Nehmen wir einmal das Beispiel "*Die Bibliothek von Babel*" von Borges.(1)
In so einer Bibliothek fehlen natürlich die klassischen Zahlen, aber man
kann ja bestimmte Buchstaben in einem Kontext als mathematischen Symbole
lesen. Das sollen meines Wissens die alten Griechen getan haben. Das würde
im Ergebnis bedeuten, dass jeder denkbare mathematische Beweis und jedes
philosophische Argument bereits in dieser Bibliothek enthalten wären.
Mein Problem ist aber, wie kann so eine universelle Bibliothek die
Unendlichkeit darstellen? Müsste es nicht auch Aussagen und Sätze geben,
die sich nicht in so einer Bibliothek finden? Klar, solche Aussagen wie "1
ist keine Primzahl", "2 ist keine Primzahl", "3 ist eine Primzahl" usw.
sind nicht interessant.
Die Frage ist aber, sind diese Aussagen in unserer hypothetischen
Bibliothek vorhanden oder nicht? Nimmt man einen streng
formalistisch-wittgensteinischen Ansatz an, müsste man argumentieren, dass
nicht eine unendliche Liste von Aussagen existiert, sondern ein Gesetz,
dass diese Unendlichkeit abbildet.
Im Fall der Primzahlen zeigt sich hier aber ein Problem. Was ist, wenn gar
kein Gesetz existiert, das für jede Zahl angibt, ob es sich um eine
Primzahl handelt oder nicht? Dann müsste man einen einzelnen Test
durchführen und so eine unendlich lange Liste ist schon wieder sinnvoll.
Was denkt ihr darüber?
Wer sie nicht kennt:
Seite „Die Bibliothek von Babel“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
Bearbeitungsstand: 3. Oktober 2019, 02:34 UTC. URL:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Bibliothek_von_Babel&oldid=1…
(Abgerufen: 9. November 2019, 15:03 UTC)
Am 19.11.2019 um 22:22 schrieb Karl Janssen via Philweb:
> [Philweb]
>
> transmitted from iPad-Client
>
>> Am 19.11.2019 um 03:34 schrieb K. Janssen via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>:
>>
>> für den lebenspraktischen Umgang mit mathematischen Problemen (von Flächen- Volumen-, Bahnberechnungen bis hin zu chaos-theorischen Modellen z.B. der Meteorologie) haben sich spätestens mit den Arbeiten von Newton, Leipniz (Infinitesimalrechnung), weiterhin Mathematiker wie Bolzano, Weierstraß, Riemann, Dedekind und vor allem Georg Cantor entwickelt
>
beim thema endlichkeit/ unendlichkeit geht es um zwei verschiedene
sichtweisen:
die animistische und die rationalistische,
zb: "ewigkeit" heißt im animistischen es gibt keine zeit,
im rationalistischen heißt es unendlicher zeitvorrat,
analog mit anderen sachen ...
im rationalistischen hat man renormierungstheorien erfunden,
die die unendlichkeiten auf endlichkeiten herunterbrechen oder ganz
unterbinden,
damit ist die diskrepanz zwischen animismus und rationaler
weltauffassung aber nicht beseitigt.
wir haben auch da ein bis heute ungelöstes problem, das auf die epoche
der scholastik zurückgeht,
nämlich auf die unterschiede zwischen universalismus und nominalismus,
wobei man sich am ende der scholastik auf den nominalismus einigte,
eine sichtweise, die durch all die jahrhunderte hervorragend trug,
bis vor etwa 150 jahren mit der auffindung der elektrodynamik und der
quantenwelt usw. der nominalismus unter die räder kam,
und seither mit hilfskontruktionen wie den genannten
renormierungstheorien aufrecht erhalten wird.
um nicht zwei unterschiedliche beschreibungen derselben welt zu haben
(animismus kontra rationalismus),
wäre es meiner ansicht nach eine gute idee,
alles zurück auf null,
und die diskrepanz zwischen universalismus (animismus) und rationalismus
noch einmal komplett neu zu durchdenken,
sonst kommen wir aus diesem teufelskreis nicht heraus ...
* sachen wie die infinitesimalrechnung sind in diesem bild auch nur
hilfskonstruktionen wie eben die renormierungs-anwendungen,
wir benötigen in wahrheit eine komplett neuartige mathematische
beschreibung,
die zb. statt ihre operatoren-grammatiken vordefiniert mitzubringen,
sie aus den wechselwirkungen selbst bezieht
wh.
> Am Mo., 16. Sept. 2019 um 17:44 Uhr schrieb Claus Zimmermann
> <mail(a)clauszimmermann.de>:
> > Zeichenregeln sind unsere Konstrukte und können geändert werden. Daß
> > ein Satz nicht gleichzeitig im gleichen Sinn wahr und falsch sein
darf, ist aber eine
> > so fundamentale Regel, daß wir diese Diskussion abbrechen müssten,
wenn
> > wir uns nicht mehr daran hielten, denn wir könnten dann keine Aussagen
> > mehr machen, also Sätze äussern, die wahr oder falsch, aber nicht
beides
> > gleichzeitig im gleichen Sinn sind.
>
> Das sehe ich nicht so. Die Aussage, "es gibt Sätze, die zugleich
> beides sind, wahr und falsch", impliziert keineswegs, dass ALLE Sätze
> zugleich wahr und falsch sind.
>
> Dein Einwand würde nur dann zutreffen, wenn man davon ausgehen würde,
> dass dem so wäre.
Die Verwendung von Zeichen, denen wir ihre Bedeutung nicht ansehen, muss
mit Zeichenerklärungen anfangen. Diese gelten in der Regel im Gegensatz
zu Erfahrungssätzen unbedingt und ausnahmslos und das ist kein Problem,
weil wir mit ihnen ja nichts behaupten, sondern etwas bestimmen. Wenn du
also Ausnahmen von der Definition der Verneinung und der Zuschreibung
von Wahrheitswerten zulassen möchtest, zeigt das, daß du die Definition
aufgegeben hast oder auf bestimmte Gegenstandsbereiche einschränken
möchtest.
>
> Die Frage, ob etwas eine "Zeichenregel" oder ein Axiom ist, ist ein
> Stück weit willkürlich. Es gibt logische Kalküle, in denen es
> überhaupt keine Axiome gibt und andere, in denen es diese sehr wohl
> gibt. Es wäre wohl sinnvoller, von "Prinzipien" zu reden, die dem
> Systemen zugrunde liegen oder nicht. In der Tat scheinen mir die
> "Relevanzlogiken" aber komplizierter als die klassischen Logik, was
> wohl auch der Grund gewesen sein wird, aus denen diesen historisch der
> Vorzug gegeben wurde.
> Das ist natürlich nur ein subjektiver Eindruck, ein mathematisch
> gebildeter Leser wird wohl mehr dazu beitragen können, die Logik
> befindet sich ja in diesen interessanten Grenzgebiet.
>
Wie du weißt, verstehe ich kaum etwas von formaler Logik und ich sage
das nicht, um in einen Bescheidenheitswettbewerb einzutreten, sondern um
nicht als Hochstapler am PhilWeb-Pranger zu enden.
Nach meinem Verständnis oder Missverständnis ist ein Axiom ein Ausdruck,
der eine Beziehung zwischen Zeichen herstellt und erlaubt. Ähnlich wie
die meisten umgangssprachlichen Definitionen, die die Ersetzung von
Zeichen durch ein anderes Zeichen erlauben. Ich würde in beiden Fällen
von Zeichenregeln reden. Mir ist gar nicht bewusst, womit ich Anlass zu
der Vermutung gegeben haben könnte, daß ich das anders sehe.
> > Wie soll eine Zeichenregel durch Tatsachen bestätigt oder
widerlegt werden?
>
> Ganz positivistisch: Sie eignet sich, die Beobachtungen auf
> ökonomische Weise zu erklären oder sie eignet sich nicht dazu. Im
> Falle der
> Alltagsbeobachtungen ist ja jedem klar, dass man mit dem
> Widerspruchssatz sehr weit kommt.
> Nur sobald solche vergleichsweise exotischen Dinge wie
> "Selbstbezüglichkeit", Grenzbildung usw. hinzukommen.
>
Du scheinst hier nicht von der Geltung der Regel (siehe oben) zu reden,
sondern von ihrer Brauchbarkeit.
> Das Selbstbewusstsein könnte in der Tat ein Fall von
> Selbstbezüglichkeit sein. Wie "Dieser Satz hier ist falsch". Hier
> denkt das
> Ich über sich selbst nach und muss erkennen, dass weder die Gedanken,
> noch die Sinne,
> noch sonst etwas dieses "Ich" sind. Jede Einzelne Zelle, vielleicht
jede Neurone
> ist verzichtbar und dennoch hat das gesamte eine unbestreitbare
> Identität. Zumindest in dem
> Sinne, dass diese Identität erlebt wird.
>
"Ich" gehört zu den Worten, bei denen Vorsicht geboten ist.
Personalpronomina ermöglichen Unterhaltungen, ohne daß man sich erst
vorstellen muß und sind vielleicht auch noch zu anderen Dingen gut, die
mir gerade nicht einfallen. Aber "das Ich" und "dieses Ich" kommen mir
nicht sinnvoller vor als "der er" oder "die sie".
> > > Als Beispiel für einige Dinge, bei denen das der Fall sein könnte:
> > > "Der Satz ist falsch", Selbstbewusstsein und Ich-Identität,
> > > Willensfreiheit als eng verwandtes Problem und vielleicht sowas wie
> > > das Doppelspaltexperiment. Grade in Bezug auf die Willensfreiheit
> > > glaube ich, dass dieser Gedanke durchaus fruchtbar sein kann.
> >
> > Zu "Der Satz, den du gerade vor Augen hast, ist falsch": Er ist durch
> > die Selbstbezüglichkeit so konstruiert, daß er wahr ist, wenn er
falsch
> > ist und falsch, wenn er wahr ist. Er ist also in jedem Fall sowohl
wahr
> > als auch falsch. Das ist aber in unserer üblichen Ausdrucksweise,
an die
> > wir uns auch jetzt gerade halten, ein Formfehler. Ein Satz kann unter
> > der Bedingung der Falschheit eines anderen wahr sein. Dann muß es sich
> > aber um zwei verschiedene Sätze handeln. Mit Tatsachen hat das nur
> > insoweit etwas zu tun, als es sich um "sprachliche Tatsachen" handelt.
>
> Man kann solche Paradoxien auch ohne direkte Selbstbezüglichkeiten
> konstruieren. Das nennt man einen Quine, nach dem bekannten
> Philosophen beannnt.
>
> > Nicht viel sinnvoller kommt mir übrigens "der Satz, den du gerade vor
> > Augen hast, ist wahr", vor. Mit anderen Worten: er ist wahr, wenn er
> > wahr ist und falsch, wenn er falsch ist. Danke für die
Information, kann
> > ich da nur sagen.
>
> Auch hier gibt es Sätze, in der Tat in der Logik untersucht worden sind.
> Ein Satz, der einfach stumpf seine eigene Wahrheit aussagt, ist im
> Grunde nur eine Wahrheitstabelle, sagt jedenfalls die
> Intuition. Es gibt aber interessante Fälle, wie etwa das Curry-Paradoxon:
> > https://de.wikipedia.org/wiki/Currys_Paradoxon
>
> Sorry wegen Wikipedia. Ich habe keine bessere Quelle zur Hand. Es kann
> ja jeder selbst suchen.
Currys Paradoxon wird bei Wikipedia auch als selbstbezüglich bezeichnet.
Gegen Selbstbezüglichkeit ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden. Man
tritt dabei quasi in einer Doppelrolle auf, als einer, der etwas sagt
und einer, über den etwas gesagt wird. Und der Haken scheint mir zu
sein, daß man aufpassen muss, daß man sich nicht in Worten oder Taten
selbst widerspricht, ohne es zu bemerken. Aussagen die unproblematisch
sind, wenn sie über andere gemacht werden, könnten so problematisch
werden, wenn man sie über sich selbst macht.
>
> > Zum "Selbstbewusstsein": Dieses Wort hat unproblematische
Facetten, die
> > auch philosophisch uninteressant sind oder man versteht darunter
> > vielleicht das Bewusstsein der eigenen Existenz als einer der wenigen
> > Tatsachen, an der kein Zweifel möglich ist. Wenn man genauer hinsieht,
> > scheint sich das "ich existiere" aber in Luft aufzulösen.
>
> Das Problem ist doch ein anderes. Dieses Ich scheint aus lauter
> "Nicht-Ichs" zu bestehen.
> Eine einzelne Erinnerung kann falsch sein, das hebt die Identität
> eines Menschen nicht auf, eine Einzelne
> Lernerfahrung ebenfalls. Wie weit dürfen wir dieses Gedankenexperiment
> treiben, bis wir aufs Absurde stoßen?
>
Wie gesagt: "Ich" kann ich immer noch sagen, wenn ich alles vergessen
habe und nicht mehr weiß, wer ich bin.
> > Ich würde auch einsehen,
> > daß Sätze des Typs "das und das ist so und so" unter diesen Umständen
> > eventuell unpraktisch sind.
>
> Das kann man so sehen. In der Tat handelt es sich um nicht mehr als
> eine Frage der Interpretation. Weitere Klärung
> wäre hier nur durch komplexere Fragestellungen zu erwarten.
>
> > Im ersten Fall folgen wir definitionsgemäß immer dem stärksten Motiv,
> > denn das ist ja das, dem wir folgen. Mit Determinismus hat das aber
> > natürlich nichts zu tun. Die Definition ermöglicht ja keine
Vorhersagen,
> > sondern wir müsse abwarten, was die Person tun wird.
>
> Der Fall ist nicht ganz so einfach, glaube ich. Was ist mit Fällen, in
> denen wir z. B. annehmen, das eine Person unter dem Einfluss schwerer
> Krankheit, Gift oder Falschinformationen gehandelt hat. Was ist mir
> Reflexhandlungen?
>
Aber natürlich haben Motive etwas mit unseren Handlungen zu tun. Das
macht sie ja zu Motiven. Es gibt sicher Motive, denen nicht nachzugeben
fast übermenschliche Kräfte erfordern würde.
Einen Reflex würde ich nicht unbedingt als Handlung bezeichnen, aber
streiten wir uns nicht um Worte. Da macht die Körpermaschine quasi was
sie will.
Natürlich haben auch unser Geisteszustand und unser Informationsstand
etwas mit unseren Handlungen zu tun. Das ist doch überhaupt keine Frage.
Alles was ich gesagt habe, war:
Wenn wir uns so ausdrücken, daß wir als stärkstes Motiv dasjenige
bezeichnen, dem wir am Ende folgen, macht es keinen Sinn zu sagen "wir
folgen immer dem stärksten Motiv wie ein Sklave seinem Herrn". Denn das
bedeutet dann nichts anderes als "wir folgen immer dem Motiv, dem wir
folgen".
Wenn wir dagegen sehen, daß jemand leidet oder Hirnströme messen, können
wir zwar vielleicht sagen, daß großer, vielleicht fast unwiderstehlicher
Handlungsdruck besteht, aber nicht mit Sicherheit, was der Mensch
letztlich tun wird.
> Was jemand so oder so tun musste, das ist eine moralisch nicht zu
> verantwortende Handlung, ethnisch neutral.
>
> > Mir scheint es ja weder bei seelischen, noch bei physikalischen
> > Vorgängen sinnvoll zu sein, zu sagen "es musste so kommen, alles
andere
> > ist undenkbar".
>
> Das ist in der Tat eine Aussage, auf die ich nicht antworten kann.
> Eventuell hast du gewonnen.
Ich wirke hoffentlich nicht so, als ob ich das hier als eine Art
Fingerhakeln betrachten würde.
Claus