Am 12.07.2024 um 04:45 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb:
Am 12.07.24 um 00:12 schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb:
Man kann in Kenntnis der Motivlage eines Menschen
zwar oft mit an
Sicherheit grenzender aber eben nur daran grenzender
Wahrscheinlichkeit vermuten, was er tun wird, aber woher soll man es
ohne prophetische Fähigkeiten wissen?
Richtig, wenn auch ungenau beschrieben. Motivlage oder
Kausalwichtigkeiten setzt der Betrachter fiktiv bei sich selbst ein,
denkt sich mit der selben Motivlage ("stellt sich vor", er wäre in
derselben Lage), und entscheidet dann sozusagen für die Person, im
Nachhinein oder im Vorhinein. Kann, muss, darf, soll das Denken des
Betrachters eine prophetische Fähigkeit erfordern? Von einem
Betrachter² aus gedacht? Wenn diese Fähigkeit nicht erforderlich ist,
braucht auch nicht über sie gesprochen zu werden. Und das völlig
unabhängig davon, was dabei von der Person oder dem Betrachter
übersehen wird.
Der psychologische Vorgang ist wohl, wie du sagst, dass sich der
Betrachter der Situation in den Protagonisten hineinversetzt und sich
fragt, was er an seiner Stelle tun würde.
Mir ging es darum, dass die Zukunft nicht in der Gegenwart enthalten ist
wie der Schluss in den Voraussetzungen und Umformungsregeln und man
deshalb über prophetische Fähigkeiten verfügen müsste, um sie zu kennen.
Die Handlung ist nicht schon in den Umständen
enthalten, so wie der
Schluss in den Voraussetzungen und Umformungsregeln. Oder?
Hier kann mit einem "doch" gestritten werden. In einer (logischen)
Formel können Sachen fehlen. Sie kann auch so kompliziert sein, dass
sie nur von Berufsmathematikern aufgestellt werden könnte, und dann
doch zu einem Fehler in der Vorhersage der Handlung führen würde. Auch
mit KI kann das Resultat fehlerhaft werden. Problem ist ja auch, wie
denn die "Motive" in die Formel eingebracht werden. Wenn das alles
gedacht wird, kann auf das "Oder" nur mit "richtig" beantwortet
werden.
Sie wäre in den Umständen enthalten, wenn nicht nur unwahrscheinlich,
sondern ausgeschlossen wäre, dass sich der Protagonist anders als
erwartet verhält. Ist es aber nicht.
Das Ergebnis der Rechenaufgabe 1+1 steht dagegen mit der Zahlenreihe und
dem Additionsverfahren fest, weil wir das eben so beschlossen haben. Es
handelt sich hier im Gegensatz zur Handlung des Protagonisten nicht um
Tatsachen, sondern um standardisierte Techniken.
Bei KI kann das Ergebnis fehlerhaft sein, weil sie nach meinem Kenntnis-
oder Unkenntnisstand davon ausgeht, dass es mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit oder Gewichtung als lustig zu bewerten ist, wenn
jemandem eine Torte ins Gesicht geworfen wird und Umstände nicht
berücksichtigt, bei deren Vorliegen ihr die menschengemässe Bewertung
"nicht lustig" noch nicht antrainiert wurde.
Nun könnte man aber auf die Idee kommen, dass man
doch immer und
prinzipiell ausnahmslos dem stärksten Motiv folgt, wenn man als
stärkstes Motiv dasjenige bezeichnet, dem man gefolgt ist.
Übersetzt in die Denkweise Person-Betrachter: Die Person P folgt immer
dem stärksten Motiv. Dann sucht der Betrachter B das stärkste Motiv
bei der Person, hat hypothetisch kein Problem, es zu finden. Dann kann
B immer sagen, was P tut.
Es könnte aber eben sein, dass P nicht mitspielt und sich anders verhält
als erwartet. Es könnte auch sein, dass ich selbst mich anders verhalte
als erwartet. Wir haben es hier, anders als beim Rechnen, mit
verschiedenen Möglichkeiten zu tun.
Aber wäre das
nicht nur ein missverstandener analytischer Satz, eine
Worterläuterung im Ton
einer Tatsachenfeststellung?
Ist die Frage mit der Denkweise B-P noch sinnvoll?
Wenn wir als stärkstes Motiv dasjenige bezeichnen, dem der Protagonist
gefolgt ist und nicht z.B. den grösseren Heuhaufen, stellen wir eine
Beziehung zwischen sprachlichen Ausdrücken her, deren Erklärung eine
analytische Worterläuterung wäre.
Die Handlung zeigt, wie die Motive priorisiert
wurden. (Satz A)
Sie kann das zeigen. Immer unter der Voraussetzung, dass "Motive" in
eine Kausalbeschreibung eingesetzt werden können, denn das ist ja ein
nicht zu leugnendes Problem. Es gibt viele andere Sachen, die als
Vorsachen mit eine Rolle spielen und statt "Motiv" eingesetzt werden
könnten. Ein Betrachter kann zwei getrennte Kausalmaschen herstellen,
eine, die in der Person abläuft, eine zweite, die außen abläuft. Und
er kann die zwei zusammenbringen. Um gemäß Descartes vorzugehen, das
Problem aufzuteilen. Konrad Lorenz gab ein inneres Parlament fiktiv
vorhanden an, diese Idee hatte er von einem seiner Vorgänger.
Sie zeigt es, wenn man als stärkstes Motiv das bezeichnet, dem man
gefolgt ist, denn das ist ja die Terminologie. Das heisst aber nicht,
dass man den Millionenscheck nicht auch hätte annehmen können. Dann wäre
das eben das Gewinnermotiv gewesen. Es handelt sich um Terminologie,
nicht um Determination.
Das klingt doch schon nicht mehr so, als ob man
von ihnen wehrlos
über den Tisch gezogen würde. Oder mit gleicher Kraft in
entgegengesetzte Richtungen, so dass die Kräfte sich in ihrem Objekt
neutralisieren.
Auf Satz A folgt dann doch schon vermutlich dieses
"über-den-Tisch-gezogen-werden", sozusagen als "missverstandener
analytischer Satz"?
JH
Die Handlung zeigt nicht, wie die Motive priorisiert werden *mussten*.
Das wäre das Missverständnis der Worterläuterung.
Claus
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste -- philweb(a)lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an
philweb-leave(a)lists.philo.at