Am 10. August 2018 um 15:09 schrieb K. Janssen:
Als ich das Buch vor Jahrzehnten erstmals las, hat es
mich ähnlich in den Bann
gezogen wie beispielsweise die Romane von Hesse.
Beides jetzt Texte, die ich nicht gelesen habe und über die ich
deshalb schweige, um mich nicht lächerlich zu machen.
Einerseits die Kritikander Aufklärung des 17. und 18.
Jahrhunderts;an jener
Art vonAufklärung, die ein gewisses Scheitern von Beginn anim Diktum der
„instrumentellen Vernunft“ in sich angelegt hatte,demzufolge sich ein dem
purenNutzen verschriebenes Verhältnis vonKultur zur Natur entwickelte.
Das könnte in der Tat in meine Richtung gehen.
Das Problem ist nur, bisher ist es noch niemanden gelungen, wirklich
moralische Grundsätze aus der "reinen Vernunft" abzuleiten.
Im Spannungsfeld zwischen zunehmender
Naturbeherrschung („/Natur als ein bloßes
Werkzeug des Menschen“ und „Objekt totaler Ausbeutung“//)/und damit
einhergehenderMenschenbeherrschung entwickeln sichbis heute dieFesselnder
aufgeklärten Moderne: „/eine satanische Synthese von Vernunft und Natur
[...] das genaue Gegenteil jener Versöhnung der beiden Pole, von der
Philosophie stets geträumt hat“/.
Von einer Vermischung von Mensch und Natur hatten meinesWissens nur
die Stoiker geträumt, indem sie natürliches Verhalten auch als das
vernünfitge und moralisch richtige betrachteten.
Steuerung bzw. Eindämmung menschlichen Trieb-
und Affektlebens, sowie eine zwanghafte Nutzbarmachung von Gesellschaft und
Natur im Sinne von Sensualismus und Utilitarismus (Hobbes, Locke, Hume
u.a.).
Es gibt bei Hobbes stellen, die man eindeutig so lesen kann. Zu beginn
des Leviathan sind die Begriffsbestimmungen in dieser Hinsicht sehr
eindeutig und weisen in diese Richtung.
Hume würde ich allerdings eher unter den "zersetzenden Theoretiker"
zählen. Sprich: Ich gehe davon aus, dass Hume die Moral in erster
Linie erklären wollte, keine neue, vernünftige Moral aufstellen. Die
normativität der Moral ergibt sich daraus, dass es für die
Gesellschaft nützlich ist, wenn Individuen sich so verhalten. Das
lässt sich nicht weiter hintertreiben. Die Gesellschaft könnte
theoretisch auch eine andere sein. Welche besser sind lässt sich nicht
sagen.
Für Locke dagegen bestand offenbar eine bessere und schlechtere Gesellschaft.
vor allem aber seineAgitationgegen
Exorzismus, Hexenverfolgung und Folter, was schließlichzur Abschaffung
vonHexenprozessenund Folter führte.
Mir ging es jetzt in erster Linie um die Begründung. Hobbes Begründet
seine Ablehnung der Folter letztendlich durch die
Gesellschaftsvertragstheorie und der Bestimmung der Begriffe von dem,
was ein Individuum anstrebt.
Hobbes kann man meines Erachtens spieltheoretisch-deskriptiv ("wie
würden rationale Individuum eine Gesellschaft konstruieren?") oder
normativ-naturrechtlich ("wie hat eine Gesellschaft laut vernunft zu
sein?")
deuten.
Nur ist Hobbes Naturrecht recht dürftig, kaum mehr als eben das
individuelle Nutzenkalkül des Individuums selbst. (Mit dieser
scheinbar unsinnigen Doppelung ist gemeint, dass das Individuum dabei
nur den eigenen Nutzen in Betracht zieht, nicht aus seiner subjektiven
Sicht den Nutzen eines Kollektives.)
Das Individuum will sich selbst erhalten.
Die anderen Individuen sind eine ständige potenzielle Gefahr und
deshalb tun sich alle Individuen zusammen und erzeugen durch
zusammenschluss
eine neue Rechtsperson - Leviathan, den sterblichen Gott unter den
Unsterblichen.
Der Souverän vertritt das Individuum durch Vollmacht. Deshalb sind
alle Handlungen, die der Souverän anordnet, eigentlich Handlungen des
Individuums selbst.
Da das Individuum aber nicht rechtswirksam auf den Widerstand vor
Tötung verzichten darf und auch nicht über sich selbst richten muss,
darf er nicht zur Aussagen gegen sich selbst gezwungen werden.
(Anmerkung: Bei Hobbes ist es noch etwas komplexer gedacht als es sich
hier anhört. Ich empfehle die Lektüre des Leviathan. Das Werk kann man
nicht als bedeutend genug ansehen.)
[...] die sich wieder demErbe der
platonisch-aristotelischen Ethik verpflichtet
sah, wurde vor allem mit Kant sowie den Denkern des
deutschen Idealismus fortgeführt.
Gut, sich dem verpflichtet zu fühlen ist ja schon und gut, aber meines
Erachtens kommt es grade in der Philosophie vor allen Dingen auf die
Begründung an.
Warum soll z. B. die goldene Mitte moralisch so besonders wertvoll
sein? Kants Ethik ist auch eine völlig andere als die von Aristoteles
oder von Platon.
Die progressive Idee der Aufklärung,traditionelle
Herrschaft von Personen in
eine Herrschaft der Gesetze zu wandeln, verfehltejedoch ihre hehreAbsicht,
insoweitsie neueFesseln anlegte, nämlich Gesetze der bürgerlichen
Gesellschaft mit Herrschaftsanspruch.
Dem muss ich so zustimmen.
Versklavung des Menschen durch weltweit (teils subtil
angewandte) inhumane
Herrschafts- und Unterdrückungsmethoden.
Worin bestehen diese "inhumanen Methoden" z. B. in Westeuropa?
Vergleichen mit öffentlichen Hinrichtungen ist die Jetzt-Zeit doch ein
gewaltiger Fortschritt.
Irrational extensive Techniknutzung, Massenproduktion
und damit gnadenlose
Ausbeutung von Ressourcen, Kulturindustrie (Eventhype),
Medienherrschaftdurch oktroyierte Meinungsbildung, gestützt auf die
Ich nehme mir die Freiheit einer Rückfrage:
Was soll mit "Kulturindustrie" gemeint sein?
Verstehe ich den Text richtig, dass heute eine Kulturindustrie
bestehen soll, während diese z. B. zur Zeit von Shakespear unbekannt
war?
Scheinmoral einer unsäglichen Gesinnungsethik und so
fort.
Meinen Sie damit die Gesinnungsethik im Sinne Webers oder die
Motivationsethik ("der Zweck heiligt die Mittel")?
Nicht verwunderlich, dass die (studentische) Jugend
der Sechziger Jahre,
insbesondere angeregt von Horkheimer-Adorno, Lukács (als Vaterfiguren für
die sog. „Vaterlose Generation“), die Defizite dieses Herrschaftssystems
erkannte und begann, sich gegen diese abwegige Gesellschaftsentwicklung
aufzulehnen, die es (um jeden Preis) zu ändern galt, um /"aus der Kritik der
alten Welt die neue [zu] finden"/, wie Marx es formulierte.
Ich glaube, das wird den Ereignissen um 68 nicht gerecht.
die Notstandsgesetze und gegen diverse Diktaturen, so
auch das Schah-Regime.
Hängt auch stark davon ab. Die Hippie-Bewegung in den USA scheint eher
zum Teil auch in eine andere Richtung gegangen sein.
"New Age"-Esoterik, Befreiung der Sexualität, die von einigen als die
Herabstufung zu einem Konsumprodukt betrachtet wird und
auf der anderen Seite gab es einfach nur Leute, die Spaß haben wollten.
Mglw. hat die Pille und billiger Buchdruck (in den USA auch der Fall
Roe v. Wade)
die Gesellschaft da mehr verändert als aller Protest zusammen.
Die lebhafte Erinnerung an diese historische Epoche
naiv
utopischer Träume von Weltveränderung und Lebensglück
bleibt jenen erhalten, die diese Zeit als verstörend oder aufregend
erlebt haben, gleich ob als Befürworter oder Gegner, gleich ob als
Student oder im Beruf Stehender.
„Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und
ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“
~ Goethe
Ich vermute, würden wir, wie durch ein Wunder, einen Zeitgenossen
Karls des Großen vor uns haben, würde
der über die Zeit seiner Jugend und Kindheit wohl ähnliches sagen.
Es sind letztendlich subjektive Eindrücke. Leider gehen diese meisten verloren.
Vielleicht sind sie der Sinn der Geschichte - zumindest wenn sie positiv waren.
Kritikastisch missgestimmt,
verbreitendieseProtagonist*innen von
„political-correctness“dasDiktat vomKorrekten im Namen einer höheren Moral
und Empfindsamkeit und bedienen sich einer politisch korrekten Jammer- und
Diskriminierungsrhetorik.
Es ist leider einfacher zu moralisieren als zu diskutieren.
Besonders, wenn man den eigenen Standpunkt nicht miteinbezieht. Eine
Sünde, derer ich mich auch immer wieder schuldig mache.
Wobei das ja nicht durch die Bank die Falschen trifft.
und öffentlich gemachter Beschämung durchsetzen.
Das erinnert mich wiederum an Berichte von der Kulturrevolution in
China unter Mao.
Womit wir wieder bei den Maoisten usw. wären. ;-)
Beide Genannten auf ihre sehr unterschiedliche Art und
Weise,doch beide mit
kritischem, scharfen Verstand, mit außerordentlichemSprachvermögen und Mut;
De Sade habe ich niemals angepackt. Das gebe ich zu.
Nietzsche ist immer eine Frage der Zeit, in der er sein Werk schrieb.
Das Spätwerk, das Frühwerk und das
mittlere Werk unterscheiden sich spürbar.
rationalen Individuums bewirkte jedoch die Verdrängung
bzw. Verleugnung der
intrinsisch im Menschen angelegten Naturverhaftung und birgtdamit das
latenteRisiko zur gewaltsamen (letztlich unausweichlichen)
Dies interpretiere ich so, dass der Mensch als Teil der natur gesehen
werden soll. Das ist
im Grunde die Revolution, die Darwins Evolutionstheorie für die
Menschheit bedeutet hat.
Der Mensch ist nun Teil der Natur und nichts mehr, das zu ihr im
Widerspruch steht.
Dieser Aspekt führt nun wieder zu den Fragen von
Ethik-Theorien, etwa dem
Gegensatz von Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Max Weber), die es
sicherlich hier zu diskutieren lohnt.
Naja, Gesinnungs- vs. Verantwortungsethik lässt sich im Grunde sehr
leicht skizzieren.
Der Gesinnungsethiker will selbst gut sein; der Verantwortungsethiker
will ein gutes Resultat.