Am 08.12.2022 um 13:59 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Wenn physikalische Theorien infallibel sind, dann können die Wissenschaftler sich
ausruhen und einen anderen Beruf suchen, oder nicht? Oder dann kann Wissenschaft nichts
Neues bei diesen erzeugen, oder immer nur mehr im Kleinen .... Bis die Sache nur noch von
KI gehandhabt werden kann, und die Bediener das Wissen nur noch zu ernten brauchen. Das
sind entfernte Nebenkriterien, die ich nur zu vermuten gebe.
Noch eine Frage: Kommen Theorien ohne Hypothesen aus? Strahlt die Fehlbarkeit der
Hypothesen nicht auf die Theorie selbst aus? Und wie ist es mit der Annäherung? Du weißt
ganz genau, dass die Annäherung an Unendlich ...
Fehlbarkeit, Bereitschaft zur Verbesserung, all das könnte mit dem Wort Fallibilismus
gedacht werden. Denn nur der Papst war unfehlbar, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, habe
ich mir sagen lassen.
Hi JH,
denken kannst Du Dir viel bei Wörtern, aber versuch doch einmal, ein Verständnis von
„Fallibilismus" auf die tatsächliche physikalische Forschung und ihre bis heute
kumulativ entwickelten Theorien zu beziehen? Eine „Logik der Forschung“, wie Popper sie
umschrieb, gibt es nicht. Forschung und Alltag folgen keiner Logik, sondern der
Stochastik. Und der Verweis auf den Papst fällt unter PLURV; denn hat der vielleicht
quantitativ gedacht?
Ja, physikalische Therorien unterfallen dem NVP (näherungsweise vereinheitlichenden
Paradigma), deshalb sind sie in ihren jeweiligen Gültigkeits- und Genauigkeitsbereichen
nicht widerlegbar. Momentan reichen ihre Genauigkeitsbereiche bis zu einem relativen
Fehler von etwa 10^-14 hinunter und erstrecken sich über mehr als 60 Größenordnungen vom
Kleinsten bis zum Größten. Das ändert aber nichts an der Alltagstauglichkeit des
Galilei’schen Fallgesetzes mit einer Fehlertoleranz im Prozentbereich nahe der
Erdoberfläche.
Hypothesen werden in Verbindung mit Theorien hinsichtlich der Existenz formuliert, denke
bspw. an das Higgs-Boson, die Quarks, W/Z-Bosonen, Positron, Elektron … oder an die
Naturkonstanten. Sie alle sind theoriegeleitet per Messung zu ermitteln, wobei die
Messwerte empirisch und nicht fallibel sind. Denn sollte eine Theorie nicht mit genaueren
Messungen konform gehen, wird sie dadurch lediglich eingeschränkt, aber nicht widerlegt.
Am Austesten der Genauigkeitsgrenznen der Theorien wird ständig intensiv gearbeitet; denn
schon kleine Abweichungen könnten den Horizont auf weiterreichende Theorien eröffnen.
Die die Naturvielfalt immer unerreichbar bleiben dürfte, wird den Physikern nie die Arbeit
ausgehen; denn was bspw. kommt nach Relativitäts- und Quantentheorie? Und wie wird ein
Quanten-Internet aufzubauen sein?
IT