Am 26.09.2020 um 19:57 schrieb Joseph Hipp:
Claus Zimmermann schrieb zu einem Zeigen auf einen
Himmelskörper:
"... geht aber natürlich nicht hervor, was dieser Himmelskörper für
eine
Masse hat, ob es darauf Leben gibt etc. Das ist beim Wort
"Bewusstsein" m.E. auch nicht anders."
Dass es beim Wort "Bewusstsein" nicht anders ist, ist korrekt.
Die zeigende Definition kann genügen. Das Wort "deiktisch" nutze ich
nicht so gerne.
Als Gegenbeispiel gebe ich jedoch das Kellergeistproblem an:
Eine Mutter geht mit ihrem Kind in den Keller. Das Kind fragt mit
großer Angst:
"Sind da keine bösen Geister?" Die Mutter antwortet:
"Nein, es gibt dort ganz sicher keine."
Derjenige, der logisch denkt, kann der Mutter entgegnen: Wenn du
Geister negierst,
dann sind sie für dich genauso möglich wie dem Kind.
Schon mit dem Nutzen, Benutzen eines Wortes gibt es schon etwas, denn
jedes Wort hat einen beschreibenden Charakter.
Wenn man Geister negiert, sollte man erklären können, was man damit
negiert. Nur dann hat der Satz einen Informationsgehalt. Sonst könnte
man ihn auch so formulieren: es gibt irgendwas nicht, aber ich verrate
dir nicht, was.
Ein zweites Gegenbeispiel ist der Spunk der Pippi Langstrumpf.
Es muss also nicht das geben, wofür ein Wort steht, oder wofür ein
Wort verwendet
werden kann, sogar sinnvoll verwendet werden kann. Im von
Claus Zimmermann genannten Fall wird das Wort "Bewusstsein" ganz korrekt
benutzt, ich sage dann, dass es im ungenauen Sinne benutzt wird.
(
http://weltordnung.de/ungenau.htm) So kann der Nothelfer statt zu sagen:
"Er tritt nicht mehr, obwohl er vorhin aggressiv
war." (genau)
"Er bewegt sich nicht mehr, obwohl das Herz noch schlägt." (genau)
usw.
"Er ist nicht mehr bei Bewusstsein." (ungenau, zeigt trotzdem auf
etwas
Genaues) Bei diesem Satz scheint doch ein Kenner zu sprechen, der
genau weiß, was Bewusstsein ist. Das muss hier auch mal beachtet werden,
und zwar, dass ein Wort gerade genau genommen werden will, obwohl es
ungenau verwendet wird. Allein dem Fachmann wird die Verwendung erst
recht erlaubt. Und hier haben wir ja nur Fachleute.
Gerade hier kann die Benutzung des Wortes Bewusstsein sinnvoll sein,
obwohl bei
der Benutzung keine Definition vorliegen muss, so wie Claus
Zimmermann es schrieb, wenn ich es richtig verstanden habe.
Die Antwort des Claus Zimmermann: "... könnte ... die Frage, was
unter dem
Wort verstanden wird und was man dann sinnvoll sagen kann und
was nicht, weiterhelfen."
"könnte", ja.
"was man sinnvoll sagen kann" ... ist da kein Zirkel, oder ist das
nicht
zu viel verlangt, insbesondere hier in der Liste? Oder: Was man in
ein Wort hineinsteckt, kann man auch wieder heraus holen (vielleicht
umgangssprachlich ironisch gesagt).
Das ist quasi sprachanalytisches Tagesgeschäft und, glaube ich, schon
bei Kant zu finden: Eine anscheinend unwiderlegbare Tatsachenbehauptung
wird darauf zurückgeführt, was man in einen Begriff gelegt oder aus ihm
ausgeschlossen hat. Die Testfrage ist dann: würdest du eine Widerlegung
prinzipiell zulassen oder von vornherein ausschliessen?
Es könnte ja auch sein, dass nichts "sinnvoll" dazu gesagt werden
kann,
wie z.B. zum Kellergeist oder zum Spunk. Oder aber es könnte auch
gesagt werden: Jetzt ist das Wort da, und nun müssen wir uns mit ihm
herumplagen, sogar hier in der Liste.
Dass es darum geht, zu fragen, wie, wo, warum das Wort ein erstes Mal
bei der
Person auftrat, das kann auch eine psychologische Frage sein.
Auch die Frage, warum dieses Wort der Person oder gar vielen Personen in
einer kleinen oder großen Gruppe so wichtig geworden ist. Gerade bei
einem philosophisch Geschulten Unvernunft oder gar Irrationalität als
vorhanden zu vermuten ist eine andere Möglichkeit. Ich tendiere dann
lieber zur Möglichkeit des Nicht-Verstehens eines Wolfgang Stegmüller,
die ich in meinem Text "Chaos in der Sprache" beschrieb.
Übrigens kam gerade hier unten schon das Problem zwischen Definition
und Begriff
zum Vorschein. Wo sind die entsprechenden Abhängigkeiten?
Ich will der Frage noch nachgehen.
Hoffentlich hat niemand gelacht als er bei mir hier oben das Wort
"Fachleute" las. Ich will schließlich auch mal recht haben, obwohl ich
kein Fachmann bin.
Bei "recht haben" fällt mir ein, daß man sich in einer
Diskussionsgemeinschaft gegenseitig erziehen kann (also nicht wie im
Verhältnis zwischen Eltern und Kindern).
Claus