Am So., 3. März 2024 um 18:00 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Weil er seine Fallstudien zum Popanz aufbauschte und
mit ollen Kammellen die zeitgenössische Wissenschaft meinte kritisieren zu können.
Wer die Wissenschaft kritisiert, der ist als seriöser Gesprächspartner
disqualifiziert?
Feyerabends Argumentation war, dass der tatsächlliche
wissenschaftliche Fortschritt, wie man ihn etwa historisch untersuchen
kann, nicht so ablief wie Popper (und andere) behaupteten.
Nun mag die implizite Behauptung falsch sein, darüber kann man
diskutieren. Die Kritik ist meines Erachtens durchaus Ernst zu nehmen.
Seit Newton und Euler ist es das in der Physik. In der
Medizin seit Pasteur und Virchow. Es kommt darauf an, was mit Wissenschaft gemeint ist.
Der Theoretiker Einstein äußerte sich in einer Festrede zu den "Prinzipien der
Forschung“ 1918 wie folgt: „Höchste Aufgabe der Physiker ist das Aufsuchen jener
allgemeinen elementaren Gesetze, aus denen durch reine Deduktion das Weltbild zu gewinnen
ist. Zu diesen elementaren Gesetzen führt kein logischer Weg, sondern nur die auf
Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition.“ Und der Experimentalist Jennings
schreibt 2008 in: "The Scientific Method. Science is the construction of parsimious,
internally consistent models that can reliably predict future observations. With this
definition the rest of the scientific method follows."
Das beweist gar nichts.
Daraus ergibt sich nicht eine Reihe von weiteren Aussagen, die in der
Wissenschaftstheorie diskutiert werden und wurden: Wie die ceteris
paribus, Verbot von Ad-Hoc-Hypothesen usw.usf.
Hier müsste man dann, wenn schon, spezifischer werden darüber, was man
konkret meint und wie man es diskutieren will.
Die philosophische Motivation dahinter ist meines Erachtens seit Kant klar.
Wenn man zeigen kann, dass der wissenschaftliche Fortschritt auf einer
Reihe von Voraussetzungen basiert, dann meint man damit auch
Voraussetzungen gefunden zu haben, die man als philosophische
Grundlagen nehmen kann.
Also z. B. wenn erfolgreiche wissenschaftliche Theorie auf Ockhams
Rasiermesser basieren, dann ist es mit diesem Argument legitim, das
Rasiermesser als ontologisches Prinzip auch in anderen Kontexten
einzusetzen. Etwa der Metaphysik oder Ethik.
Das Ergebnis einer fairen, kritischen und unvoreingenommenen
Berachtung von Fayerabends Werk kann natürlich in einer völligen
Ablehung bestehen.
Mir ging es in der Mail nur darum, dass es eben zu jener
Auseinandersetzung kommen muss.
Und die Prämissen zeigen sich in den Beweisen, die
stets zu den Sätzen herangezogen oder gemacht werden sollten.
Das ist im Grunde:
A -> B -> A.
… eine
Karrikatur von Feyerabend. Ein Strohmann statt eines Sachargumentes.
Feyerabend selbst _ist_ den Wissenschaften gefolgt. Er hat sich Zeit
seines Lebens über Entwicklungen in fast allen Bereichen auf den
laufenden gehalten und nach eigener Aussage gehörte Lesen zu den
Leidenschaften seit seiner Kindheit.
Er ist den Wissenschaften gefolgt, hat aber nichts zu ihnen beigetragen; im Gegensatz zu
dem ebenfalls kritischen Bohm bspw.
Das ist soweit korrekt. Er hat allerdings eine Doktorarbeit über die
Herleitung der Elektrodynamik geschrieben, hat aber die Arbeit nicht
beendet und promovierte dann als Philosoph. (Soweit ich weiß sogar in
der Hoffnung, Künstler zu werden.)