Hi Karl,
Wollte Wheeler etwa Existenzphilosophie betreiben? In seiner Originalarbeit von 1989 heißt es im Abstract: "This report reviews what quantum physics and information theory have to tell us about the age-old question, How come existence? No escape is evident from four conclusions: (1) The world cannot be a giant machine, ruled by any preestablished continuum physical law. (2) There is no such thing at the microscopic level as space or time or spacetime continuum. (3) The familiar probability function or functional, and wave equation or functional wave equation, of standard quantum theory provide mere continuum idealizations and by reason of this circumstance conceal the information-theoretic source from which they derive. (4) No element in the description of physics shows itself as closer to primordial than the elementary quantum phenomenon, that is, the elementary device-intermediated act of posing a yes-no physical question and eliciting an answer or, in brief, the elementary act of observer-participancy. Otherwise stated, every physical quantity, every it, derives its ultimate significance from bits, binary yes-or-no indications, a conclusion which we epitomize in the phrase, it from bit."
Wheeler meinte mit „it“ also physikalische Größen. Menschliche oder allgemein ontologische Existenz hat er nicht gemeint. Dass es überhaupt irgend etwas gibt da draußen, setzen Physiker zumeist voraus. Zur Orientierung geht er dann von drei Fragen aus. How come existence? How come the quantum? How come "one world" out of many observer-participants?
Nun möchte ich nochmal etwas genauer auf diesen von Dir hier
zitierten Passus aus Wheelers Schrift eingehen, aus dem Du heraus
liest, Wheeler würde dem „it“ seines berühmten Ausspruchs: „it
from bit“ physikalische Größen meinen.
Natürlich bezieht sich Wheelers „it“ auf ein bzw. alles im
Universum physikalisch Existierendes; für ihn war jedoch
elementare Erkenntnis, dass diesem ein Informationsprozess
zugrunde liegt, wie es an anderer Stelle so wiedergegeben wird:
„it from bit - everything thing in the universe – ervery "it"
actually emerges from an underlaying information process“
Diese Präzisierung ist bedeutsam für das Verständnis von Wheelers
(für ihn typischen, an Beispielen des praktischen Lebens
orientierte) Aussagen, wie etwa auch die Wechselbeziehung von Raum
und Zeit:
„Der Raum sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die
Materie sagt dem Raum, wie er sich krümmen muss.“
Wheeler war lebensnah genug, um die Existenz von Raum-Zeit als
untrügliches Faktum anzuerkennen, um dennoch bei seinen drei
berühmten Fragen nach dem Wesen von Welt und Universum zu sehr
unorthodoxen Aussagen zu gelangen. Das mag an dieser von ihm
wahrgenommenen Dichotomie gelegen haben, wonach das Universum sich
zwar als aus einfachen Grundelementen aufgebaut (da war er dann
eben nicht weit von E.Mach entfernt) zeigt, dabei aber auch mit
höchst seltsamen Erscheinungen. Das Universum ist so einfach wie
auch seltsam (sinngemäß).
Letztendlich ging er wohl von einer erstaunlichen „Einfachkeit des
Universums“ aus, eine Gegebenheit, die der Mensch wohl erst als
Wahrheit annehmen würde, wenn sie definitiv als solche erkannt
hat.
Und so prägte er einen weiteren seiner berühmten Sätze (sinngemäß
wiedergegeben): Wahrheit ist erst dann Wahrheit, wenn sie als
solche erkannt wird (sinngemäß). Wheelers Prozess der
Wahrheitsfindung (wie ich ihn zuletzt erwähnte) führte zu seiner
Erkenntnis, dass die Welt aus Ja/Nein-Entscheidungen und ihrer
Registrierung aufgebaut ist: Der Ursprung von Allem liegt in der
Information. Alles Dinghafte im Universum – jedes Ding („it“)
entsteht tatsächlich aus einem zugrunde liegenden
Informationsprozess.
Da kann es nicht verwundern, wenn Wheelers Schüler R. Feynman sagt
"All things are made of atoms—little particles that move around in
perpetual motion, attracting each other when they are a little
distance apart, but repelling upon being squeezed into one
another. In that one sentence … there is an enormous amount of
information about the world."
Davon abgeleitet und deshalb ist und bleibt mein Lieblingsspruch:
„it‘s all about information“.
Einerlei, was Einstein, W. Busch oder eben auch Du, Ingo mir
darauf zur Antwort gibt.
Im Sinne Wheelers: „Ein Tag ohne neue Erkenntnis ist ein
verlorener Tag" ist es allemal wert, sich weiterhin mit den von
Dir zuletzt aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen. Und wenn man
diese auch mit Wilhelm Busch sehr trefflich in lebensnahen Märchen
metaphorisch abhandeln könnte, oder im Sinne von Religion blind
glaubend deren Erklärungen folgen wollte: Für den einen oder
anderen bleiben Fragen anderer Art und vor allem die nach
wirklicher Erkenntnis.
Wenn nun das Universum - somit auch unsere Lebenswelt im Grunde
sehr einfach gestrickt sind, so würde man nach Wheeler eigentlich
auch erwarten, mit einfachen Ja/Nein-Fragen die
„JA/Nein-Entscheidungen dieser Welt und damit deren Geheimnisse zu
ergründen. Das Problem dabei ist nur: Falsche Frage –> falsche
Antwort. Fragt man also falsch, kann man wohl solange vergeblich
fragen bis sich Raum und Zeit in Quantenschaum auflösen. Dann
ist‘s vorbei mit Fragen nach Kausalität, nach Raumzeit, nach
Geometrie. In letzterer tummeln sich dann nur noch Quanten auf dem
Niveau der Planck-Länge.
So bleibt - wie seit eh und je - die Frage: Fragen wir Menschen
die richtigen Fragen?
Beste Grüße! - Karl
Und zu seinem Motto führt er dann weiter aus: "It from bit symbolizes the idea that every item of the physical world has at bottom — at a very deep bottom, in most instances — an immaterial source and explanation; that what we call reality arises in the last analysis from the posing of yes-no questions and the registering of equipment-evoked responses; in short, that all things physical are information-theoretic in origin and this is a participatory universe.“
Frieden hätte sein 1998 erschienenes Buch „Physics from Fisher Information“ mit Wheelers Motto untertiteln können, denn auch er geht wie wohl alle am Experiment orientierten Physiker davon aus, dass die Unbestimmtheit beim Messen zu minimieren sei. Der Statistiker Fisher hatte seinerzeit ein Unbestimmtheitsmaß definiert, das später Fisher-Information genannt wurde. Informations-Definionen gibt es viele, deshalb halte ich den inflationären Gebrauch des Wortes „Information“ für belanglos und jeweils eher ideologisch bedingt. Worum es in der Physik geht, ist die Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Vorhersage von Messergebnissen. Damit wird jede quantitativ-empirische Wissenschaft zur angewandten Mathematik.
Wheeler geht mit seiner Vision vom Universum, das erst in den in ihm entstehen Beobachtern entsteht, noch wesentlich weiter. Aber auch das bleibt Mathematik. Damit hat er sich weit von Mach entfernt, der ja Positivist war und in der Mathematik lediglich eine nützliche Denkökonomie sah. Unsere Empfindungen wie die Mess-Wechselwirkungen basieren letztlich auf dem Austausch von Wirkungsquanten, die im Photon zugleich Energie und Zeit hervorbringen. Dabei wäre es doch interessant einmal im Detail zu vergleichen, wie in unserm Leib aus Photonen Empfindungen werden und im Detektor aus Photonen Zahlen. Gibt es vielleicht sogar so etwas wie eine Mikroschnittstelle zwischen Gehirn und Bewusstsein? Denn schon einfache „passende“ Chemikalien lassen uns das Bewusstsein verlieren. Und alle chemischen Reaktionen beruhen ja letztlich auf elektromagnetischer WW.
IT