag zu den Entdeckungen, die vermutlich von Ludwig von Bertalanffy ausgingen. Es ist korrekt, dieses Wissen immer vorhanden zu haben. Kinder können schon die Antwort geben, warum Bäume eine bestimmte Höhe haben, warum das Herz kleiner Tiere schneller schlägt und welche Sachen es sind, die wirken, dass jedes Lebewesen ein bestimmtes ungefähres Maximalalter erreicht.  WH hat das alles noch gründlicher nachgedacht.

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Vielen Dank für die Ausführungen von allen Seiten.

JH


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