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Am 04.05.2022 um 16:31 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Man weiss also, das es Verschränkung gibt; doch
man weiss m.W. nach nicht, welcher Gesetzmäßigkeit bzw. kraft welcher Einflussnahme sie
existiert.
Hi Karl,
mit Wechselwirkung hat Verschränkung eigentlich nichts zu tun. Erstere ist ein
allgemeines Phänomen von den fundamentalen Austausch-WW über die Stoß-WW bis in die
Reziprozitätsbeziehungen in der Kommunikation. Daran ist nichts Geheimnisvolles.
Das sollte mir hoffentlich auch längst bewusst geworden sein und daher hatte ich, bezogen
auf die Wortkombinationen „Wechsel-Wirkung“, Wechselwirkung natürlich nicht in einen
direkten „Wirkungszusammenhang“ mit dem Begriff von Verschränkung gebracht. Wie sollte das
auch möglich sein, wo ich doch auch anführte, dass man zwar um das Phänomen der
Verschränkung weiß und dieses zudem experimentell nachgewiesen ist, jedoch definitiv noch
keine Erklärung dafür bekannt ist.
Mein Hinweis auf M.C. Eschers Bild der sich gegenseitig zeichnenden Hände ist eine nicht
nur von mir verwendete „Hilfskonstruktion“ zur Veranschaulichung von Verschränkung.
Natürlich kann es nur im weitesten Sinne dazu dienen, wenn überhaupt.
Dieses Escher-Bild könnte dennoch auch als gedankliche Brücke (ebenso als
Hilfskonstruktion) zur Vorstellung von Wechselwirkung dienen. Diese Vorstellung habe ich
aber nicht im strikten Sinne von Newtons Gegenwirkungsprinzip oder daraus abgeleiteten
Stossgesetzen etc. sondern nur als Sinnbild für (eine gleichgewichtige) Interaktion
schlechthin.
Vielleicht sollte ich eher das Symbol des Yin-Yang bemüht haben, welches bildhaft für das
Komplementaritätsprinzip steht. Ich glaube nicht, dass es sich dabei um ein statisches
Gleichgewicht in einem betrachteten System handeln kann, sondern um eine (hier auf das
System Mensch bezogene) permanente Wechselwirkung zwischen physischen und psychischen
„Komponenten“, die in einem dynamischen Gleichgewicht (durch systemische Rückkoppelung)
erfolgen sollte. Damit ergibt sich quasi ein psychophysisches Korrelat, das m.E. in seiner
komplexen Anlage längst noch nicht erforscht und somit auch noch nicht abschließend
beschreibbar ist.
Wieder auf mein Bild von Escher im Zusammenhang mit angeführtem psychophysischen Korrelat
zurückzuführen, möchte ich damit zum Ausdruck bringen, dass der Beziehungskomplex zwischen
physischen und psychischen Phänomenen in der gesamtheitlichen Betrachtung von
Wechselwirkungsprozessen im Menschen, wie vor allem aber auch zwischen Menschen (also
kommunikative Interaktion betreffend) von elementarer Bedeutung sind. Daher meine (eher
salopp) angelegte Frage, was denn Ursache resp. Wirkung dieser in diesem Escher-Bild
dargestellten streng symmetrisch ablaufenden Interaktion sei. Zur Beantwortung muss man
natürlich nicht die Philosophie bemühen, wohl eher die Psychologie.
Blockaden, die durch strenge „Symmetrien“ gegeben sind, nicht aufzulösen, sind auch ein
Grundproblem menschlicher Gesellschaften. Am Beispiel von Zweisamkeiten (Ehe,
Freundschaft, etc) zeigen sich solche Symmetrien als Pattsituationen, die zu
(Gesprächs-Blockaden führen. Ein „Symmetriebruch“ konstruktiver Art wäre dann bewirkt,
wenn sich einer der Partner dazu durchringt, ein (Tabu-)Problem anzusprechen und damit die
Ursache für eine positive Wirkung hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer Beziehung
initiiert.
Einfach ausgedrückt, sind das eigentlich Binsenweisheiten und dennoch bewirkt die
Nichtbeachtung dieser Zusammenhänge einen Großteil von Problemen, mit denen sich die
Menschheit herumschlägt.
Das wird es erst in der QM als Folge des
Superpositionsprinzips und der linear algebraischen Formalisierung nicht nur der Zustände
e i n e s Teilchens, sondern der sich über m e h r e r e Teilchen erstreckender. Um der
Quantenalgebra genüge zu tun, bedarf es allerdings extrem gut isolierter Experimente, da
kleinste Störungen schnell die Verschränkungen zunichte machen. Deshalb hat es ja auch so
lange gedauert, bis nach Einsteins theoretischer Arbeit von 1935 Aspect 1982 erstmals
hinreichend genau den experimentellen Nachweis liefern konnte. Ich erinnere noch lebhaft
die erregende Atmosphäre damals im großen DESY-Hörsaal, als Aspect sein Experiment im
Vortrag erläuterte.
Selbstredend alles d‘accord
So möchte man fragen, ob die Philosophie einen
Erklärungsansatz anbietet.
Um den von mir hochgeschürzten Detlef Dürr zu folgen, sollten wir Quantenphysik ohne
Quantenphilosophie betreiben.
Auf Quantenphilosophie habe ich sicherlich nicht abgehoben! Darüber habe ich mich hier oft
schon ausgelassen:
Quantenheilung, Quantenbewusstsein, Quanten...Quanten... vor allem Quanten-Esoterik. Hier
würde man sich spontanen Kollaps dieser „Quantensysteme“ wünschen.
Historisch ist es anders gelaufen mit der
philosophierenden Physik — und schon landen wir wieder bei Mach und ich haue zu Deinem
Leidwesen einen Link raus:
https://homepage.univie.ac.at/christian.damboeck/texte/Avenarius.pdf
Ich weiss nun nicht, ob Du den verlinkten Aufsatz von Damböck selbst schon gelesen hast
oder, Dich wieder an diesen erinnernd, mir vorgelegt hast.
Diese 23 Seiten bergen ein gewaltiges Stück Philosophiegeschichte, mit einer Fülle
berühmter Persönlichkeiten namentlich der neuzeitlichen Philosophie und vornehmlich eben
auch im Umfeld des Wiener Kreises. Fast alles kreist damit gewissermaßen um E. Mach. Damit
ist meine Begeisterung stark gebremst. Gleichwohl beinhaltet der Aufsatz einige
bemerkenswerte Grundaussagen.
Ich erlaube mir, aus diesem „Paper“ zu zitieren:
„Kants kopernikanische Wende (bei Avenarius in der naturalistischen Tradition Fries's
aufgefasst) rückt die Psychologie zwar in die Mitte zwischen Zentrum und Peripherie;
Begriffe werden in ihrer psychologischen Natur erkannt, aber indem die „Dinge an sich“ in
unerkennbare Ferne rücken, geht hier „aller realer Weltinhalt verloren“ (Ueber die
Stellung der Psychologie 477). Diese Abkapselung der Erfahrung in einem unerreichbaren
Ding an sich führt zu einer weiteren Radikalisierung des Denkens in den idealistischen
Systemen, in denen die Psychologie ins Zentrum tritt, aber in hoffnungsloser Form, weil in
einer gänzlich unempirischen Erscheinungsform (Ueber die Stellung der Psychologie 478).“
Mein Interesse daran bezieht sich auf den empirischen Aspekt dieser Aussagen. Wenn man die
Fülle von Thesen, Antithesen, Theorien etc. in ihrer Gesamtheit als ein Gewebe von
Denkmustern annimmt, so wäre - nach Kant - die Psychologie, damit eben alle subjektiv
angelegten Denkkonstrukte (Inferenzen als subjektiv interpretierte Begriffe, Annahmen,
mentale Fixierungen) zwischen Zentrum und Peripherie dieses „Gewebes“ angesiedelt; an der
Peripherie hingegen der Gesamtbereich der empirischen Erfahrungswelt, also die Welt des
eigentlich Faktischen und somit der benannte „reale Weltinhalt“.
Damit wird deutlich, dass tatsächlich aller realer Weltinhhalt jenen (zumindest
gedanklich) unerreichbar ist, die sich nicht aus ihren subjektiven Psychologismen befreien
können. Platt ausgedrückt: Es sind die Traumtänzer dieser Welt.
Damit das hier nicht zu unübersichtlich wird, werde ich vlt. später nochmal auf Damböcks
Aufsatz eingehen.
Beste Grüße! - Karl