Hallo IT,
zunächst möchte ich bitten, etwaige persönliche Amositäten (weil ich
wiederholt auch theologische Probleme in der Liste thematisiert habe), bei
der Betrachtung meiner Fragen außer acht zu lassen.
Am Sa., 23. Aug. 2025 um 13:13 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <
philweb(a)lists.philo.at>gt;:
In dem Bereich der künstlichen Intelligenz gibt es die
sog. "The Platonic
Representation Hypothesis“. Diese geht davon aus, dass die neuronale
Repräsentanz von bestimmten abstrakten Konzepten immer konstant sei.
Im "Proof of a perfect platonic representation hypothesis“ by Liu Ziyin
und Isaac Chuang ist zu lesen: "A recent line of research in AI has
uncovered the emergence of universally aligned and structurally similar
representations across different models — a phenomenon referred to as the
Platonic Representation Hypothesis. This hypothesis states that large
models trained on larger and larger datasets will learn representations
that are very close (if not identical) to each other, even if these models
have different architectures and may even see different (but often related
or paired) data.“
Und in der Grundlagenarbeit "The Platonic Representation Hypothesis“ (PRH)
wird ausgeführt: "Our central hypothesis is that there is indeed an
endpoint to this convergence and a principle that drives it: different
models are all trying to arrive at a representation of reality, meaning a
representation of the joint distribution over events in the world that
generate the data we observe.“ Und natürlich wird auch das Höhlengleichnis
bemüht: "We call this converged hypothetical representation the “platonic
representation” in reference to Plato’s Allegory of the Cave (Plato, c. 375
BC), and his idea of an ideal reality that underlies our sensations. The
training data for our algorithms are shadows on the cave wall, yet, we
hypothesize, models are recovering ever better representations of the
actual world outside the cave.“
Aus meth. konstr. Sicht frage ich mich, inwieweit die PRH der KI im
Unterschied zum expliziten Ideationsverfahren auf ein implizites Verfahren
ideativer Prozesse hinaus liefe. Aus stochastischer Perspektive
überschnitten sich damit Abstraktion und Ideation bzw. abstraktive und
ideative Prozesse.
Mein Punkt war, dass diese Hypothese ein Indikator ist. Natürlich ein
eindeutiger Indikator oder ein Beweis. Verschiedene LLMs scheinen ähnliche
Konzepte gleich zu repräsentieren, das heißt (so wie mir erklärt wurde),
sie bilden vergleichbare neuronale Vernetzungen.
Um es mal zusammenzufassen:
In einem anderen Abschnitt unserer Diskussion haben wir die Idee erörtert,
dass aufgrund von Vagheit und Mehrdeutigkeit der Sprache, auch scheinbar
eindeutig definierte Begriff wie "Beweis" von unterschiedlichen Personen
unterschiedlich aufgefasst wurden. IT (du) warfst eine *ideologiekritische
Perspektive* ein, für die du durchaus Literatur hattest etc., die darauf
hinauslief, dass Leute selbstdienliche Ansichten tendenziell vertreten. RF
(ich) brachte eine eigene Idee ein, dass verschiedene Auffassungen von der
Bedeutung von Begriffen möglicherweise durch "Vermittlungsfehler" bei der
Kommunikation dieser Begriffe entstehen könnten. RF wählte dabei bewusst
das Beispiel der höheren Mathematik und den Begriff des Beweises.
In einem anderen Zweig der Diskussion warf ich das Schlagwort "The Platonic
Representation Hypothesis" als eine Art Gegenargument gegen meine eigene
Überlegung.
Wie plausibel ist es, dass z. B. unterschiedliche Verständnisse des
Begriffes "Beweis" aus Missverständnissen erwachsen, wenn künstliche
neuronale Netze diese Konzepte gleich repräsentieren?
Natürlich ist das eine Spekulation. Künstliche neuronale Netze arbeiten mit
Sicherheit anders als das menschliche Gehirn es tut.
Wo ist der Verbindung zur Diskussion über Nominalismus?
Meines Erachtens würde der Nominalismus als philosophische Position mehr
"plausibler" und anwendbarer, wenn die Mehrdeutigkeit durch Vagheit wahr
wäre. Die platonistische Hypothese dagegen macht einen
Universalienrealismus plausibler. Letzteres erfordert natürlich
nicht-triviale Zusatzannahme über die Verallgemeinerbarkeit von
Beobachtungen künstlicher neuronaler Netzen auf *alle* neuronalen Netze
(inklusiv das menschliche Gehirn), den Zusammenhang zwischen mentalen und
neuronalen Zuständen und metaphysische Annahmen.
Meines Erachtens ist diese philosophische Diskussion interessant und es
wäre es wert, sie hier in der Liste zu diskutieren. Denkst du nicht auch,
dass es fruchtbarer ist als die Frage nach Gott immer wieder neu
aufzuwärmen?