Am 24.02.2025 um 22:54 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Hier wird Philosophie zur Sklavin, gefällt dir das? Oder denkst du etwa eher an die phantastische Seite dessen was mit "Philosophie" gedacht werden soll? IT würde dann vielleicht ein Wort wie "Ideologie" einsetzen, oder ein anderes. Und wie ist es mit dem Geistigen oder Geistlichen, Karl, ist das wirklich mit dem zu vereinbaren, was WH, TF, IT denken? Das wäre doch ein schöner den Frieden schaffender Konsens! Was wäre demnach zu tun? 


Hi JH, 

Was soll Philosophie überhaupt noch, wenn die Gegenwart nur drei Sekunden dauert? 


Der Kommunikator Philippe Patra am Forschungszentrum Jülich bezieht sich auf den Neurowissenschaftler Hudson Hoagland und den Psychiater und Zeitgefühlsforscher Kai Vogeley:

https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/effzett/2024/wie-die-zeit-vergeht

Im November 2020 hatte ich zur Gegenwartszeit verwiesen auf:  "Synaptic clock as a neural substrate of consciousness“

https://arxiv.org/pdf/2002.07716.pdf

Darin fasst Bartosz Jura den neuronalen Zeittakt hinsichtlich des Bewusstseins wie folgt zusammen: "To sum up, in the present paper we considered the temporal aspect of consciousness from an evolutionary-ecological perspective, and proposed (1) a synthesis of certain elements of different current theories, (2) that synaptic clock might constitute a content-specific neural substrate of consciousness, (3) that many moments of subjective time, with different durations, might be considered to operate in ‘parallel’, (4) continuous change as the dimension of consciousness, accounting thus for the subjective experience of time flow.“ Demgegenüber geht es Kai Vogeley um eine Theorie des Zeiterlebens und darum, „welche Rolle das Zeiterleben für das menschliche Wohl­befinden spielt und welche Zusammenhänge es zwischen Hirnaktivität und Zeiterleben bei psychischen Erkrankungen gibt.“ 

Offensichtlich gibt es viele neuronale Taktgeber und Zeitfenster, die gewichtet parallelverarbeitet zur gefühlten Gegenwart beitragen. Was kann die Messung eines einzelnen Flaschenhalses darüber aussagen? Wie gemessene und gefühlte Gegenwart zusammenhängen, wird in der Psychophysik untersucht, der Philosophie bleibt die Interpretation; wobei ich die Hauptaufgabe der Philosophie im alltagsbezogenen Zusammendenken der Fakten und Theorien sehe. Wie hängen bspw. Sartres Blickphilosophie und Jordings Diss. "The Ascription of Intentions in Gaze-Contingent Social Encounters“ zusammen? 

"This thesis addressed the problem of how we are able to interpret and understand the gaze behavior of others in order to communicate successfully. As a first step, we examined which kinds of inferrences regarding the general intentions of another person are possible from the passive observation of gaze behavior (study 1). Turning towards gaze interactions, we then outlined a theoretical concept and a taxonomy of social gaze, allowing for holistic considerations of ongoing gaze encounters (study 2). The practical implementation of this approach in form of the new agent interaction platform TriPy was presented in study 3. Subsequently, an investigation of the inference of communicative intentions in ongoing gaze interactions was performed (study 4). Study 5 then compared the performance of healthy participants with that of persons with ASD, finding that the latter especially have trouble in interactive situations. As an outlook to the future direction of social gaze investigations and their application in clinical contexts, study 6 introduced a new technical system for avatar-mediated communication between two persons combined with machine learning based data analysis.“ Die Kognitionspsychologie ermöglicht also auch die Trainierbarkeit von KI hinsichtlich des Blickverständnisses.   

In „Das Sein und das Nichts“ beschreibt Sartre bspw. eine Situation im Park: "Ich befinde mich in einem öffentlichen Park. Nicht weit von mir sehe ich einen Rasen und am Rande des Rasens Stühle. Ein Mensch geht an den Stühlen vorbei. Ich sehe diesen Menschen, ich erfasse ihn als Objekt, gleichzeitig auch als Menschen. Was bedeutet das? Was will ich damit sagen, wenn ich von diesem Objekt behaupte, daß es ein Mensch ist?“ Im Blick erfahren die Menschen für Sartre ein erstes, entferntes „Mit-dem-Anderen-verkoppelt-Sein“. Das fortwährende Sehen und Gesehen-werden bedeutet ein Pendeln zwischen Subjekt und Objekt, das heißt, die ständige Möglichkeit für ein Subjekt, das mich sieht, sich an die Stelle des von mir gesehenen Objektes zu setzen. Das „Vom-Anderen-gesehen-werden“. Der Existentialismus trägt zur Bewusstwerdung des schon vorsprachlichen Subjekt-Objekt-Verhältnisses unter Menschen bei. Aber wie weitgehed wird KI dieses Verhältnis simulieren können?   

IT