Am 20.02.2021 um 12:32 schrieb Ingo Tessmann via Philweb:
[Philweb]
Am 19.02.2021 um 19:51 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich <dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
das Dilemma, mit Kategorien wie „Kohärenz“ und „Wechselwirkung“ dann doch etwas
Jeweiliges zu meinen, mit der Kategorie „Baum“ also einen bestimmten Baum etc., das hat
auch zu dem Mißverständnis geführt, zu dem ich mit dem Gebrauch des Begriffs „Kohärenz“
Anlass gegeben habe.
Ich meinte damit nicht oder nicht nur den allgemeinen, verallgemeinerbaren Aspekt des
Zusammenhängens überhaupt, sondern implizit mitgedacht ist, dass das jeweilige
Zusammenhängen zu etwas Besonderem, Distinktem führt. Dieses Besondere kann sich in seiner
Besonderheit und betreffs seines Eigenseins mitteilen, und zwar nicht über ein allgemeines
Medium, das gleich welchen Inhalt aufzunehmen vermag (wie Sprache oder Strahlung), sondern
im Zeigen des eigenen Vollzugs. Dem Eigenen, und sei es das dieses, nämlich ein bestimmtes
Korn-Sein wird Ausdruck verliehen, indem es sich selber mitteilbar macht und zeitweise und
in Bezug auf anderes Eigenes zur Mitteilung wird.
Hi Thomas,
indem Du Dich der Sprache bedienst bis Du doch immer schon weg vom „Selbst“ im
Mitteilbaren. Dein „Eigensein“ ist grundsätzlich nur Dir selbst gegeben und so ist es mit
allen „Selbstseienden“. Darüber können wir nichts sagen und das ist wohl der Grund, warum
Du so viele Worte brauchst. Mir wird dadurch kaum etwas verständlicher und ich vermute,
dass es vielen so geht. Was man nicht sagen kann, muss man zeigen! Damit hatte
Wittgenstein ja Russell auf die Palme gebracht. Er verstand ihn nicht mehr. So scheint es
mir mit Dir auch zu gehen. Oder denken wir an die Monaden Leibnizens. Die konnte er sich
als jeweilige „Eigenheiten“ nur "prästabiliert in Harmonie" denken. Und zeigen
nicht andererseits gerade die Besonderheiten der Biophotonen das jeweils Eigene eines
Organismus?
IT
Ingo T. ist kein Mann der "vielen Worte", war er noch nie, seit ich ihn
hier in philweb erlebe.
Ich bin gewöhnt, mit Menschen umzugehen (und notwendigerweise
hinreichend zu verstehen), die mit wenigen Worten ihre Belange (ihr
"Eigensein") und jene ihrer Lebenswelt in durchaus prägnantem
"Selbstsein" auszudrücken vermögen.
Meine Frau, selbst Ingenieurin, ist das lebende Beispiel (scheint in
Norddeutschland nicht selten zu sein :-))
Sie (bisweilen wehtuend scharf) analytisch, ich eher das wortreich
"spielende Kind", bringe sie (der vielen Worte überdrüssig) damit nicht
selten zur Resignation. Was soll man sagen? Im Sinne der von mir hier
bereits beschriebenen Komplementärität ergänzen wir uns kongenial - und
darauf kommt es an.
Aus redundant, nahezu bildhaft sprachlichem Ausdruck die wesentlichen
Aussagen zu entnehmen, ist nicht jedermanns Sache. Dennoch bietet diese
Art der Formulierung eine gewisse Ausdrucksfülle, die dem Rezipierendem
Spielraum für eigene Interpretation und dementsprechendes Verständnis
belässt. Somit ist es nicht immer leicht und sogleich möglich, dem
dargestellten Sachverhalt zu folgen, was eine ggf. mehrmalige
Beschäftigung damit erfordert. Doch wer wollte von sich sagen, er hätte
Kant's Schriften auf Anhieb verstanden?
Eigentlich aber, wollte ich etwas zu Beiträgen hier schreiben, die mich
über die jeweilige Causa hinausgehend, immer wieder nachdenken ließen
und mich dabei - wie so oft – in neue oder bislang wenig, resp. gar
nicht bedachte Themenbereiche geraten lassen.
Und so sehr mich das Hineindenken in hier vorgebrachte Argumentationen
fordert und fördert, so irritieren mich diese auch nicht selten: Dieses
relativierend, finde ich Bestätigung meiner immer wieder hier
vorgebrachten Beteuerung, dass Menschen ihre jeweilige Weltsicht
unvermeidbar aus verschiedenen Blickwinkeln heraus entwickeln; eben nach
dem Muster, wie Joseph dies in ernüchternder Schilderung einer
Diskussion aufzeigt:
/„A sagt: Das Wasser läuft den Berg hinab. B sagt: Das Wasser läuft den
Berg hoch. Die Vertreter oder die Glaubenden: A1 glaubt an die Autorität
von A, B1 glaubt an die Kompetenz von B. C sagt: Das was A und B sagen,
ist Ideologie. C fragt, ob denn A und B gut in der Schule waren, so dass
sie die statistischen Modelle QEV noch kannten, die hätten D und E
schließlich in den Büchern klar formuliert. F kommt daher und sagt, es
müsste eine Synthese gemacht werden, ...“/
Dissens ist also unvermeidlich vorprogrammiert und daher gewinnt die
Frage (von Thomas thematisiert) an Relevanz: Wie schafft man hinreichend
Koherenz im „Interaktionsraum“ philweb?
Hinreichend insoweit, als eine gemeinsame Basis zur Aufrechthaltung
einer „Diskussionskultur“ geschaffen und erhalten werden muss. Diese
Frage kann man in sehr unterschiedlicher Ausführung zu beantworten
suchen: Eine Antwort ist m.E. von Thomas (wenngleich in etwas abstrakter
Ausdrucksweise) sehr präzise gegeben:
/„Damit entsteht ein von zwei Seiten gefüllter „Interaktionsraum“, der
nicht leer ist, sondern gesondert und sondernd und besonders gefüllt,
nämlich aus dem beiderseitigen Vorgehen, und damit aus dem, was in ihn
aus den beiden miteinander interagierenden Quellen zufließt.“ /
Soweit ich diese Beschreibung zutreffend interpretiere, sollte diese
auch für einen von mehreren Seiten „befüllten“ Interaktionsraum gelten.
Ich hatte diesbezüglich vor einiger Zeit hier von der Notwendigkeit
geschrieben, im gegenseitigen Diskurs einen Perspektivenwechsel
vorzunehmen, d.h. sich gedanklich (gleichwohl temporär) in den
Diskussionspartner zu versetzen, um zumindest dessen Denkweise zu
verstehen, womit nicht gefordert ist, diese zu akzeptieren.
Um nun bei ersterer Beschreibungsform von Wechselbeziehung innerhalb
unseres „Interaktionsraums“ philweb zu bleiben, würde ich einige der
derzeit (eher off-topic) eingebrachten Beiträge zum Thema Corona als
klares Zeichen von Inkohärenz „miteinander interagierender Quellen“ werten.
Inkohärenz, die sich in einem Defizit an inhaltlich geordneter
Gedankenstruktur zeigt oder sich schlichtweg nur als (obgleich in
diesen üblen Zeiten verständliche) Gedankenverirrung ausdrückt!
Ich glaube, dass wir gut daran tun, uns (wie im Fall der kritisch
geführten Diskussion um Religion, Gott und Geister) diesem ebenso
kritischen Thema auszuweichen; um keinesfalls dabei aber auf
wissenschaftlich klar fundierte Beiträge bzw. Literaturhinweise (wie sie
uns Ingo T. oft bereitstellt) zu verzichten.
Und so schließe ich wie begonnen: Wir alle sehen auf Welt und Kosmos aus
verschiedenen Blickrichtungen, da jeder auf einem anderen Platz steht,
bewerten das Geschehen daher aus divergent angelegten Aspekten; dieses
unterschiedlicher Sozialisierung (im weitesten Sinne), Lebenserfahrung
und -führung usf. geschuldet.
Eines sollte hier nun nicht passieren und daher möchte ich mein Beispiel
vom nächtlichen Blick zum Mond wiederholen:
Zwei sehen des Nachts in Richtung Mond. Einer der beiden, dessen freie
Sicht darauf (durch was auch immer) verstellt ist, leugnet vehement die
Existenz des Mondes, da er ihn nicht sehen kann.
Den Finger in einen der kühlen Mondkrater zu legen, ist nicht so leicht
zu bewerkstelligen, wie es dem „ungläubigen Thomas“ ermöglicht war,
seinen Finger in die Wunde des Gekreuzigten Jesus zu legen.
So ist man immer wieder gefordert, Wirklichkeit von Illusion zu
unterscheiden und läuft Gefahr dabei, sonderlich gearteten Erzählungen
Glauben zu schenken.
Bester Gruß in die Runde! - Karl
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