Könnte man nicht der (sicherlich normalerweise etwas leichtfertigen) Rede vom „Verfließen der Zeit“ trotzdem einen Sinn abgewinnen, indem man darauf verweist, daß sie eben nicht, wie für die Naturwissenschaftler, ein objektiver Rahmen, eine Hintergrundkonstante oder so etwas, sondern (auch und zumeist) eine subjektive Größe, „gelebte Zeit“, und insofern eine endliche Größe, die wenn sie nicht „fließt“, dann aber doch „verfließt“, also: schrumpft, schmilzt, abnimmt, zu „Ende“ geht? War das nicht Heideggers radikal-subjektiv-existentialistischer Rückbezug von Zeit auf „Sein“? Zeit „fließt“ dann in dem gleichen herakliteischen Sinn wie ein Fluß eben „fließt“: natürlich sind die Wasserpartikel nicht „verloren“, irgendwann kehren sie vermutlich wieder, über verschiedene Aggregatszustände, und in diesem Sinne sind wir irgendwie immer „vom gleichen Wasser umgeben“, aber doch nur, wenn wir uns ganz abstrakt-holistisch-naturalistisch, mit einem God-eye´s view, betrachten. Warum sollte man das tun? Die lebensweltliche Wahrheit ist, daß dieser aktuelle Fluß, vor dem ich jetzt stehe und in den ich steigen kann, nie mehr so sein wird wie gerade jetzt. So ist es auch mit der Menschenzeit: sie fließt eben (weg). Nicht das „alltägliche Zeiterleben ist eine Art Ideologie“, sondern anders herum: alle auf diesem primären Zeitverständnis abgeleiteten naturwissenschaftlichen und metaphysischen Zeitkonzepte sind Projektionen, Extrapolationen, Verfremdungen von dann plötzlich nicht mehr fließender, sondern stillstehender Zeit.
Hätte ich mal probehalber gesagt.

JL

 

Von: waldemar hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>
Gesendet: Samstag, 17. August 2024 13:40
An: PhilWeb <philweb@lists.philo.at>
Cc: waldemar hammel <waha3103x@googlemail.com>
Betreff: [PhilWeb] Re: Gewalt ist (k)eine Lösung?

 



Am 15.08.2024 um 23:24 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:

Mir scheint jedoch, Du glaubst an Wiedergeburt (Deine Nähe zum Buddhismus?), denn warum grämst Du Dich, was hier auf diesem Erdenkügelchen in Millionen Jahren ablaufen wird?

 


spektrum-artikelchen zum "rätselhafte fluss der zeit" - buddhismus ohne zeit - "anfang, ende, und das zwischendurch der welt" aus "zeitlicher" perspektive

("gestern habe ich mir ein kleid gekauft, und morgen muss ich rasen mähen, erzählt frau schnippel ihrer buddhisten nachbarin, während sie beide im augenblick auf dem sofa fläzen und kaffee trinken)

https://www.spektrum.de/magazin/der-raetselhafte-fluss-der-zeit/829474#:~:text=Weil%20die%20meisten%20Vorg%C3%A4nge%20in,Vergangenheit%20in%20die%20Zukunft%20weist.

* anmerks dazu:

(1)
"ewigkeit" gibts (mindestens) zwei arten:
- als einen gedachten unendlichen vorrat an "zeit"
- als das gedachte nicht-existieren von "zeit" ("zeit-los")

(2)
auch ilya prigogine (im artikel erwähnt) ist in seinem "brüsselator"-modell dem irrtum aufgesessen, "information" für DIE bestimmungsgröße (der entropie) zu halten
(zuerst wissen leute nicht, von was/über was sie denken/reden, und daraus folgend wissen sie nicht, was sie weiterdenken/weitertheoretisieren und tun)

(3)
aus sicht der planck-größen (planck-wechselwirkungen-welt) ist die quantenmechanik ebenfalls (noch) genauso voll-deterministisch, wie unser alltag, obwohl sie sich gegenteilig geriert

(4)
schuster, bleib bei deinen leisten: man soll/muss/müsste den "entropie-begriff" ganz hart auf seine def-basics beschränken, und darf ihn keinesfalls überstrapazieren (wie im beispiel mit dem fallenden ei),
sonst gerät die sache zur puren faselei ohne inhalt - zb lässt sich ein zerplatztes ei am boden auch als wesentlich "höhere"/komplexere form von ordnung beschreiben (mit viel mehr enthaltener "information"), als das vorher intakte ei, es kommt in diesem fall nur darauf an, wie ich halt "ordnung" definieren will - ist klar, eine sauber gemähte wiese kommt dem neurotiker in seiner wahrnehmung eindeutig ordentlicher vor, als dieselbe wiese vorher mit kräutern und "unkräutern" zusammen, was aber objektiv nicht stimmt, denn "neurotische ordnung" unterscheidet sich von "natürlicher (und weit komplexerer) ordnung" halt erheblich

(5)
im artikel grotesk-falsch ausgedrückt:

" Weil die meisten Vorgänge in der Natur solche ­irreversiblen physikalischen Prozesse sind, SORGT der Zweite Hauptsatz für eine augenfällige Asymmetrie zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Zeitachse erhält dadurch eine Richtung, den so genannten Zeitpfeil, der von der Vergangenheit in die Zukunft weist. " - nicht der 2. hauptsatz SORGT für irgendetwas (genau so werden irrigerweise natur"gesetze" konstruiert, wo garkeine sind), sondern man hat versucht, beobachtungen an der natur als rein-sprachliche konvention in form dieses "hauptsatzes" zusammenzufassen => beachte die regeln der sprache tunlichst, sonst rutschst du auf ihr aus wie auf glatteis

(6)
schön beschrieben im artikel:

"Auch manche Philosophen sind zu demselben Schluss gekommen, als sie untersuchten, was wir normalerweise mit dem Verrinnen der Zeit meinen. Sie behaupten, die Vorstellung sei in sich widersprüchlich. Der Begriff des Fließens habe schließlich mit Bewegung zu tun. Es ist zwar sinnvoll, von der Bewegung eines physikalischen Objekts – etwa eines Pfeils durch den Raum – zu reden, denn man kann beobachten, wie sein Ort mit der Zeit variiert. Aber welche Bedeutung lässt sich der Bewegung der Zeit selbst zuweisen? Relativ wozu bewegt sie sich? Während die übliche Art von Bewegung einen physikalischen Prozess mit einem anderen in Beziehung setzt, bezieht der vermeintliche Zeitfluss die Zeit auf sich selbst. Schon die einfache Frage »Wie schnell vergeht die Zeit?« offenbart die Absurdität dieser Idee. Die triviale Antwort »Mit einer Sekunde pro Sekunde« besagt überhaupt nichts." => unser zeitverständnis im alltag ist ein "abgeschlossenes system", weil es als gedankenkonstrukt auf sich selbst rückgekoppelt ist = sich selbst solcherart "endbegründet", daher unser alltägliches zeiterleben eine art von ideologie (und daher zwar alltags-nützlich, aber genauer-hingesehen schlicht unsinnig/falsch)/ und interessanter wird das noch, wenn man bedenkt, und die folgen davon, dass eine sec "uhrzeit" aus ca 10^45 planck"sekunden" besteht, zu denen es vertrakter weise keine milli-sec usw gibt

wh.

 

Das Bild wurde vom Absender entfernt.

Virenfrei.www.avast.com