Die Verneinung ist doch dadurch definiert, daß sie den Wahrheitswert einer Aussage
umkehrt. Wer also einer Aussage und ihrer angeblichen Verneinung gleichzeitig in gleichem
Sinn den gleichen Wahrheitswert zuschreibt, hält sich nicht an diese Verabredung.
Vielleicht versteht er ja unter Verneinung etwas anderes. Er sollte dann seine
Ausdrucksweise erklären, damit man ihn überhaupt versteht und nachprüfen kann, was er
sagt.
Weil es sich um eine Sprachform und nicht um eine Behauptung handelt, erscheint mir die
Forderung nach einem Beweis unangemessen.
Eine sehr wichtige Form! Ohne sie wären Beschreibungen nicht möglich und dann sähe unser
Leben anders aus. Beschreibungen können ja wahr oder falsch sein, sonst wären sie keine.
Claus
Am 7. Sep. 2019, 21:15, um 21:15, Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>
schrieb:
[Philweb]
Hallo Leute,
vorab eines, dieser Beitrag ist ein "Schnellschuß" und erhebt keine
höheren Ansprüche.
Am Mi., 4. Sept. 2019 um 02:40 Uhr schrieb K. Janssen via Philweb:
Individuelles Bewusstsein als beständig (zumeist
unbewusst)
interagierender Teil (InFORMation tauschend und verarbeitendes
Subsystem) eines unteilbar Ganzen, gewissermaßen universellen
Bewusstseins (Informationsfeld).
Das ist gar nicht mal so exotisch.
So ein Verständnis hatte z. B. Schrödinger in "Was ist Leben" als er
davon schrieb, dass Bewusstsein nur in Singular existieren kann.
Ich wollte die Gelegenheit mal nutzen, einen anderen, meines Erachtens
interessanten Gedanken einzubringen.
Ich denke, das größte eigentliche Problem lässt sich wie folgt
umschreiben. Schon Schopenhauer hat es in "die Welt als Wille und
Vorstellung" im Wesentlichen richtig erkannt.
Aus einer streng (natur-)wissenschaftlichen Perspektive auf den
Menschen, sind wir nur Objekte der Betrachtung. Bloße "Dinge", so wie
es beliebige andere Aussendinge gibt, also wie Planeten, Tiere usw.
Wenn wir uns aber hinsetzen und nachdenken oder philosophieren,
erleben wir uns doch anders. Als handelnde Subjekte (bei Schopenhauer
freilich mehr erkennende Subjekte, aber das spielt hier keine Rolle).
Ein junger Mann sitzt dann vielleicht in seinem Zimmer, bis spät in
die Nacht und stellt sich selbst solche Fragen wie "soll ich studieren
oder ein Handwerk lernen?", "Soll ich wirklich 'Philosoph' werden oder
wäre es nicht vielfach klüger, etwas anderes zu werden?" oder "Ist die
Art und Weise, in der sich unsere Gesellschaft entwickelt gut? Was
bedeutet die Antwort auf die Frage für mich, werde ich nicht sowieso
mitmachen?"
In dem Moment macht auch Determinismus keinen Sinn, selbst wenn alles
bereits seit dem Urknall wie ein Uhrwerk abläuft - ein nach heuiger
Physik falsches Bild, aber eben nur ein Bild - , dann hilft das dem
jungen Mann überhaupt nicht. Er kann sich die Frgen nicht selbst
beantworten.
Auch jede Form von Strategie, von Selbstreflektion auf einer
bestimmten Ebene und von Ethik, laufen darauf hinaus, dass man den
Menschen als entscheidendes und handelndes Subjekt sieht, nicht als
bloßen Mechanismus.
Schopenhauer hat dieses Problem durch seine Metaphysik beantwortet.
Für Schopenhauer gibt es im Grunde auch nur ein Subjekt. Er schrieb
sogar im zweiten Band, dem "Zusatzband", von WaWuV, dass die Frage
nach der Moral nicht sei, ob jemand an Gott glaube, sondern ob er
Metaphysik hat.
Er ging, soweit ich verstanden habe, davon aus, dass quasi eine Art
"Präexistenzielle Wahl" hatten bezüglich des Lebens, das wir führen
wollen. Innerhalb des Lebens aber gibt es keinen Freien Willen. Wir
können tun was wir wollen, aber wir können nicht (mehr) wollen, was
wir wollen.
Das war die Antwort des Idealismus.
Heute ist Idealismus ein bisschen in Verruf geraten. Eine meines
Erachtens ebenfalls bemerkentswerte Antwort hat der sog.
"Eliminativismus" - er negiert rücksichtslos die individuelle
Perspektive des subjekts als handelndes Subjekt, indem er Gefühle,
Willen usw. als Illusion ansieht:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Eliminativer_Materialismus&o…
Nun gibt es eine noch radikalere Antwort, die ich der Liste zur
weiteren Diskussion vorstellen möchte. Achtung, der folgende Gedanke
ist mir bei der Lektüre gekommen, er hat deshalb eine gewisse
Orginalität, was bei mir kein Qualitätsmaßstab sein muss.
Was ist, wenn beides zugleich stimmt?
Der Mensch ist einerseits eine vollständig erklärbare Maschine, deren
Aktionen genauso vorhergesagt werden können wie vergleichbar komplexe
Systeme wie eine Sturmfront oder ein Sonnensystem.
Doch der Mensch ist zugleich, auf die selbe Art und Weise und so fort
auch ein handelndes Subjekt und letzter Urheber seiner Handlungen.
Man könnte vor Gericht zwar sagen, "der Täter hat die Tat begannen,
weil sein Gehirn auf diese Art konstruiert war, er konnte nicht anders
handeln", gleichzeitg aber auch "er hatte sehr wohl anders handeln
können, es war seine Entscheidung".
Beides ist richtig, die Ego- oder "First-Person-Perspektive", in der
wir uns verschiedene Optionen vor Augen führen und dann eine
auswählen; aber eben auch die "außenperspektive", demnach wir gar
nicht anders konnten.
Wie soll das möglich sein?
Überraschenderweise gibt es darauf einen Antwort:
https://plato.stanford.edu/entries/dialetheism/
Wir haben es hier mit den Sonderfall eines "wahren Widerspruchs" zu
tun, indem zwei sich widersprechende Aussagen gleichzeitig, auf die
selbe Art usw. wahr sind. Die Philosophen sind deshalb zu abstrusen
Ergebnissen gekommen, weil sie die absurdeste Grundansicht nicht
erkannt haben. Es muss in dem Fall beides stimmen.
Natürlich lassen sich konsistente Aussagensystemen entwickeln, in
denen entweder die Ego-Perspektive bedient wird (der Mensch als
Letzturheber seiner Handlungen) oder nur die Außenperspektive (der
Mensch als komplexes Naturphänomen). Doch ignorieren diese Systeme
willentlich einen Teil der beobachtbaren Realität. Die erste Gruppe
von Theorien nimmt deshalb zu metaphysischen Systemen zuflucht wie bei
Schopenhauer. Die zweite Gruppe muss die Introspektion leugnen.
Die Frage ist, handelt es sich dabei um intellektuell redliche
Vorgehensweisen, mit dem Problem fertig zu werden? Als ich einmal
darüber nachdachte, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass in der Tat
das Problem tiefer liegen sollte.
Der Dialetheismus hat eine Reihe von Problemen, wie z. B. die
intuitive Klarheit des Widerspruchssatz, die scheinbare
Falschbenutzung des Wortes "Nicht" oder das in der Mathematik die
Berechtigung indirekter Beweise in Frage steht. Das größte Problem
dürfte die Syntaktische Ableitung des Prinzips der Explosion sein.
Der D. hat aber auch ein paar Pro-Argumente, die ich hier kurz anreisen
will:
1.) Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch selbst wurde niemals
schlüssig begründet. Die Anhänger führen das darauf zurück, dass der
Satz selbst zu elementar sei, um weiter begründet zu werden. Das ist
aber sachlich gesehen kein Argument.
2.) Es gibt sehr wohl mathematische Systeme mit Widersprüchen, die von
den Experten als interessant eingestuft werden. Jedenfalls Wert sie zu
untersuchen. Parakonsistente Logiken sind eine Außenseiterposition,
aber sie werden durchaus entwickelt.
3.) Viele Gegenargumente gegen den D. sind ebenfalls falsch. Ein
Anhänger des D. ist nicht verpflichtet, jeden beliebigen Satz und sein
Gegenteil für korrekt zu halten. Er geht nur von der Existenz einiger
weniger Stze aus, die sowohl wahr als auch falsch zugleich sein
können. Das betrifft nicht alle Sätze. Beispielsweise könnte es sein,
dass die gesamte Mathematik zu diesen Strukturen gehört und auch alle
alltäglichen Fälle, wie Gerichtsverhandlungen usw.usf.
Nur einige Sätze die solche exotischen Themen wie das
"Lügnerparadoxon", das Selbstbewusstein oder das "Nichts" betreffen,
sind betroffen. Genauso wie ein Flugzeugkapitän die Ankunftszeit nicht
anhand der Speziellen Relativitätstheorie ausrechnen wird, auch wenn
er Einstein nicht leugnet.
Was denkt ihr darüber? Ist meine Ansicht fehlgeleitet oder korrekt?
Gruß
der Ratfragende.
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