Am 20.01.22 um 16:20 schrieb Claus Zimmermann:
Geometrische Punkte sind nicht vorgefunden, sondern
gedacht und können
deshalb ausdehnungslos zwar nicht anschaulich vorgestellt, aber im
"angenommen dass"-Modus so gedacht werden. Das unterscheidet sie von
Sandkörnern. Mit jedem Korn wird der Sandhaufen ein bisschen grösser.
Linien sind nicht so aus Punkten zusammengesetzt wie Sandhaufen aus
Sandkörnern.
Andererseits ist eine Ortsangabe nur sinnvoll, wenn man zwischen
verschiedenen Orten unterscheidet. Mit einem Punkt ist also gedanklich
mindestens schon eine Linie gegeben.
Das kann man, glaube ich, sagen, ohne etwas von Geometrie zu verstehen.
Claus
kj: Sehr wohl! Wenn also Eigenschaften eines Punktes im Bereich der
Mathematik/Geometrie betrachtet werden, ist damit festgelegt, dass dort
ein Punkt keine Ausdehnung hat und somit dimensionslos ist. Diese
Definition ist für den besagten Bereich eine sinnvolle, wenngleich
abstrakte Festlegung, die sich für die Betrachtung von Linien in der
Mathematik fortsetzt. Eine Linie repräsentiert dort eine Strecke resp.
einen Weg. Diese Vorstellung ist jedoch ganauso irreführend, wie jene
für den als sehr kleinen Kreis angesehenen Punkt. Da der "mathematische
Punkt" als nur gedachte Positionsangabe ausdehungslos ist, muss
konsequenterweise eine Linie aus einer unendlichen Menge von (gedachten)
Punkten bestehen. Die Linie in der Mathematik ist somit eine unendliche
Punktmenge. Da wären wir also wieder bei Unendlichkeit angekommen! Man
kann sie zwar denken und als Hilfestellung annehmen (man lässt einen
Zahlenwert gegen unendlich laufen und setzt damit einen imaginären
End-Punkt) aber eben nicht ermessen.
Ermessen kann man hingegen Sandkörner z.B. bei Annahme ihrer mittleren
Korngröße zwischen 0,2–0,63mm. Mit Kenntnis dieser Dimension kann man
doch recht schnell die Menge an Körnern in einem Sandhaufen berechnen,
dessen Gesamtvolumen man kennt. Etwas umständlicher dürfte die
Berechnung sein, wenn man dazu von den kristallografischen Werten eines
Quarzkristalls (etwa den Gitterparametern) mit jeweils ca. 5 Å
auszugehen hätte. Damit will ich eigentlich nur zum Ausdruck bringen,
wie wichtig es beim Austausch von Sachverhalten ist, Übereinstimmung
hinsichtlich der jeweiligen Betrachtungsebene (im Bereich physikalischer
Fakten die entsprechende Skalierung) herzustellen.
Ein Stolperstein bei Diskussionen zu Themen der Physik, die sich
vornehmlich aus Alltagssichten ableiten, ist die übliche Wahrnehmung
entsprechender Sachverhalte, wie sie der Newtonschen Mechanik
entsprechen. Diese Beschreibung der klassischen Physik hat Gültigkeit
für die meisten in der Realwelt wahrgenommenen Phänomene, also
beispielsweise für alle Geschwindigkeiten, die sehr weit unterhalb der
Lichtgeschwindigkeit liegen. Die technische Handhabung (Statik und
Dynamik, Gewichte und Bewegung etc.) basieren auf der Annahme eines
absoluten Raumes, wie dieser durch die Newtonschen Axiome bzw.
entsprechend dem Relativitätsprinzip von Galilei parametrisiert sind.
Doch alleine schon Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART)
verändert diese quasi statische Weltsicht grundlegend. In der Raumzeit
(RZ) hat ein betrachteter Punkt dann eben nicht nur eine bestimmte
Position im Raum, sondern auch einen Zeitbezug in der RZ. Wesentlich
komplizierter werden diese Betrachtungen, wenn man die ART in Richtung
der submikroskopischen Quantenmechanik verlässt und damit von der Meso-
in die Mikroebene des Weltgeschehens eindringt. Dennoch bleibt die
Newton-Mechanik als Grenzfall dieser beiden Theorien (SRT/ART und QM)
sinnvoll und äußerst nützlich für die Beschreibung zahlreicher
Phänomene, die eine ihr angepasste Größenordnung haben und somit die
klassische Physik wie vornehmlich auch die sog. Ingenieursmechanik
betreffen.
Beste Grüße! - Karl
Am 20. Januar 2022 13:02:48 MEZ schrieb "K. Janssen"
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Hallo in die Runde! Experten zu diesem Thema gibt es unzählige, ob man
sie unter Philosophen zahlreich findet, bleibt zu fragen. Ohne exakte
Expertise und ohne den Verlauf dieses Threads genau verfolgt zu haben,
würde ich zu unten stehender Fragestellung folgendes in Kürze hier anmerken:
Verdoppelung des Rauminhalts erscheint tatsächlich wie ein Zaubertrick,
wenn man bedenkt, wie (im Standard-/Urknallmodell angenommen) sich der
heute sichtbare "Rauminhalt" (modulo der nicht sichtbaren dunklen
Materie) in unvorstellbar kurzer Zeit (GUT-Ära) von einem ebenso
unvorstellbaren (gleichermaßen punktförmigen) Dichtezustand im weiteren
Verlauf der weiteren Entwicklung des Universums zu einem Radius von
knapp 50 Milliarden Lichtjahren ausgedehnt hat. Einerlei, ob man den
Rauminhalt der frühen Entwicklungsphase als ionisiertes Gas oder die
Masse heute sichtbarer Milliarden von Galaxien betrachtet: es handelt
sich immer um "aufgereite Punkte", gewissermaßen Materie als Punktwolken
von Atomorbitalen.
Bliebe man bei dieser Vorstellung von aneinander gereiten Punkten,
müsste man diese ins Unendliche weiter denken. Doch was wissen wir schon
über Unendlichkeit!? Glücklicherweise leben wir in einem für unsere
Betrachtungen endlichen und somit ermessbaren "Raumausschnitt", doch
selbst hier ist ein Abzählen der darin befindlichen "Punkte" unmöglich
und somit ist man lebenspraktisch besser mit der Berechnung von
Wahrscheinlichkeitsdichten eines betrachteten Raumsegments unterwegs.
Als quasi ausdehnungslosen Punkt hat man den dimensionslosen Punkt in
der Mathematik definiert, in praxi ist ein Punkt ohne Ausdehnung nicht
zu haben. Philosophisch gesehen, mag ein Punkt jedoch auf vielfältigste
Weise aufgefasst sein, im extremsten Fall als ein Nichts.
Beste Grüße! Karl
Am 19.01.22 um 17:41 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
[Philweb] Würde der Zaubertrick der Verdoppelung des
Rauminhalts aus dem Nichts auch mit kleinen Partikeln
funktionieren, z.B. Sandkörnern? Wenn nicht, könnte das
Paradoxon damit zu tun haben, daß man gleichzeitig Punkte als
ausdehnungslos definiert, so dass auch Punktmengen sich nicht
zu Linie, Fläche oder Raum addieren - und gleichzeitig
Rauminhalt als Punktmenge auffasst?Aber das sollen die
Experten auskaspern, da bin ich raus. -------- Ursprüngliche
Nachricht --------Von: waldemar_hammel via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 19.01.22 04:25 (GMT+01:00) An:
Philweb(a)lists.philo.at Betreff: Re: [Philweb] Schlafwandler
[Philweb]hihi - hier mal etwas schönes zum nachdenken (und
vielleicht für zauberkünstler gefundenes
fressen?):https://de.wikipedia.org/wiki/Banach-Tarski-Paradoxon(und
man kann die argumentation "dagegen" auch umkehren ...)wh.--
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