Am So., 14. Juni 2020 um 18:12 Uhr schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Du scheinst im zweiwertigen Denken von
grundsätzlichen
wahr-falsch Unterscheidbarkeiten gefangen zu sein.
Der Anschein trügt.
Wir reden unterschiedlich und meinen wohl das selbe.
Der Punkt ist der, von "Wissen" kann man meiner Meinung nach nur bei
Vorhandensein von Gründen, Beweisen, sprechen.
Wenn es weder einen Beweis für A, noch für ~A gibt, dann muss
grundsätzlich beides als möglich anerkannt werden.
Eigentlich
nicht. Das gehört eher in den Bereich "Nicht entschiedene
Fragen der Wissenschaft". Ich selbst glaube zwar nicht an
Mirko-Black-Holes, aber das liegt daran, dass ich die Theorie nicht
kenne. Ich glaube auch nicht daran, dass es sie nicht gibt.
Du kannst natürlich glauben was Du willst, in der Wissenschaft
sollte es redlicher zugehen, wobei Redlichkeit auch im Alltag hilft.
Das Wort "Glauben" führt bei manchen Lesern immer wieder zu solchen Reaktionen.
"Glauben" ist für mich zunächst einmal das subjektive "Für wahr
halten" einer Sache. Wenn ich weiß, dass die Erde keine Scheibe ist,
dann glaube ich zugleich auch daran, dass sie es nicht ist, d. h. ich
halte es für richtig.
Wenn ich aber von der Theorie der trans-irgendwas Algebra höre, dann
kann ich nur feststellen, dass ich hier weder etwas für richtig, noch
für falsch halte. Ich kenne diese Theorien nicht, ich weiß nicht, was
die Forscher dort für Gründe haben.
Der Satz "Du kannst glauben was du willst" dagegen legt meine Worte so
aus, als ob es um etwas rein subjektives geht.
Dass du mir die Redlichkeit abspricht, das interpretiere ich als fast
schon kränkendes Missverständnis. Zu sagen, dass ich weder an die
Theorie glaube, noch an das Gegenteil ist zuviel eine wahrhaftige
Beschreibung meines Standes dazu.
Und verweisen „nicht entschiedene Fragen der
Wissenschaft“
nicht gerade auf das unendlich weite Feld unseres Unwissens,
das sich zwischen Schuld und Unschuld sowie wahr und
falsch erstreckt?
Ich denke, wir sind damit vom Thema schon sehr weit abgerückt und
sollten zurückkehren.
Wenn ich das richtig memoriere, dann hattest du folgendes Argument gebracht:
1. Niemand kann das aktual Unendliche beweisen.
|=> Das aktual Unendliche gibt es nicht.
Diese Schlussfolgerung ist meines Erachtens falsch.
Sie lässt sich nur komplettieren durch eine zusätzliche Annahme wie
"was sich nicht beweisen lässt, existiert nicht".
Genau diese Annahme würde ich bestreiten. Für mich ist das ein
Subjektivismus davon auszugehen, dass Dinge, die der Mensch nicht
kennt, tatsächlich nicht existieren.
Man könnte jetzt alternative Formulierungen einbringen wie "Dinge, die
nicht existieren, dürfen nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen
Theorie sein". Ich vermute, du würdest den Satz vervollständigen
wollen... Dann wären wir:
1. Niemand kann das aktual Unendliche beweisen.
2. Wissenschaftliche Theorien sollten so wenig ontologische Annahmen
machen wir möglich.
3. Die Annahme von unbewiesenen Dingen ist immer eine überflüssige
ontologische Annahme.
|=> Wissenschaftliche Theorie sollten nicht das aktual Unendliche beinhalten.
Ich halte die Prämisse (3) für unklar oder problematisch.
Darwin hat seine Evolutionstheorie bekanntlich bereits aufgestellt,
bevor die Natur der Erbsubstanz gelüftet wurde. Die DNA wurde meines
Wissens erst nach dem Tode Darwins entdeckt.
Ebenso gehen Physiker meines Wissens von der Existenz von Teilchen in
ihren Theorien aus und versuchen diese dann erst zu beweisen.
Gerade die Mathematik ist aber eine große Ausnahme, weil es dort
offenbar auch alternative Axiomatiken usw. gibt. Wieso sollte es nicht
eine Mathematik geben, die das aktual Unendliche impliziert und eine,
die versucht ohne diese auszukommen?