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Am 10.06.2024 um 15:55 schrieb waldemar hammel über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
man muss sich stets immer wieder erneut klarmachen, in welcher real-welt wir (auch heute
noch) leben:
wiki:
In Polen ist es für Menschen, die sich besessen glauben, leicht, einen Exorzisten zu
finden. 130 Priester sind offiziell ermächtigt, Exorzismus-Rituale abzuhalten. Eine
polnische Internetseite der katholischen Kirche listet Gebete, Adressen und Telefonnummern
von Ansprechpartnern.
Das lässt an den wohl dramatischten Fall derartiger Rituale im Nachkriegs-Deutschland
denken, der sich in den 1979er Jahren in Unterfranken abspielte:
Anneliese Michel starb an den Folgen einer massiven Unterernährung, die sich im Verlauf
ihrer von religiösen Wahnvorstellungen begleiteten Krankheitsphase, ausgelöst durch
epileptische Anfälle, entwickelt hat. Ihr Elternhaus war streng religiös, eine
Grundeinstellung, die auch für die Tochter massgebend war und daher ihre epileptischen
Zusammenbrüche als Besessenheit durch einen/den Teufel erklärt wurden. Diesen galt es
auszutreiben und das mit allen Mitteln. Ein Verhalten, das bei religiösen, wie auch
säkularen Sekten zu beobachten ist, hat dazu geführt, dass jegliche externe medizinische
Fachexpertise ausgeschlossen wurde und man sich stattdessen auf Gebete und eben dem
Prozedere einer Teufelsaustreibung verlassen hat. Damit war man - von allen guten Geistern
- verlassen.
Denkt man nun an Schamanentum, oder sog. (auch fachmedizinisch anerkannte) Wunderheilungen
etwa in Lourdes oder anderen Wallfahrtsorten, kommt unweigerlich die Frage auf, ob es sich
dabei (ähnlich wie bei Heilung durch Homöopathie) um die erfolgreiche Aktivierung von
Selbstheilungskräften (was bei Spontanheilung kaum möglich ist) oder tatsächlich um
medizinisch nicht erklärbare Phänomene handelt.
Ist es eine Frage des Glaubens - wie es von Jesus berichtet wird?
„So ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von
hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.“ (Matt.
17/20).
Nun wird man Anneliese Michel und ihren Eltern keinen schwachen Glauben zuschreiben
können, warum also wurde sie nicht geheilt? Unbenommen der Frage, ob Epilepsie überhaupt
zu heilen ist oder eben nur in seinen Folgen medikamentös abgemildert werden kann, lag
m.E. der Fehler darin, diese Krankheit als Besessenheit durch einen Teufel zu deuten. Es
gab Tonaufzeichnungen, die sich durchaus „teuflisch“ anhörten.
Dämonen spielten in der Kulturgeschichte der Menschen immer eine Rolle und das in
entsprechenden Kreisen auch heute noch. Und so waren es bei den Michels eher böse, denn
gute Geister, die man da herbei rief.
Kein Wunder aber, warum bibelkundige Christen an die Möglichkeit der Teufelsaustreibung
glauben:
Bei Mt 8.28-34 die Erzählung von der Heilung des besessenen Geraseners: …. „Und die
unreinen Geister baten ihn und sprachen: Lass uns in die Säue fahren! Und er erlaubte es
ihnen. Da fuhren sie aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter
ins Meer, etwa zweitausend, und sie ersoffen im Meer.“
Ja, was soll man darüber denken, dazu sagen? Womöglich bleibt nur die Feststellung, dass
Menschen sich immer auch im „Dunstkreis“ von Geistern wähnten - seien sie als gute oder
böse angenommen - und es bis heute tun.
Und wenn ich hier schon Bonhoeffers „Gute Mächte“ erwähnte, die mir zur Seite stehen, dann
sollte ich mich nicht wundern, hier als dem Mystischen anheim gefallen, beschrieben worden
zu sein.
Kompliziert diese Geschichte, nur gut, dass man hier in Bayern von Schutzengerln spricht,
das macht diese Geschichte einfacher - hätten sich die Michels schlicht an diese gehalten,
wär‘ es für ihre Anneliese besser ausgegangen.
„Wer sich ins Feuer begibt, kommt darin um!“ Kein Bibelspruch und dennoch ein guter Rat!
Wo ist übrigens unser Rat (rf) abgeblieben?
KJ