Hi Karl,
Du fühlst Dich gemacht, ich mich der Natur erwachsen. Aber der Weg vom energiedichten
Lichtball kurz nach dem letzten Rückprall unseres Universums bis hin zu mir im Hier und
Jetzt ist mir im Detail nicht nachvollziehbar. In meinem Erleben aber ist ein Ahnen davon.
Sprachlich ist der Bogen schnell gezogen: mater - Mutter - Materie. Und die kondensierte
gleichsam als gefrorenes Licht aus der Energie. Paarbildung und Annihilation, Materie und
Antimaterie hielten sich vorübergehend die Waage. Heute sind die Vorgänge detailliert in
den Beschleunigern reproduzierbar.
Hoimar von Ditfurth hatte sich in seinen "Innenansichten eines Artgenossen“ aus der
Evolution seines Gehirns heraus zu verstehen versucht. Wie unser Hirn mit jedem Erwachen
unser Bewusstsein generiert, ist nach wie vor ein Rätsel. Durch einfache Chemikalien ist
es zum Verschwinden zu bringen, aber wie genau geht es hirnorganisiert aus der
elektromagnetischen Wechselwirkung hervor? Wie es wohl wäre, wenn wir Innen- und
Außensicht bzw. Erleben und Regen zur Deckung bringen könnten? Käme es zum ultimativen
Glück, einer Resonanzkatastrophe oder bloß zu einer Auslöschung wie beim Einschlafen?
Fragen über Fragen …
Es grüßt,
Ingo
Am 12.09.2020 um 02:56 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Am 11.09.2020 um 11:51 schrieb Ingo Tessmann:
Hi Karl,
von der Frage: „Wer bin ich?“, bist Du nach meinem Verständnis zu schnell zu der Frage:
„Was bin ich“, übergegangen.
Ja, das erkenne ich im Rückblick auf das Geschriebene
ebenso. Womöglich als „Freudsche Fehlleistung“ geschehen oder (vermutlich die
zutreffendere Intention der Fragestellung), um bei Freud zu bleiben: „wo ES war, soll ICH
werden“; also demnach:(aus) WAS bin ich (gemacht), um WER sein zu können.
Das hat natürlich eine gewisse Affinität zur philosophisch orientierten Standardfrage:
Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Künstlerisch brillant dargestellt von
Paul Gauguin. Nun ja, das ist eher nicht unser geläufiges Thema hier.
Bist Du nicht zunächst einfach derjenige, der
sich die Frage stellt? Mit der Frage könnte man einen Roman oder seine Memoiren beginnen.
So wie diese sich, gelesen oder nicht, unzählig in den Regalen (mittlerweile in
digitalen Speichern) finden. Doch selbst wer daraus gründlich gelesen hat, stellt sich
diese Frage immer wieder auf‘s Neue.
Aber das wäre Literatur, also: „Was bin ich?“
Atome und Leere bzw. Quanten und Felder. Das wäre Physik. Die Philosophie vermittelt, so
wie es Konstantin Wecker zum Abschied Hans Peter Dürrs poetisch versucht hat:
So wie man Wecker kennt, mal kritisch, mal poetisch kontemplativ. Ja, die Poesie
kann es ausdrücken, da Intuition wie auch Inspiration aus metaphysischen Ebenen kaum mit
normativem Sprachgebrauch darstellbar sind.
Die Metapher vom "gefrorenen Licht“
vermittelt zwischen den Lichtquanten, die im Wirkungsquantum bereits Energie und Zeit
hervorbringen, der Photosynthese und Atmung über des Daseins Schönheit bis hin zum Ahnen
mit Erleben: Sind ich und du / und alles immerzu - vielleicht nur Licht?
Immerhin und vor allem Licht! Photonen als Informationsträger und Vermittler
wechselwirkend lebensbedingender Ordnungsmuster.
Die Wechselbeziehung zwischen „ich und du / und alles immerzu“ ist vor allem aber auch
ein großes Thema der Psychologie, insbesondere mit Blick auf Martin Bubers „dialogisches
Prinzip“:
„Der Mensch wird am Du zum ICH“. Diese Ausrichtung auf Zwischenmenschlichkeit („...erst
der Mensch mit dem Menschen ist ein rundes Bild.“) drücken die in diesem Zusammenhang
geschaffenen Wortpaar-Begriffe „Ich-Es“ und „Ich-Du“ aus.
Buber formuliert, wer aus „Ich-Es“ spricht, erfährt die Welt, macht sie sich nutzbar und
zweckdienlich, während mit dem „Ich-Du“ das ICH in eine real unmittelbare Beziehung zu
einem Menschen tritt.
Diese Beziehung beruht auf Gegenseitigkeit, dem gemeinsam gesagten DU, sie bewirkt
Mitmenschlichkeit und setzt die wechselseitige Annahme des Gegenparts in seiner Anderheit
voraus.
Diese gegenseitige Annahme ereignet sich „Jenseits des Subjektiven, diesseits des
Objektiven, auf dem schmalen Grat, darauf Ich und Du sich begegnen, (es) ist das Reich des
Zwischen.“ (Buber)
Bubers dialogische Prinzip des Menschseins droht in weiten Kreisen unserer Gesellschaft
verloren zu gehen, soweit es überhaupt da und dort gelebt wurde. So ist es (immer wieder)
an uns, die Stellen zu suchen, wo Menschen gemeinsam als „ich und du“ immerzu Licht in
diese Welt bringen.
Bester Gruß an Dich und in die Runde!
Karl