Am 19.03.2022 um 22:15 schrieb Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am Sa., 19. März 2022 um 18:36 Uhr schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
ANDRE FUHRMANN, „Existenz und Notwendigkeit, Kurt
Gödels axiomatische Theologie“ ist hier klickbar:
https://user.uni-frankfurt.de/~afuhrman/downloads/GoedelExistenzNotwendigke…
Ich fürchte, ich muss dich in dieser Beziehung leider enttäuschen. Mir
war das bisher nicht bekannt und ich werde es mir durchlesen.
Und wie ich schon schrieb:
Wenn aus einem Set von Prämissen logisch einwandfrei eine Aussage
folgt, die ich ablehne, dann muss ich entweder eine der Prämissen
negieren oder die Schlussregel selbst zumindest mit Ausnahme versehen
oder eben zeigen, dass es nicht logisch einwandfrei folgt.
Das ist ja das selbe, was die Atheisten den Gläubigen immer vorwerfen.
Dass sie die Widerspruche und Ungereimtheiten der eigenen Lehre
mutwillig ignorieren, eine intellektuelle Auseinandersetzung scheuen
und zumindest partiell irrational sind.
Hi RF,
zunächst einmal war Gödels Beweis nicht einwandfrei, wie Benzmüller zeigen konnte. Und
solange Du meine methodischen Einwände ignorierst, kannst Du Dich ewig wiederholen, aber
was bringt das außer Selbstbestätigung? Ich muss keine spezielle Logik und kein
Axiomensystem akzeptieren, in dem die Prämissen gelten. Es kommt doch nicht nur auf die
Prämissen an, sondern auch darauf, in welcher Logik sie gelten. Mit geeignet gewählten
Definitionen und Axiomen kann ich formal alles beweisen. Meth. Konstr. kommen ohne Axiome
aus und verzichten auf eine Substanzmetaphysik. Mit einem konstruktiven Verständnis von
Notwendigkeit bzgl. physikalischer Verlaufsgesetze wird kein logischer Übergang von
Möglichkeit in Notwendigkeit erreicht.
Ich weiß nicht, von welchen Atheisten und Gläubigen Du schreibst. Als Freidenker glaube
ich nicht, sondern orientiere mich empirisch wie logisch an konstruktiven Methoden.
Dennoch bewundere ich Gödels Scharfsinn, Benzmüllers Genauigkeit und halte die von
Fuhrmann behandelte Viele-Welten-Interpretation für bedenkenswert. Aber all das bleibt im
Formalen — und noch einmal gefragt: Welche Gläubigen orientieren sich denn an Spinoza,
Leibniz oder Gödel, ausnehmend friedfertigen Artgenossen. Was soll ein persönlicher,
auswählender, schöpfender mit einem formalen „Gott" zu tun haben? Sind Karl (der
Große), Wladimir (der Heilige) oder gerade wieder Kyrill mit Putin aus formalen Gründen in
ihre Kriege gezogen? Ebenso wie Karl und Wladimir fühlt sich auch der Autokrat Putin zu
einem heiligen Krieg für ein auserwähltes Volk berechtigt gegen den sittenlosen
Liberalismus der westlichen Demokraten.
Was die SA für Hitler war, ist die Kampftruppe der „Gemeinschaft Orthodoxer Bannerträger“
für Putin. Sie führen einen, wie sie sagen „Heiligen Krieg" für die „Verbreitung
des orthodoxen Glaubens, der Wiederherstellung der Autokratie, der Wiedergeburt des
russischen Nationalbewusstseins und Reichspatriotismus.“ So berichtete es der
Deutschlandfunk — als er noch aus Russland berichten durfte. Derartige Gläubige sind aus
den Sowjetatheisten herausgewachsen, die sich ebenfalls keiner formalen Methoden
bedienten, stattdessen der Gewaltherrschaft Vorschub leisteten.
IT
PS. Neben dem Handbuch Kriegstheorien gibt es natürlich auch ein Handbuch Frieden — und
ein Handbuch Krieg und Frieden.