Am Di., 19. Nov. 2019 um 03:35 Uhr schrieb K. Janssen <janssen.kja(a)online.de>de>:
Nach heutigem (mathematischen) Verständnis der
Zusammenhänge verlieren bzw. verändern sie ihre Bedeutung, zeigen aber nach wie vor
deutlich die Fallen auf, in die menschliches Denken geraten kann. Zenon hat (Verwirrung
stiftend) nichts weiter als - gedanklich - eine endliche Strecke unendlich oft geteilt.
Mathematisch bilden die Zeitintervalle eine unendliche Reihe, die konvergent ist und damit
eine endliche Summe besitzt: nach 11, 1 Sekunden erreicht Achilles die Schildkröte.
Meines Erachtens ist das Beispiel von Zenon in zweifacher Hinsicht interessant:
1.) Zenon zeigt überdeutlich eine Sache auf: Er hat versucht zu
argumentieren. Sein (vermutlich von ihn verehrter Lehrer) Parmenides
hat so eine Art Frühversion des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten
geliefert und eine Art Korrespondesnztheorie entwickelt. Er hat dabei
vielleicht sogar unsere Art über Sein oder Nichtsein nachzudenken
entscheidend geprägt - siehe den Vergleich zu asiatischen Denkart.
Dennoch, bei P. lesen sich diese Erkenntnisse wie Offenbarungen, die
aus den Händen eines Gottes empfangen wurden. Das wirkt auf uns heutge
Menschen extrem seltsam, aber wenn man sich z. B. die Urtexte des
Buddhismus (Pali-Kanon insbesondere, soweit ich sehe auch das
Lotos-Sutra) oder die entsprechenden Texte des Alten Testamentes.
Z. kommt nun der Ruhm zu, dass er es nicht einfach dabei belassen hat,
sondern sich ein Argument für die Lehre seines Lehrers ausgedacht hat.
Bewegung ist unmöglich, weil der Begriff zu unauflöslichen Aporien
führt.
2.) Zenons Rätsel wurde nach JAHRHUNDERTEN durch die Entwicklung der
europäischen Mathematik endlich geknackt. Wobei auch schon die moderne
Physik eine annehmbare Antwort bereithält.
Das lässt meines Erachtens Hoffnung bestehen, dass auch andere
unlösbar scheinende Rätsel irgendwann geknackt werden.
Aristoteles‘ Unterscheidung zwischen dem „Potentiell
Unendlichen“ und dem „aktual Unendlichen“ bezieht sich auf das Grenzgebiet
zwischen Philosophie und Mathematik, beschränkt sich auf den Umgang mit ausschließlich
sinnlichen Dingen und Gegenständen; etwas
Ganzes im abgeschlossenen Sinne eines Unendlichen erkennt Aristoteles nicht an und
schreibt seiner Vorstellung von potentieller Unendlichkeit
lediglich logische Relevanz zu: Menschliches Denken, welches schlechthin auf Raum Zeit
begrenzt ist, könne nur in Teile des
Kosmos und niemals in ein angenommen unendlich Ganzes eindringen.
Hierzu vielleicht eine kleine Anmerkung: Meines Erachtens ist die
Trennung zwischen Mathematik und Philosophie sowieso nicht so
kategorisch, ebenso die Trennung zu Physik. Letztlich dient das nur
der pragmatischen Orientierung, weil eben viele Physiker keine Lust
haben, sich lange mit Erkenntniskritik aufzuhalten, während
Philosophen sich bei mathematischen Details wohl eher langweilen.
Dieser Ansicht steht m.E. kein logisches Argument
entgegen, stellt aber doch nur ein abstraktes weltanschauliches Denkmodell dar.
Es gibt zwei Probleme mit dieser Ansicht. Erstens wie gehst du mit
einem Intervall wie [0;1] um? Man kann, wittgensteinisch,
argumentieren, dass wir die unendlich viele Zahlen zwischen 0 und 1
überhaupt erst konstruieren. Sie quasi erfinden statt entdecken. Das
führt aber ebenfalls zu gewissen Problemen.
Zweitens, diese Ansicht widerspricht stark der Intuition, mit eine Art
platonischen Gegenstand zu arbeiten.
Die letztlich erfolgte Anerkennung von Cantors
Mengenlehre ist der Lohn für seinen Mut zu eben diesem Grenzübertritt, der im Ergebnis
die gleiche Erkenntnis erbracht hat, wie die (heute meist als Esoterik verschriene)
Annahme des Hermes Trismegistos: „Wie im Großen – so im Kleinen“.
Cantors Ideen widersprechen, zumindest scheinbar, zwei sehr
grundlegenden Annahmen, die bis dahin mehr oder weniger
selbstverständlich geglaubt wurden, das sog. Archimedische Prinzip und
der Inexistenz des aktual Unendlichen. Ersteres sagt aus, dass ein
Teil kleiner als die Gesamtheit sein muss.
Das trifft aber nicht zu, der Inhalt von [0;1] enthält genauso viele
Zahlen wie ganz IR. Sogar mehr Zahlen als IN.
Die heute "orthodoxe Lehre" (ja, ich habe eine Vorliebe für solche
Beschreibungen) geht davon aus, dass diese beiden Annahmen eben falsch
sind. Einige andere Leute suchen dagegen Fehler in Cantors Methode zu
entdecken.
„Wenn die Materie ins Unendliche teilbar ist, so
enthält sie wirklich eine unendliche Menge von Teilen, ein Unendliches, das real und
aktual existiert.“ (Pierre Bayle)
Und Planck?
P.S.: Ich möchte mich entschuldigen. Mein Text weiter oben ist ein
"Schnellschuss" ohne nochmaliges Lesen und tieferen nachdenkens. Er
enthält einige unschöne Fehler und entbehrt jeder Tiefe. Allerdings
ist ja gar nicht klar, ob ich bei längeren Nachdenken etwas
intelligenteres geschaffen hätte, also ist es wohl das Beste, was ich
beitragen kann. Immerhin, die Diskussion halte ich am Leben, oder?