Am 07.03.2021 um 13:38 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Es gibt Parallelen im Begriff der actual occasions und in der Kritik an der
Substanz-Ontologie bei Whitehead,
Hi Thomas,
bei mir liegen die Bücher Whiteheads ebenso wie die Batesons seit den 1970er Jahren
irgendwo ungelesen herum. Beide Autoren werden bis heute immer wieder in der
Ökologiebewegung erwähnt, aber wer hat sie schon gelesen? Alles aus sich selbst und der
Umgangssprache heraus entwickeln zu wollen, scheint mir ein sinnloses Unterfangen; denn
was hat unser Umgang miteinander schon mit dem Leben zwischen Mikro- und Makrokosmos zu
tun? Das erschließen offensichtlich nur mathematische Strukturen. Und obwohl Whitehead
Mathematiker war, hat er seine Prozessphilosophie allein aus der Umgangssprache heraus zu
formulieren versucht. Ein mir unverständliches Vorhaben; denn schon unsere Sinne vermögen
ja Millionen von Farben, Klängen und Gerüchen zu unterscheiden, aber wie viele Worte haben
wir dafür? Und wie nuanciert ist unsere jeweilige Stimmung bzw. „Gestimmtheit“ im
Vergleich mit den wenigen sprachlichen Gefühlsausdrücken dafür? Schon unser Alltagserleben
wird umgangssprachlich extrem übervereinfacht, wie kann man sich da anmaßen irgendetwas
weit darüber hinaus gehendes rein sprachlich erfassen zu wollen?
„Kohärenzen“ oder "actual occasions“, die nicht nur wortreich der Phantasie ihrer
Autoren entspringen, sehe ich bspw. eher in den fundamentalen „Zitterbewegungen“ der
Elektronen, die noch nicht nachgewiesen werden konnten, aber bereits 1930 von Schrödinger
vermutet wurden. David Hestenes schreibt einleitend in: "The zitterbewegung
interpretation of quantum mechanics“ im Abstract: "The zitterbewegung is a local
circulatory motion of the electron presumed to be the basis of the electron spin and
magnetic moment. A reformulation of the Dirac theory shows that the zitterbewegung need
not be attributed to interference between positive and negative energy states as
originally proposed by Schroedinger. Rather, it provides a physical interpretation for the
complex phase factor in the Dirac wave function generally. Moreover, it extends to a
coherent physical interpretation of the entire Dirac theory, and it implies a
zitterbewegung interpretation for the Schroedinger theory as well.“
Interessant dabei ist, dass die Elektronen beim „Zittern“ einer Uhr gleich ihr eigenes
Zeitmaß generieren. David schreibt dazu in „Reading the Electron Clock“ im Abstract:
"If electron zitterbewegung is a real effect, it should generate an electric dipole
field oscillating with the zitterbewegung frequency 2 m_e c^2 / h_bar (10^21 Hz). The
possibility of detecting it as a resonance in electron channeling is analyzed.“ Da die
elmag. WW alle chem. Reaktionen basiert, wären das doch wahrlich dem Leben zugrunde
liegende „Kohärenzen“ oder "actual occasions“. Mit einer an Grassmann anknüpfenden
"Space Time Algebra" (STA) hat David aus der Zitterbewegung ein ganzes
Forschungsprogramm gemacht. Im letzten Jahr wurde Oersted gedacht, der 1820 die Wirkung
von Elektrizität auf eine Magnetnadel entdeckt hatte. Und was haben daran anschließend
Maxwell und Einstein, Dirac und Feynman mathematisch nicht alles daraus gemacht? Und wie
weit wären sie gekommen, wenn sie bloß darüber geredet hätten?
Ich frage mich, warum Philosophen nicht an derartigen Fundamentalprozessen anknüpfend eine
Prozessphilosophie entwickeln. Die wäre dann nicht nur wortreiche Phantasterei, vielmehr
eine durch Formalismen gestützte Theorie, die im Prinzip sogar empirisch testbar wäre.
Dabei könnten die (Elektronen-)Kohärenzen als Knoten von Spin-Netzwerken verstanden auch
zu den aus ihnen in der LQG formulierbaren Flächen- und Volumen-Operatoren beitragen.
Somit entsprängen Zeit und Raum allererst mathematischen Strukturen interpretiert durch
physikalische Theorien. Und deren Konsequenzen reichen ja heute bis in die Arztpraxis,
wenn wir an die vielen hochgenauen Analyse-, Diagnose- und Therapie-Methoden denken.
Hinsichtlich eines physiko-bio-psycho-sozialen Medizinmodells sähe ich es also kreisförmig
gestaltet, wobei die dem sozialen Kontext erwachsende Medizintechnik rückwirkend die
fundamentalphysikalischen Prozesse verkörpert, während diese hinwirkend ihre
Funktionalitäten ermöglichen; ein sich allerdings nicht nur sprachlich um den Patienten
aufspiralender Wirbel. Und im physiko-bio-psycho-sozialen Alltagsmodell spiralt sich
natürlich alles ums Smartphone.
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