Am 11.06.22 um 17:13 schrieb Ingo Tessmann:

Hi Karl, 

Wollte Wheeler etwa Existenzphilosophie betreiben? In seiner Originalarbeit von 1989 heißt es im Abstract: "This report reviews what quantum physics and information theory have to tell us about the age-old question, How come existence? No escape is evident from four conclusions: (1) The world cannot be a giant machine, ruled by any preestablished continuum physical law. (2) There is no such thing at the microscopic level as space or time or spacetime continuum. (3) The familiar probability function or functional, and wave equation or functional wave equation, of standard quantum theory provide mere continuum idealizations and by reason of this circumstance conceal the information-theoretic source from which they derive. (4) No element in the description of physics shows itself as closer to primordial than the elementary quantum phenomenon, that is, the elementary device-intermediated act of posing a yes-no physical question and eliciting an answer or, in brief, the elementary act of observer-participancy. Otherwise stated, every physical quantity, every it, derives its ultimate significance from bits, binary yes-or-no indications, a conclusion which we epitomize in the phrase, it from bit."

Wheeler meinte mit „it“ also physikalische Größen. Menschliche oder allgemein ontologische Existenz hat er nicht gemeint. Dass es überhaupt irgend etwas gibt da draußen, setzen Physiker  zumeist voraus. Zur Orientierung geht er dann von drei Fragen aus. How come existence? How come the quantum? How come "one world" out of many observer-participants?

Nun möchte ich nochmal etwas genauer auf diesen von Dir hier zitierten Passus aus Wheelers Schrift  eingehen, aus dem Du heraus liest, Wheeler würde dem „it“ seines berühmten Ausspruchs: „it from bit“ physikalische Größen meinen.

Natürlich bezieht sich Wheelers „it“ auf ein bzw. alles im Universum physikalisch Existierendes; für ihn war jedoch elementare Erkenntnis, dass diesem ein Informationsprozess zugrunde liegt, wie es an anderer Stelle so wiedergegeben wird:
„it from bit - everything thing in the universe – ervery "it" actually emerges from an underlaying information process“

Diese Präzisierung ist bedeutsam für das Verständnis von Wheelers (für ihn typischen, an Beispielen des praktischen Lebens orientierte) Aussagen, wie etwa auch die Wechselbeziehung von Raum und Zeit:
„Der Raum sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie sagt dem Raum, wie er sich krümmen muss.“

Wheeler war lebensnah genug, um die Existenz von Raum-Zeit als untrügliches Faktum anzuerkennen, um dennoch bei seinen drei berühmten Fragen nach dem Wesen von Welt und Universum zu sehr unorthodoxen Aussagen zu gelangen. Das mag an dieser von ihm wahrgenommenen Dichotomie gelegen haben, wonach das Universum sich zwar als aus einfachen Grundelementen aufgebaut  (da war er dann eben nicht weit von E.Mach entfernt) zeigt, dabei aber auch mit höchst seltsamen Erscheinungen. Das Universum ist so einfach wie auch seltsam (sinngemäß).

Letztendlich ging er wohl von einer erstaunlichen „Einfachkeit des Universums“ aus, eine Gegebenheit, die der Mensch wohl erst als Wahrheit annehmen würde, wenn sie definitiv als solche erkannt hat.

Und so prägte er einen weiteren seiner berühmten Sätze (sinngemäß wiedergegeben): Wahrheit ist erst dann Wahrheit, wenn sie als solche erkannt wird (sinngemäß).  Wheelers Prozess der Wahrheitsfindung (wie ich ihn zuletzt erwähnte)  führte zu seiner Erkenntnis, dass die Welt aus Ja/Nein-Entscheidungen und ihrer Registrierung aufgebaut ist: Der Ursprung von Allem liegt in der Information. Alles Dinghafte im Universum – jedes Ding („it“) entsteht tatsächlich aus einem zugrunde liegenden Informationsprozess.

Da kann es nicht verwundern, wenn Wheelers Schüler R. Feynman sagt "All things are made of atoms—little particles that move around in perpetual motion, attracting each other when they are a little distance apart, but repelling upon being squeezed into one another. In that one sentence … there is an enormous amount of information about the world."

Davon abgeleitet und deshalb ist und bleibt mein Lieblingsspruch: „it‘s all about information“.

Einerlei, was Einstein, W. Busch oder eben auch Du, Ingo mir darauf zur Antwort gibt.

Im Sinne Wheelers: „Ein Tag ohne neue Erkenntnis ist ein verlorener Tag" ist es allemal wert, sich weiterhin mit den von Dir zuletzt aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen. Und wenn man diese auch mit Wilhelm Busch sehr trefflich in lebensnahen Märchen metaphorisch abhandeln könnte,  oder im Sinne von Religion blind glaubend deren Erklärungen folgen wollte: Für den einen oder anderen bleiben Fragen anderer Art und vor allem die nach wirklicher Erkenntnis.

Wenn nun das Universum  - somit auch unsere Lebenswelt im Grunde sehr einfach gestrickt sind, so würde man nach Wheeler eigentlich auch erwarten, mit einfachen Ja/Nein-Fragen die „JA/Nein-Entscheidungen dieser Welt und damit deren Geheimnisse zu ergründen. Das Problem dabei ist nur: Falsche Frage –> falsche Antwort. Fragt man also falsch, kann man wohl solange vergeblich fragen bis sich Raum und Zeit in Quantenschaum auflösen. Dann ist‘s vorbei mit Fragen nach Kausalität, nach Raumzeit, nach Geometrie. In letzterer tummeln sich dann nur noch Quanten auf dem Niveau der Planck-Länge.

So bleibt - wie seit eh und je - die Frage: Fragen wir Menschen die richtigen Fragen?

Beste Grüße! - Karl





Und zu seinem Motto führt er dann weiter aus: "It from bit symbolizes the idea that every item of the physical world has at bottom — at a very deep bottom, in most instances — an immaterial source and explanation; that what we call reality arises in the last analysis from the posing of yes-no questions and the registering of equipment-evoked responses; in short, that all things physical are information-theoretic in origin and this is a participatory universe.“ 

Frieden hätte sein 1998 erschienenes Buch „Physics from Fisher Information“ mit Wheelers Motto untertiteln können, denn auch er geht wie wohl alle am Experiment orientierten Physiker davon aus, dass die Unbestimmtheit beim Messen zu minimieren sei. Der Statistiker Fisher hatte seinerzeit ein Unbestimmtheitsmaß definiert, das später Fisher-Information genannt wurde. Informations-Definionen gibt es viele, deshalb halte ich den inflationären Gebrauch des Wortes „Information“ für belanglos und jeweils eher ideologisch bedingt. Worum es in der Physik geht, ist die Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Vorhersage von Messergebnissen. Damit wird jede quantitativ-empirische Wissenschaft zur angewandten Mathematik. 

Wheeler geht mit seiner Vision vom Universum, das erst in den in ihm entstehen Beobachtern entsteht, noch wesentlich weiter. Aber auch das bleibt Mathematik. Damit hat er sich weit von Mach entfernt, der ja Positivist war und in der Mathematik lediglich eine nützliche Denkökonomie sah. Unsere Empfindungen wie die Mess-Wechselwirkungen basieren letztlich auf dem Austausch von Wirkungsquanten, die im Photon zugleich Energie und Zeit hervorbringen. Dabei wäre es doch interessant einmal im Detail zu vergleichen, wie in unserm Leib aus Photonen Empfindungen werden und im Detektor aus Photonen Zahlen. Gibt es vielleicht sogar so etwas wie eine Mikroschnittstelle zwischen Gehirn und Bewusstsein? Denn schon einfache „passende“ Chemikalien lassen uns das Bewusstsein verlieren. Und alle chemischen Reaktionen beruhen ja letztlich auf elektromagnetischer WW. 

IT