Am 23.09.2020 um 17:51 schrieb Ingo Tessmann:
Am 23.09.2020 um 04:10 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de
<mailto:janssen.kja@online.de>>:
Die Natur fügt nichts zusammen, sie handelt auch
nicht. Menschen fügen Systeme zusammen, sind aber selbst nicht zusammengefügt, sondern der
Natur erwachsen. Selbstredend ist auch die Natur nicht gemacht oder zusammengefügt, sie
evolviert aus sich selbst heraus und wächst nicht zielorientiert oder zweckmäßig wie wir
funktional technische System zu konstruieren pflegen.
Dieser Aussage stehe ich sehr
verwundert gegenüber! Aber zunächst
müssten wir wohl definieren, was mit „Natur“ beschrieben sein soll.
Zu allgemein ist die Rede von „die Natur“ bzw. Evolution, als dass
damit (weit über Darwin hinausgehende) Überlegungen/Vorstellungen zur
Evolutionstheorie wie etwa die progressive Evolution, hier z.B. Ivan
I. Schmalhausens Epimorphose eingehend betrachtet werden könnten.
Um es kurz zu sagen: Die Biologiebücher sind voll von Beschreibungen
(eben) biologischer Systeme (so auch die Grundsatzwerke wie Englers
„Systematik der Pflanzen“). "Natur" ist demnach nicht gemacht, jedoch
ist sie (sinn- und zweckvoll zusammen) gefügt.
Hi Karl,
ich führe Worte für Hirngespinste, wie „Gott“ und „Seele“ etwa, bloß
an, Du aber Natur!? Damit ist doch einfach alles vorgefundene, nicht
bearbeitete in uns selbst und hier auf der Erde sich bis ins Universum
hinein erstreckende gemeint. Die längste Zeit in der Erdgeschichte war
die Natur noch von Menschen umbehelligt sich selbst überlassen. Wer
soll da schon etwas "(sinn- und zweckvoll zusammen) gefügt" haben?
Hier möchte ich auf die Schnelle einhaken: Es mag durchaus sein, dass
aufgrund meiner zutiefst christlich "sozialisierten" frühen Jugendphase
immer noch ein darauf bezogener "Grundton" in meiner Argumentation
mitschwingt; Zudem ich definitv - trotz aller inzwischen entwickelten
Skepsis oder Ablehnung gegenüber naiv religiöser Weltauslegung - von der
Möglichkeit gegenseitig interaktiver Durchdringung (im Idealfall als
bijektionale Korrespondenz) mit nichtkörperlichen Informationsfeldern
Entitäten überzeugt bin (ob man das Gott, Schöpfer oder Weltengeist usf.
nennt, ist mir zutiefst gleichgültig).
Und um nicht wieder Missmut mit meinem Begriff von Nichtkörperlichkeit
zu provozieren, betone ich wiederholt, dass ich damit lediglich eine von
mir angenommene Existenz nichtstofflicher (im üblichen Begriffsgebrauch
geistiger) Agenzien beschreibe; eine andere, zu deren Beschreibung eher
zutreffende Begrifflichkeit kenne ich nicht.
Dieses ständige Denken im Rahmen des menschlichen
Handlungsschemas
bringt mich immer wieder in Rage.
Das sollte Dich aber nicht dazu bringen, unduldsam gegenüber anderen
"Überzeugungen", die nicht Deinem Idealbild von nüchtern
naturwissenschaftlicher Betrachtung (und darauf bezogener Terminologie)
entsprechen; Occam's rasor - sei's drum . Ich jedenfalls möchte,
jenseits von striktem Positivismus geprägten Ansichten, in meiner mir
eigenen Art der Weltsicht auf die Betrachtung des "Dazwischen" nicht
verzichten ; tertium non datur - sei's drum!
Interessant an
dieses Faktoren finde ich, dass der Veränderung
bewirkende evolutionäre Informationsfluss unidirektionalvon der
Genetik zur Charakteristik verläuft, was m.E. einer klaren
Ausrichtung (Zielorientierung) entspricht. Diese Veränderungsrichtung
ist durch Evolutionsfaktoren festgelegt (erbliche Mutation,
genetische Rekombination, gerichtete Selektion, Gendrift). Auch bei
diesem Modell sind neben dem Evolutionsfaktor der Mutation, Genfluss
und -drift zufällig erfolgende Evolution, die entscheidende
Richtungskomponente jedoch ist die Selektion. Mit Bezug auf dieses
Modell kann man nicht von fehlender Zielorientiertheit bzw.
Zweckmäßigkeit sprechen (m.E. auch nicht beim klassischen Modell, da
Selektion immer einem Lebens-Zweck förderlich ist.)
Die Natur evolviert einfach, wobei Stoffwechsel, Reproduktion und
Mutation notwendig Selektion zur Folge haben. Darüber hatten wir uns
doch schon vor Jahrzehnten hier ausgetauscht, als ich auf die
Replikatorgleichungen Eigens verwiesen hatte, die vielfach in
Bioreaktoren bestätigt wurden. Die Natur entwickelt sich zufällig und
kausal, nur Menschen setzten sich Ziele und Zwecke im Handlungsschema
und meinen sie dann im Naturgeschehen zu sehen. Die Biologen haben
leider keine neutrale Fachsprache entwickelt, so dass es ständig zu
haltlosen Anthropomorphismen kommt.
Hier kommt unsere (offenbar zunächst nicht aufzulösende)
unterschiedliche Sichtweise auf die Evolution zutage und warum sollte
das eigentlich ein Problem sein?! Natürlich sehe auch ich, dass sich
Natur zufällig und kausal (also Zufall und Notwendigkeit) entwickelt,
Der (gravierende) Unterschied unser Sicht darauf liegt wohl darin, dass
ich hinzukommend eine Zielgerichtetheit bzw. Zweckmäßigkeit (jedoch
gerade nicht in Art menschlicher Handlungsintention und -schemata!) der
Evolution annehme. Wenn diese Sicht für Dich einem haltlosen
Anthropomorphismus entspricht - wo ist das Problem dabei? Es handelt
sich schlichtweg um die Betrachtung des Sachverhalts aus jeweils anderer
Perspektive. Und darauf kommt es doch in der Fortentwicklung unserer
Kenntnis über die Welt an. Ein Ziel sicher zu erkennen, gelingt nicht
durch Anlegen eines einzigen "Erkenntnispfads"; es braucht mindestens
zwei, in deren Schnittpunkt es liegt.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl