Am 24.09.2020 um 11:15 schrieb Ingo Tessmann:
Am 24.09.2020 um 00:25 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Dieses ständige Denken im Rahmen des menschlichen
Handlungsschemas bringt mich immer wieder in Rage.
Das sollte Dich aber nicht dazu
bringen, unduldsam gegenüber anderen "Überzeugungen", die nicht Deinem Idealbild
von nüchtern naturwissenschaftlicher Betrachtung (und darauf bezogener Terminologie)
entsprechen; Occam's rasor - sei's drum . Ich jedenfalls möchte, jenseits von
striktem Positivismus geprägten Ansichten, in meiner mir eigenen Art der Weltsicht auf die
Betrachtung des "Dazwischen" nicht verzichten ; tertium non datur - sei's
drum!
Hi Karl,
wenn das so einfach wäre!? Unbedarftes Gerede und Religionen sind leider nicht bloß
Privatsache, sondern wesentliche Machfaktoren im Patriarchat.
Ich bin mir nicht sicher, ob man diesen Zusammenhang derart restriktiv,
auf Privatheit und Religionen bezogen, herstellen kann.
Zunächst zum Übel unbedarfter Rede: Eben genau dieses vollzieht sich in
diesen Zeiten auf wirklich unerträgliche, seelentötende Weise (im
Minutentakt) in allen uns bekannten modernen Medien, allen voran die
unseligen sog. sozialen Netze ebenso die staatsseitig per
Rundfunkvertrag etablierten und dementsprechend abhängigen ÖR-Anstalten
neben einer Unzahl beliebiger „Printmedien“.
Darüber hinaus sitzen Pfaffen auf vielen Ebenen mit in
den Entscheidungsgremien, wie z.B. dem Ethikrat,
... und im Rundfunkrat und wo auch immer sich eine öffentliche Bühne
auftut (und seien es Faschingssitzungen). Sie, "die Pfaffen" werden
sich nicht immer selbst dort „einladen“, manch einer derer wird diesen
„Gesellschaftsritualen“ überdrüssig geworden sein, wie wir auch. Andere
derer versuchen den Verfall ihrer Kirchensprengel durch Anbiederung an
den augenblicklich vorherrschenden sozio-ideoligischen Zeitgeist zu
kompensieren; nun bei diesem angekommen (vielleicht ist's eher
zeitgeistiger Lifestyle), sehe ich bei dessen Repräsentanten (sei es im
privaten, gesellschaftlichen oder politischen Bereich) ein neues
Pfaffentum aufkommen, dass bezüglich Scheinheiligkeit, Doppelmoral dem
alten in nichts nachsteht! Vordergründig betrieben, durch Moralisierung
der Gesellschaft im Sinne einer permanent schuldbeflissenen
Moralkommunikation ohne jegliche funktionale Differenzierung.
Wo sich Moral-Kommunikation bzgl. (sog.) Werte überbordend etabliert,
herrscht letztlich (jeden konstruktiven Diskurs) abtötende
Alternativlosigkeit und führt damit zu gesellschaftlicher Spaltung, wie
wir diese mittlerweile weltweit erleben.
Nebenbei bemerkt ist erstaunlich, dass eben beschriebener Zeitgeist
ausgerechnet von jenen Protagonisten befördert wird, die in ihren
SoWi-Studiengängen von Niklas Luhmanns starker Abneigung gegenüber
Moralisierung gehört haben mussten:
Sich also einseitig auf die Repräsentanten des „alten Pfaffentums“ zu
kaprizieren, verfehlt das eigentliche Ziel einer konstruktiven
Gesellschaftskritik.
Aber nochmal zu den Entscheidungsgremien, wie z.B. dem Ethikrat:
… und dort sitzen auch Entscheidungsträger, die sich dort vehement gegen
Sterbehilfe aussprechen, bzw. diese verhindern. Dazu hatte ich ja
bereits hier geschrieben: Absolut nichts mit Ethik gemein hat ein
palliatives Procedere, bei dem definitiv todgeweihte Patienten bei
lebendigem Leibe verhungern müssen und deren Angehörige schier auch
daran zugrunde gehen!
In der Demokratie herrscht halt die Mehrheit und die
ist christlich.
Bei aller (berechtigten) Kritik sollte man die Bedeutung bzw. Auswirkung
von Kontingenz in der interagierenden Beziehung von Führenden und
Geführten nicht unterschätzen (waren es damals Kaiser, Könige, Fürsten
vs Untertanen, Bischöfe vs Glaubensvolk und heute Wirtschaftsführer vs
Arbeitnehmern, Politiker vs Wahlvolk usf.):
Führung sucht intuitiv stets angenommene oder konkret vorliegende
Unsicherheit, Ungeordnetheit, Unwissenheit etc. in dessen
Herrschaftsbereich durch mehr oder minder strikte Regelungsmechanismen
zu minimieren. So autoritär derartige Regelung auch (gewesen) sei, sie
entwickelt letztlich einen interagierenden Prozess zwischen „Herr und
Knecht“, ein System zwischen Unterwürfigkeit und Aufbegehren. Luhmann
nannte das (im Falle einer idealen Entwicklung) ein aus struktureller
Komplexität sich entwickelndes, emergentes Ordnungssystem, eben das
vielbeschworene „Soziale System“. Und wie wir bereits hier über
Emergenz geschrieben haben, sind die Eigenschaften eines derartigen
„Systems“ nicht allein auf jene ihrer Elemente zurückzuführen. Es
entwickelt sich also (gesellschaftlich gesehen) eine darüber
hinausgehende Symbiose.
Es sind also nicht die „Pfaffen“ alleine, die es zu kritisieren gilt;
vielmehr auch die Unterwürfigen, die sich ihnen anbiedern (praktisch
ausgedrückt jene „Betschwestern“, die dem Herrn Hochwürden den Schinken
und die Eier brachten, damit die Kirchenpacht auch nicht verloren geht).
Und wer glaubt, es geht hier nur um „Pfaffen“, der sollte sich über
Praktiken des „Gebens und Nehmens“ der realen Lebenswelt informieren. Es
ist zumeist nicht die Freiheit autonom integrer Entscheidung, sondern
der institutionalisierte Usus, der das Business und die Welt regiert.
Und immer gilt: Was dem einen ein Gut ist, ist dem anderen ein Übel, dem
dritten erscheint es ambivalent und vielen weiteren ist's schlicht einerlei.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS:
/it: Schließlich wurden die patriarchalen „Hochreligionen“ überhaupt
erst erfunden, um die Mütter zu entmachten und generell die Frauen in
ihre Schranken zu verweisen./
Mütter lassen sich nicht entmachten, sie spielten immer eine zentrale
Rolle in ihrem jeweiligen Kulturkreis (zur Zeit der Jäger und Sammler
bis in die Gegenwart), allerdings stets nach Regeln einer sinnvollen
(natürlichen) Rollenverteilung. Wer wollte denn auch heutzutage seine
Mutter nicht ehren? Das praktizieren doch selbst machoide Clan-Chefs zum
Exzess.