Am 10.06.2022 um 22:53 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Am 10.06.2022 um 21:44 schrieb Claus Zimmermann:
Der Satz "ich existiere" kann m.E.
sinnvoll weder behauptet noch bestritten werden.
Personalpronomina bezeichnen Personen erst eindeutig, wenn man diese Personen irgendwie
kenntlich macht, markiert oder auf sie zeigt. So kann man z.B. mit Leuten reden, deren
Namen man nicht kennt, muss sie dann aber z.B. ansehen, damit klar ist, an wen man sich
wendet. Wenn ich anklopfe und auf die Frage "wer ist da?" einen Zettel mit der
Aufschrift "ich" unter der Tür durchschiebe, ist der Informationsgehalt relativ
gering. Wenn ich es ausspreche, kann ich evtl. an der Stimme erkannt werden.
"X existiert" ungefähr "ich könnte dir X im Prinzip zeigen, wenn wir dafür
nicht z.B. um die halbe Welt reisen müssten".
"Ich existiere" bedeutet in Langform ausbuchstabiert also ungefähr "ich
kann dir die Person zeigen, die ich dir gerade zeige". Das ist natürlich eine
Tautologie, eine Verdoppelung, die dem schon gesagten nichts hinzufügt. Die Verneinung
wäre ein Selbstwiderspruch, die das vorher Gesagte im gleichen Atemzug bestreitet.
Existenzbehauptungen beziehen sich auf Bezeichnungen, nicht auf etwas bezeichnetes, und
sagen aus, ob ihnen etwas entspricht oder nicht.
Da sind wir nun unversehens im
Bereich der Existenzphilosophie angelangt. Zumindest sehe ich diesen Bezug, da für mich
(in diesem Fall die menschliche) Existenz vordergründig im philosophischen Kontext steht.
Hi Karl,
Wollte Wheeler etwa Existenzphilosophie betreiben? In seiner Originalarbeit von 1989 heißt
es im Abstract: "This report reviews what quantum physics and information theory have
to tell us about the age-old question, How come existence? No escape is evident from four
conclusions: (1) The world cannot be a giant machine, ruled by any preestablished
continuum physical law. (2) There is no such thing at the microscopic level as space or
time or spacetime continuum. (3) The familiar probability function or functional, and wave
equation or functional wave equation, of standard quantum theory provide mere continuum
idealizations and by reason of this circumstance conceal the information-theoretic source
from which they derive. (4) No element in the description of physics shows itself as
closer to primordial than the elementary quantum phenomenon, that is, the elementary
device-intermediated act of posing a yes-no physical question and eliciting an answer or,
in brief, the elementary act of observer-participancy. Otherwise stated, every physical
quantity, every it, derives its ultimate significance from bits, binary yes-or-no
indications, a conclusion which we epitomize in the phrase, it from bit."
Wheeler meinte mit „it“ also physikalische Größen. Menschliche oder allgemein ontologische
Existenz hat er nicht gemeint. Dass es überhaupt irgend etwas gibt da draußen, setzen
Physiker zumeist voraus. Zur Orientierung geht er dann von drei Fragen aus. How come
existence? How come the quantum? How come "one world" out of many
observer-participants?
Und zu seinem Motto führt er dann weiter aus: "It from bit symbolizes the idea that
every item of the physical world has at bottom — at a very deep bottom, in most instances
— an immaterial source and explanation; that what we call reality arises in the last
analysis from the posing of yes-no questions and the registering of equipment-evoked
responses; in short, that all things physical are information-theoretic in origin and this
is a participatory universe.“
Frieden hätte sein 1998 erschienenes Buch „Physics from Fisher Information“ mit Wheelers
Motto untertiteln können, denn auch er geht wie wohl alle am Experiment orientierten
Physiker davon aus, dass die Unbestimmtheit beim Messen zu minimieren sei. Der Statistiker
Fisher hatte seinerzeit ein Unbestimmtheitsmaß definiert, das später Fisher-Information
genannt wurde. Informations-Definionen gibt es viele, deshalb halte ich den inflationären
Gebrauch des Wortes „Information“ für belanglos und jeweils eher ideologisch bedingt.
Worum es in der Physik geht, ist die Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur
Vorhersage von Messergebnissen. Damit wird jede quantitativ-empirische Wissenschaft zur
angewandten Mathematik.
Wheeler geht mit seiner Vision vom Universum, das erst in den in ihm entstehen Beobachtern
entsteht, noch wesentlich weiter. Aber auch das bleibt Mathematik. Damit hat er sich weit
von Mach entfernt, der ja Positivist war und in der Mathematik lediglich eine nützliche
Denkökonomie sah. Unsere Empfindungen wie die Mess-Wechselwirkungen basieren letztlich auf
dem Austausch von Wirkungsquanten, die im Photon zugleich Energie und Zeit hervorbringen.
Dabei wäre es doch interessant einmal im Detail zu vergleichen, wie in unserm Leib aus
Photonen Empfindungen werden und im Detektor aus Photonen Zahlen. Gibt es vielleicht sogar
so etwas wie eine Mikroschnittstelle zwischen Gehirn und Bewusstsein? Denn schon einfache
„passende“ Chemikalien lassen uns das Bewusstsein verlieren. Und alle chemischen
Reaktionen beruhen ja letztlich auf elektromagnetischer WW.
IT