Am 10.12.2022 um 14:18 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
… Was ich damit sagen wollte: Die Sachorientierung ist ständig im Recht üblich und sehr
sinnvoll. Trotzdem gibt es viele Fehlerquellen. Wenn etwa ein ranghöheres Gesetz noch
nicht im unteren Gesetz angekommen ist, und die unteren Gerichte es noch nicht anwenden
können. Dafür sind ja die Instanzen da, um Unklarheiten zu verhindern, das dauert aber
lange, oft zu lange.
das stets Auslegungsspielraum lässt,
ja und nein.
was sich ja gerade am Bsp. der „Nötigung"
zeigt.
Dann zeige es, nehme die Aussagen von Fischer und die von anderen und stelle sie
gegenüber statt es einfach so zu schreiben. Unter dem von dir zitierten Text bemerkte ein
anderer Blogger, dass die dort genannte Ausnahmenorm selten angewandt wird. Wenn ja, dann
ist da ein allgemeines Problem, mit Blick auf die Konkurrenz verschiedener Normen (auch
Widersprüchlichkeit genannt).
Hi JH,
ja eben, ob selten oder meistens, es liegt im Ermessen des Gerichts, die Klima-Klebenden
zu verurteilen, das Strafmaß festzulegen oder sie einfach freizusprechen. Hinzu kommt noch
die Spannweite der juristischen Maßnahmen bspw. zwischen München und Berlin.
Klare
Sachlagen gibt es nur in der Science, nicht in den Humanities.
Jetzt das Wort "Sachlagen", ich kann damit nichts anfangen. Sind es die Sachen,
die geschehen, wenn ein Auto von der Straße abkommt? Ja, das ist dann eine klare Sachlage.
Sind es Sätze, die eine Prognose erlauben? Wenn ja, kann ich dir auch sagen: Wenn ich mal
zu leicht bekleidet auf die Straße laufe, ist die Prognose auch ziemlich klar. Oder mich
im Suff an einen Suv anklebe. Ich habe enorme Schwierigkeiten, eine Verbindung zwischen
externen und extremen Aktivitäten mit politischen Wünschen als sinnvoll zu denken.
Beispiele: Singen für den Frieden, Sport für die Völkerverständigung, Gang der Politiker
zu den Unfallstellen, the giving pledge, Streik usw. Dass dabei an ein Druckmittel, eine
Beschönigungs-Sache gedacht wird, das verstehe ich, viel mehr nicht.
Wenn ein Physiker auf einen Juristen trifft: Das Wort Sachlage habe ich analog zu
Rechtslage gewählt in Erinnerung an Rechtsübungen, in denen es darum ging, nach
geschilderten Lebenssituationen, die Frage zu beantworten: „Wie ist die Rechtslage?“
Neigen Juristen nicht dazu, sich das ständig zu fragen? Die Frage nach der Sachlage ist
für mich aber die nach den physischen Vorgängen in den Lebenssituationen: was ist wie
genau mit welchen Folgen passiert? Das hat noch nichts mit den rechtlichen Konsequenzen zu
tun. Denn ob etwas als Tathergang oder bloßer Vorgang betrachtet wird, trennt gerade
Science von Humanities. Dabei sind bspw. Betäubungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche
besondere ideologische Streitfälle geblieben, die nicht nach Wissenschafts- bzw. Sach-,
sondern nach Rechtslage beurteilt werden. Wie sollen Juristen nach der Sache entscheiden
können, wenn es das Gesetz nicht zulässt? Ist dann nicht ausserparlamentarisch auf eine
Änderung der Gesetze zu drängen? Hat es jemals wesentliche gesellschaftliche Veränderungen
zu mehr Freiheit und Gerechtigkeit hin gegeben ohne ausserparlamentarische Proteste?
Naturgesetze
sind mathematisch und empirisch,
schön wenn es so einfach wäre, denke an Sabine Hossenfelder, welche die propagierte
Schönheit der Physik in Frage stellte und als Vorurteil darstellte.
Das ist so einfach; denn wie bereits geschrieben, hat Hossenfelder das Forschungsprogramm
zur Vereinheitlichung der Theorien nach Symmetrieprinzipien infrage gestellt, aber nicht
die bereits gültigen und genauen physikalischen Theorien.
Rechtsgesetze
amtssprachlich
ja und nein, denn Recht geht meist von der Umgangssprache geschichtlich aus, bis es dann
zu einer Extrasprache wurde, die vom Mann von der Straße nicht verstanden wird. Denke an
den Film "Crainquebille".
und normativ,
ja
also je nach Mehrheits- oder Machtverhätnissen
nahezu beliebig,
ja und nein
Noch einmal zugespitzt: Folgerungen aus Naturgesetzen sind notwendig, Folgerungen aus
Rechtsgesetzen kontingent, wenn nicht zufällig; nämlich je nachdem wer gerade wann nach
welchen Gesetzen richtet.
Warum wird im
Recht bspw. nicht konsequent das Verursacherprinzip verfolgt?
Es wird oft konsequent verfolgt, sogar sehr gründlich, über Jahre, und am Ende kann es
sein, dass trotzdem nichts darauf folgt, denke an "die Love Parade“.
Meinem Eindruck nach wird es nicht oft sondern selten verfolgt, aber den Dissens können
wir zurückstellen, da ich keine seriösen Untersuchungen dazu kenne. Was mir allerdings
unabhängig davon bereits auffällt, ist, dass nicht die Autofahrenden für die Folgekosten
ihrer Fahrerei und Parkerei aufkommen müssen, ebenso haben Lebens- und
Genussmittelhersteller nicht die Gesundheitskosten mitzutragen, die sie mitverursachen.
Oder fällt das etwa unter die Dispositionsmaxime?
Zweite unabhängige Antwort: Die Dispositionsmaxime
steht dem oft im Wege.
Und warum wird den Forderungen der Klima-Kleber
nicht einfach entgegengekommen, z.B. durch ein 29-Euro-Ticket und ein Tempolimit von 120
km/h bsp., Forderungen, die sogar mehrheitsfähig sind
ganz einfach weil es viele Köche gibt, und jede Gruppe der Köche will gehört werden, du
pochst sogar darauf, dass die Kleber mitkochen, andere pochen und kochen in die
Gegenrichtung, bzw. in alle Himmelsrichtungen. Lachendes Eigenlob für dieses Wort, denn
mit den Himmelsrichtungen kennst du dich gut aus, das Wort (Gottes- oder Rätsel-)Himmel
sei betont, um noch kräftiger zu lachen!
Es kommt doch auf die Gewichtung der jeweiligen Gruppe an — und die lässt sich nicht nach
der Lachstärke beurteilen, sondern nach den wissenschaftlichen Begründungen. Dann hätten
die vielen Eigeninteressenvertretenden gegenüber den wenigen Unparteiischen nichts zu
lachen, aber die Gesellschaft würde ein wenig gerechter.
und dem
Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 folgen?
Diese Beschlüsse bleiben erst mal "ganz oben", und hast du auch noch nicht
gemerkt, dass es ein Aspekt der oberen "Gesetze" ist, dass mit ihnen ganz schön
was vorgegaukelt werden kann? Nimm mal das Menschenrecht, nach Willkür hin und her zu
wandern, zu fliegen, einen Partner zu finden, wenn du kein Geld hast und noch alt und
behindert? Bewirkt dieses obere Gesetz nicht ein kräftiges Klimaverschmutzen? Es bedarf
erst mal einer Heerschar von Personen, die denken, dass diese Gesetze etwas bewirken.
Andere pochen darauf, von diesem Recht Gebrauch zu machen, denn aus dem Glauben heraus
kommt das Gespräch, auch deine Fragen. Das hat nichts mit Auslegung zu tun. Andererseits
willst du mit dem Glauben nicht viel zu tun haben. Bei mir ist es anders, ich habe weder
Meinungen noch Überzeugungen.
„An der Sache reden statt Meinungen austauschen“ und noch verschärft durch die
Beschränkung auf Worte, wenn nicht Wörter: Ich halte das für eine Überzeugung, wobei ich
das „an der Sache reden“ ja nachvollziehen kann. Mein Faible gilt aber nicht den Menschen
mit ihren Wörtern, sondern der Natur mit ihren Strukturen. Menschen schreiben Dingen Worte
zu und setzen sie in Beziehungen zueinander. Physiker formulieren mathematische Sätze
unter natürlichen Einschränkungen. Oder wie es Gerhard Mack formuliert hat, den ich
hiermit in Erinnerung schreibe: "The human mind thinks about relations between things
or agents.“
Die Theoriebildung beginnt dann in zwei Schritten:
1. Man benennt Dinge (oder Sachverhalte)
2. Man macht Aussagen über benannte Dinge.
Diese beiden Alltagsschritte werden in den Naturwissenschaften zu zwei Arten von
Naturgesetzen verfeinert:
3. Einschränkungen an den Zustand eines Teils der Welt zu einem (beliebigen) Zeitpunkt.
4. Verlaufsgesetze, d.h. Aussagen über die Dynamik, d.h. über Veränderung des Zustands im
Lauf der Zeit.
Wie werden die beiden Alltagsschritte 1. und 2. in den Rechtswissenschaften zu zwei Arten
von Rechtsgesetzen verfeinert? Im Recht geht es um die Suche nach dem Täter einer Tat
hinsichtlich eines Rechtsgesetzes, um ein Urteil fällen zu können. In der Physik bzw. der
Technik geht es um die Suche nach Einschränkungen hinsichtlich eines Naturgesetzes, um ein
Experiment durchzuführen bzw. eine Funktion zu erfüllen.
Das Parlament beschließt Rechtsgesetze, Experimente bestätigen Naturgesetze. Folgen
Juristen den Rechtsgesetzen so wie Ingenieure den Naturgesetzen? Und entsprechen den
Gerichtsverfahren zur Ermittlung der Schuld den Konstruktionen zur Erfüllung der Funktion?
Im Recht haben die Beweiserhebungen der Prozessordnung zu genügen, in der Physik haben die
Beweise der Mathematik und den Experimenten zu genügen. In der Technik liegt der Beweis in
der Funktionserfüllung durch die Geräterherstellung. Sind in der Prozessordnung analog die
Einschränkungen des Tathergangs zu sehen? Verhalten sich 5. Gerichtsverfahren und 6.
Tathergangsbeschreibungen wie oben 3. und 4.?
Ideologiekritisch halte ich es selbstredend für problematisch, von „Naturgesetzen" zu
schreiben; denn die Wortwahl sollte ja einstmals suggerieren, dass sowohl der Mensch wie
die Natur (von der Gesetzestafel eines Stammesgottes ausgehend) den „Gesetzen“ einer
Mythengestalt unterworfen sei. Aufgeklärten Zeitgenossen angemessener wären also die
Bezeichnungen Physikerregeln bzw. Juristenregeln für Natur- bzw Rechtsgesetze.
Bemerkenswerterweise tragen Juristen im Gegensatz zu Professoren immer noch Talare, die
doch eigentlich längst vom Muff von Tausend Jahren gelüftet sein sollten.
IT