Am 09.02.2025 um 12:19 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Hi JH,
Du schriebst folgenden Satz anders:
> Nach meinem Verständnis kritisierte Kant Hume mit
dem Vorurteil von der Wichtigkeit der Vernunft. (1)
Und kannst ihm nach einigen Versuchen nicht in Deinen Gebrauch übersetzen. Ich schrieb
jeweils von Rahmen und Vorurteil, Paradigma und Themata. Du erwogst u.a. Annahme. Damit
müsste ich in meinem Gebrauch von Meta-Annahme und Annahme schreiben. Aber wie wäre es mit
der Formulierung, dass Kant Hume unter der Meta-Annahme der Vernunftsphilosophie von der
angenommenen Vernünftigkeit der Kausalitätsananahme bzw. von der angenommenen
Unvernünftigkeit des Skeptizismus kritisierte?
Von Weizsäcker
und Lorenzen bspw. haben je auf ihre Weise wieder an Kant angeknüpft. Alltägliche Rahmen
und Vorurteile werden in der Philosophie ja auch Paradigmen und Themata genannt. Nach Kuhn
sind mit Paradigmen die metaphysischen Überzeugungen und forschungspolitischen Annahmen
gemeint, die den Entwurf von Theorien und die Planung von Experimenten leiten. Und nach
Holten bezeichnen Themata eher die individuellen Neigungen ....
Die verwendeten Wörter sind für mich nicht erforderlich, es entstehen bei mir zu klärende
Redundanzen. Dissonanzen?
Die obigen Ausführungen könnten auch mit Meta-Annahmen und Annahmen formuliert werden.
Aber von sprachlichen Hierarchien scheinst Du nichts zu halten, obwohl sie schon in der
Umgangssprache wesentlich sind, um dissonante Selbstbezüglichkeiten zu vermeiden.
Weil im Zuge
der Aufklärungsbewegung die Vernunft hervorgehoben wurde, unterfiel Kants „Kritik der
reinen Vernunft“ dem Aufklärungsparadigma, so dass er neben der Vernunft die Anschauung
für ebenso wichtig hielt: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind
blind. … Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur
daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen“.
Hierbei hat er sich gehörig verheddert, oder etwa nicht? Trotz Genauigkeit und gutem
Denken.
Romantiker und Dialektiker sahen das so, nicht aber die ihn weiter führenden Lorenzen und
von Weizsäcker, die gleichermaßen der Vernunft durch 'calculemus‘ und
'distinguamus‘ folgten. Ich habe die beiden bisher aber nur ansatzweise
zusammengedacht. Unter Analytikern sind Kants synthetische Urteile a priori Stein des
Anstoßes geblieben, obwohl der Nachweis, dass die Mathematik analytisch sei, ja
scheiterte, was Kant in seiner Antinomie der Unendlichkeit bereits vorweggenommen hatte.
Zugleich ist die Mathematik natürlich nicht synthetisch bzw. empirisch, vielmehr
synthetisch a priori; jedenfalls soweit sie methodisch konstruierbar ist. Gleiches gilt
bei Lorenzen für die der Physik vorausgehenden Protophysik. Und Janich nahm im Rahmen
seines methodischen Kulturalismus sogar das Alibiprinzip als synthetisches a priori der
Lebenswelt an; denn „das Alibiprinzip, wonach eine Person wohl zu zwei verschiedenen
Zeiten am selben Ort, nicht aber an zwei verschiedenen Orten zur selben Zeit sein kann,
ist ein empirisch nicht revidierbares, sondern apriorisches Wissen aus dem Bereich der
Lebenswelt.“
IT