Am 27.11.2020 um 18:26 schrieb Claus Zimmermann
<mail(a)clauszimmermann.de>de>:
Die einzelne Person, die sich - unterstellen wir: mit Recht - sagen muss "Ich war
zwar besser, hatte aber die falschen Chromosomen", steht dumm da. Wozu sich
anstrengen, wenn nur eine Geschlechtsumwandlung zum Erfolg verhilft? In den USA gab es ja
schon im akademischen Milieu den Fall eines nachgemachten Angehörigen einer früher
benachteiligten Minderheit.
Aus Gründen der Selbstachtung wird sie es sich sehr oft auch zu Unrecht sagen, was zu
einer Vergiftung der Atmosphäre führt.
Hi Claus,
man kann alles derart missverstehen oder übertreiben, dass es absurd wird.
Vielleicht könnte man die Standpunkte so
zusammenfassen:
Ich finde, es sollte bei Personalentscheidungen nur auf die Fähigkeiten der Kandidaten
ankommen. Ein Anstreicher sollte gut anstreichen, ein Sänger gut singen können etc. Ich
würde so weit gehen, bei der Auswahl meines Zahnarztes oder Herzchirurgen nicht aufs
Geschlecht zu achten und bewundere dein selbstloses Opfer für die gute Sache. Falls du
allerdings in diesen Fällen nicht nach Geschlecht entscheiden solltest, warum dann bei der
Besetzung von Stellen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz?
Wichtig sind vor allem die Zwecksetzungen und Zielvorgaben. Das sollten Frauen machen.
Mittel und Wege können die Männer finden. So wird die Arbeitsteilung in der SciFi-Serie
„ORION" auf dem von abtrünnigen Menschen bewohnten Planeten „Chroma" praktiziert
- und es funktioniert hervorragend. Ich sehe die Quotenregelungen deshalb für Top-Jobs
geeignet, weil es nur vage allgemeine Voraussetzungen und keine genauen fachlichen
Spezifikationen gibt. Das geht zum Teil bis ins mittlere Management hinein so. In
Schweden, UK und den USA beispielsweise klappt das schon wesentlich besser als in der BRD.
Du findest, wenn es früher auch auf das Geschlecht
angekommen ist, sollte es jetzt auch darauf ankommen, nur umgekehrt. (Andere sachfremde
Kriterien, es sei denn, die Hauptsache bei der Stellenbesetzung ist die Steuerung der
Gesellschaft in eine erwünschte Richtung, sind auch schon im Gespräch.)
Du siehst Gerechtigkeit im Proporz unter Berücksichtigung früherer Disproportionalitäten,
ich in Sachorientiertheit der Entscheidung.
Ich gebe zu, daß mein Standpunkt praktisch nicht so leicht umzusetzen ist, da man
Fähigkeiten nicht immer so eindeutig messen kann wie die Körpergrösse und man ausserdem
von Fähigkeiten reden, insgeheim aber doch nach anderen Präferenzen entscheiden kann.
Machen wir uns nichts vor: Beziehungen, Habitus, gleiche Wellenlänge werden immer eine
Rolle spielen. In allen Milieus. Weil Menschen sind wie sie sind und sich das auch nicht
durch Planung und Steuerung und nicht von Planern, die auch keine Idealwesen sind,
austreiben lassen.
Bei eindeutigen Missverhältnissen könnten Quoten als Korrektiv mit allen Risiken und
Nebenwirkungen ausnahmsweise akzeptabel sein. Hier und heute fände ich sie eher schädlich
als nützlich. Im Nachhinein möchte ja auch niemand darauf angesprochen werden, daß er
seine Position nicht nur seinen Fähigkeiten verdankt.
Selbstverständlich sollten Quotenregelungen nur so lange gelten, bis sie sich überflüssig
gemacht haben und die Gesellschaft etwas gerechter geworden ist. Es gibt ja noch viele
andere Ungerechtigkeiten. Für alle Jobs mit genauer Arbeitsplatzbeschreibung gibt es keine
Quotenregelungen und sollte es selbstredend auch nicht geben. Dort bezieht sich die
Frauenförderung zumeist nur auf den Hinweis, dass unter sonst gleicher Qualifikation der
Frau der Vorzug gegeben werden sollte. So ist es bereits seit Jahrzehnten im öffentlichen
Dienst. Frauenverächter finden natürlich weiterhin Wege, durch Spitzfindigkeiten in den
Ausschreibungstexten und Arbeitsplatzbeschreibungen die Einstellung von Frauen zu
verhindern.
Ein weiteres Problem bei der (vorübergehenden) Frauenförderung gibt es im MINT-Bereich;
denn dort fehlt es häufig an Bewerberinnen, wobei es ganz schlecht aussieht für Physik und
Elektrotechnik. Wenn Frauen sich für Naturwissenschaft oder Technik interessieren, wählen
sie z.B. eher Biologie und Chemie oder Biotechnologie und Umwelttechnik. Im Gesundheits-
und Erziehungswesen ist es eher umgekehrt und es könnte über eine Männerförderung
nachgedacht werden. An der TUHH erhalten die Stellenausschreibungen z.B. den Nachsatz:
"Wir fordern insbesondere Frauen auf, sich zu bewerben. Sie werden aufgrund ihrer
Unterrepräsentanz bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig
berücksichtigt.“
Es grüßt,
Ingo