Am 23.04.2024 um 08:17 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
kj: Darüber haben wir uns ja schon ausgetauscht, lieber Waldemar. Deine Ablehnung jeglich prädisponierter Festlegung auf eine – wie auch immer geartete – Gesetzhaftigkeit beruht vornehmlich
... Das "darüber haben ..." ist fehl am Platz. Du kennst sicher Personen, die krank sind und immer wieder sagen, welche Stelle ihnen weh es tut, usw. Dann wäre es fehl am Platz, der Person zu sagen, dass sie eben empfindlicher ist als andere, von wo der Schmerz genau kommt, dass er über die Nervenbahnen kommt, und warum sie die Person krank ist usw. Dann setzt du ein anderes Thema dazu, worum es der Person gar nicht ging. Es wäre so wie eine Gesprächspsychoanalyse, das Resultat einer Untersuchung der "Psyche" oder des "Geistes" und des "Körpers" des anderen.
Wenn A dem B sagt, dass es kein X gibt, dann kann B das erst mal nur zur Kenntnis nehmen. Das X ist ja dann schon in seinem Denken des A, er hat es ja nicht erfunden. Wenn C, der dem D sagt, dass es ein Y gibt, kann D dies auch erst mal nur zur Kenntnis nehmen. Auch ist X im Denken des C vorhanden, und D kann es erst mal nur zur Kenntnis nehmen. In beiden Fällen ist der Ausgangspunkt, dass die Sache X dem A irgendwie vorliegt und Z irgendwie dem C. Das ist ein Ausgangspunkt, und das Gespräch kann beginnen. Als zweites entsteht die Frage, wo, wann die eine der Personen (A, C) die Sache (X,Y) zuerst hatte. Die dritte Frage ist, ob die Person zuerst das Wort hatte, bevor sie die Sache hatte, oder umgekehrt. ... (Hier kommt viel dazwischen) ... Und irgendwann kommt es dazu, dass der eine den (ja, den!) anderen lernen muss, oder aber sein Gelerntes, Gemeintes. Wenn er dazu nicht bereit ist, ist Hopfen und Malz verloren. ... Vielleicht ist das alles nicht so gut gesagt oder geschrieben. Es steht zur Bearbeitung frei.
Würde ich Deinen Regeln von Konversation folgen müssen, könnte ich in meiner mir eigenen Art der Wort- und Satzgestaltung nicht mehr hier mitmachen. Die Zeit, wo ich mich dem schulischen Diktat von lehrenden Germanisten unterordnen musste, ist glücklicherweise vorbei. Dir mag es neben dem strengen Blick auf solche Strukturen vor allem um Vermittlung gehen und darum, dass man die Meinung eines anderen hinzunehmen hat:
JH: „Wenn A dem B sagt, dass es kein X gibt, dann kann B das erst mal nur zur Kenntnis nehmen….“
Zur Kenntnis nehmen ist selbstredend Voraussetzung für einen irgendwie gearteten Dialog. Diesen jedoch im Sinne einer gemeinsamen Auseinandersetzung hinsichtlich einer getätigten Aussage weiterzuführen, bedingt doch geradewegs die Fortsetzung eines Diskurses. Und soweit es sich nicht um eine axiomatisch gesicherte Aussage handelt, steht alle weitere Thematik für eine Diskussion offen.
Wenn Waldemar postuliert, es gibt keine Naturgesetze, stellt er sich damit gegen eine in der Naturwissenschaft etablierte Tatsache, dass es eben eine Gesetzlichkeit im Naturgeschehen gibt, dieses jedoch nicht im absoluten Sinn, sondern als Ergebnis wissenschaftlicher Beobachtung, die von einer Regelmäßigkeit im Wirken der Natur, resp. in deren Verhaltensformen zu erkennen ist. Und eben aus dieser Regelmäßigkeit leitet man eine Gesetzmäßigkeit ab, die zur Annahme der Existenz von Naturgesetzen führte. Unter diesen versteht die Wissenschaft i.A. die Naturordnung an sich, resp. die strukturelle Ausformung von Natur, damit von Welt und Kosmos. Diese üblicherweise als Gleichungen dargestellte Gesetzlichkeit bezieht sich zumeist auf quantitative Verknüpfungen, resp. Wechselwirkungen zwischen real zu beobachtenden, bzw. lediglich vermuteten Phänomenen der Lebenswelt.
Waldemar geht es nicht vorrangig um die Leugnung dieser Zusammenhänge, also die unbestreitbare Tatsache, dass Natur in ihrem Verhalten Regelmäßigkeiten konkret beobachtbarer Systeme zeigt, sondern im Grunde doch nur darum, jegliche diesem Naturgeschehen primordial vorgängige (gar von einem Gott initiierte) Gesetzlichkeit abzustreiten. Das ist eine zu akzeptierende Meinung, mit der er sich u.a. auf Figuren der Zeitgeschichte, wie z.B. Ernst Mach, diesem großartigen Wissenschaftler, bezieht und Waldemar sich zudem bei diesem in guter Gesellschaft hinsichtlich dessen Atheismus wähnt, denn E. Mach hat sich in erster Linie und völlig zurecht gegen das unselige Pfaffentum seiner Zeit aufgelehnt.
Waldemars Argumentation hinsichtlich seiner Sicht auf Naturgesetzlichkeit ist definitiv nicht von der Hand zu weisen, denn die damit von mir o.a. Regelmäßigkeit beschreibt er als „aus Entropie emergierende (sic!) Thermodynamik. Und damit ist erklärt, dass alles Leben von seinem Beginn bis zum Ende nach dieser Gesetzlichkeit (HS d. ThD) abläuft. Und seine diesbezügliche Rede von „gebahnten Wechselwirkungsketten“ trifft selbstverständlich den Kern der Sache. Es ist wie immer einer Frage der Perspektive, aus welcher man auf diese Zusammenhänge sieht.
Ohne nun auf weitere Details dieser Weltsicht einzugehen, liegt der Unterschied zwischen seinem und meinem diesbezüglichen Denkansatz darin, dass ich nach der Ursache, nach der Idee dahinter frage und zufolge meiner christlichen Sozialisation diese einer transzendenten Wesenheit zuschreibe. Und selbst hier möchte ich mich eigentlich nicht auf eine Entität festlegen, sondern eher auf die von Ingo T. übernommene Formulierung „kosmische Intelligenz“. Das hat Waldemar heftig kritisiert. Aus alldem zu schließen, ich würde als Katholik unbeirrt an jener naiven Schöpfungsgeschichte festhalten (gar noch am Ende nahe dem Kreationismus), ist völlig abwegig. Wie kann ein Mensch heute noch, bei hinreichend naturwissenschaftlicher Ausbildung das metaphorisch angelegte Weltbild hegen, welches zu seiner Zeit aber die einzige Möglichkeit zur Erklärung von Welt und Kosmos den Menschen verfügbar war? Dennoch wird hier mein Christsein antizipierend mit eben dieser naiven Vorstellung assoziiert. Das ist, Deiner Hinwendung zum Lachen folgend, eben nur noch lächerlich!
Mir steht der Sinn wirklich nicht mehr danach, auch nur noch wenige Sätze zu Gottesvorstellungen, zu Schöpfungserzählungen und damit verbundener Metaphysik hier vorzubringen. Da ist alles gesagt, ganz in Nietzsches Ansinnen: „Für Alle und Keinen“.
Um nochmal auf Naturgesetze und Waldemars diesbezügliche Argumentation zurück zu kommen, wonach diese Gesetzlichkeit nicht per se, also nicht primordial, resp. prädisponiert angelegt sei, sondern sich ständig quasi bedarfsorientiert neu entwickelt, somit also streng dem Evolutionsprinzip folgt: Dieser Denkansatz schließt m.E. nicht die Berechtigung aus, nach dem Ursprung einer Idee zu fragen, die hinter diesem grandiosen Prinzip steht. Für die einen stellt sich diese Frage, für die anderen eben nicht. Selbstredend sind die verschiedensten Antworten auf diese Frage gegeben und es liegt an jedem einzelnen Menschen, sich sein eigenes Bild, je nach Vermögen zu formen. Dann jedoch ein derartiges Bild als allgemeingültig, gar als Dogma zu postulieren, ist nach heutiger Kenntnis der Natur- wie auch Geisteswissenschaften unredlich. Die nicht konkreter Sicht und Messung zugängliche Welt ist und bleibt – bis auf weiteres – Metaphysik, ob man diese persönlich anerkennt oder eben nicht.
KJ